Von Magdalena
Gómez
Poonal v. 25.07.2019
(Mexiko-Stadt, 9. Juli 2019, la jornada).-
Zwei Ereignisse jüngsten Datums stehen in klarem Kontrast
zueinander. Einmal das Interview, welches der mexikanische Präsident
aus Anlass des ersten Jahrestages seines Wahlsieges dem Vorstand und
Journalist*innen der Tageszeitung La Jornada gab. Zum anderen die
Rede, die Andrés Manuel López Obrador am 6. Juli in Guadalupe
Tepeyac im Bundesstaat Chiapas hielt. Guadalupe Tepeyac ist
ein symbolischer Ort aus den Anfängen der zapatistischen Bewegung.
Ich gehe zuerst auf die Äußerungen im Interview ein, danach auf die
mögliche Bedeutung seines Diskurses in Chiapas. Dabei liegt es
eindeutig in der Entscheidung der EZLN, ob und in welcher Form sie
darauf antwortet. Eine Art, dies zu tun, könnte auch darin bestehen,
überhaupt nicht zu reagieren.
Zu den Streitkräften befragt, wiederholte der Präsident, dass
„die Armee Befehle erhält. Und jetzt haben sie keinen Befehl
bekommen, der lautet, die Bevölkerung zu massakrieren, zu foltern,
verschwindenzulassen oder zu unterdrücken. Das wird es nicht
geben.“ Im Video des Interviews beobachten wir dann Fragen und
Kommentare, deren Antworten heute in etwas anderem Licht
erscheinen. „In den zapatistischen Gemeinden in Chiapas ist die
Situation sehr angespannt. Es gibt militärische Tiefflüge.“ Amlo
antwortet: „Das ist Fantasie. So als ob ich hier als Blumenvase
stünde. Ich bin aber kein Zierstück. Nein, das Thema ist stark
ideologisiert. Die Zapatisten, die ich respektiere, glauben nicht
oder haben nicht geglaubt, dass sich die Transformation auf
friedlichen Weg und an den Urnen durchführen ließ.“ Die Situation
sei aber durch das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las
Casas dokumentiert, erwiderten die Journalist*innen. Die Antwort:
„Dann lügen sie“. Die Replik: „Das pflegen sie nicht zu tun.“
Präsident leugnet kritische Gegenfragen
Anschließend kam die Problematik der Paramilitärs an die Reihe,
die der Präsident ebenfalls leugnete. Es folgte die Kritik am
Maya-Zug: Sollte nicht die indigene Bevölkerung befragt werden,
durch deren Dörfer der geplante Zug fahren soll? Die übliche
Antwort: „Das wird schon gemacht.“ Aber nicht gemäß den
Bestimmungen der Konvention 169 der Internationalen
Arbeitsorganisation, wird dem Präsidenten bedeutet. „Doch, das
wird gemacht“, die Antwort. „Aber es gibt große Unzufriedenheit“,
wird eingewandt. „Ich bin nicht deiner Meinung. Ich bin dort
gewesen. Ich habe ihre Stimme gehört. Darum habe ich von zwei
verschiedenen Welten gesprochen, denn ich habe befragt, wie die
Konservativen anmerken. Ich würde sagen, es gibt keine Ablehnung,
sie existiert nicht. Oder wenn, aber nur minoritär.“ Die
Journalist*innen insistieren: Die Bevölkerung erinnert das alles
an den Plan Puebla Panama.“ Amlo: „Ja, weil viele glauben, wir
seien genauso. So war das mit den Zapatisten. ´Subcomandante
Marcos´ kommentierte, wir seien das Schlangenei und es sei besser,
nicht wählen zu gehen.“
Diese Ansichten sind bekannt. Die aktuelle Frage ist, warum López
Obrador in Guadalupe Tepeyac das zapatistische Thema ansprach,
ohne es wie sonst auf den „Subcomandante“, den heutigen „Galeano“
zu fokussieren. Er gab zu: „Mit dem zapatistischen Aufstand
wandten sich viele Augen den Gemeinden zu. Das half, eine von
Verlassenheit, Unterdrückung, Ungerechtigkeiten und
Marginalisierung gekennzeichnete Wirklichkeit bekannt zu machen“.
Amlo erinnerte daran, dass er damals das zapatistische Territorium
besuchte und sich selbst für den friedlichen und von den Wahlurnen
bestimmten Weg entschied. Er gestand zu, dass es die Vision gibt,
eine unterdrückerische Realität mit Hilfe des bewaffneten Wegs zu
transformieren, wie dies bei der mexikanischen Unabhängigkeit, der
Reform und der Revolution geschehen sei. Er endete mit dem Aufruf:
„Wir sollten uns nicht streiten, Schluss mit Spaltungen, wir
müssen uns zusammentun. Zusammen und vereint wie Geschwister.“
Amlo: „Wir müssen uns zusammentun“
An diesem Punkt tauchen Fragen auf: Warum, mit welchem Ziel
entschied sich der Präsident, dieses Gebiet zu besuchen und in
Anwesenheit der Militärs und des Gouverneurs von Chiapas den
Respekt vor dem Kampf und Weg der EZLN einzufordern, wenn er noch
Tage zuvor die Feindseligkeiten gegen die Zapatist*innen leugnete
und von Lügen sprach? Holte er Informationen ein, die ihn
überzeugten, die Polarisierung mit der EZLN zu entschärfen? Denn
diese Polarisierung wird recht sicher von denen ausgenutzt, die
glauben, sich gut mit dem Obersten Chef zu stellen, wenn sie
diejenigen attackieren, die dieser als Feind ansieht. Mein
Eindruck ist, die Versöhnungsbotschaft an die EZLN ist in
Wirklichkeit ein Befehl an seine Untergebenen. Wenn dies so ist,
dann bekommen Ton und Inhalt des Diskurses Sinn. Sicher ist die
Bilanz des Präsident hinsichtlich des Zapatismus unvollständig.
Aber seine Anwesenheit und Botschaft in Guadalupe Tepeyac sind
relevant.
Dass es Amlo ist und nicht ein nach dem Wahlsieg selbsternannter
Bote [Anspielung auf den Pater Alejandro Solalinde], hat eine
Bedeutung. Erinnern wir uns: Carlos Salinas erklärte [1994] den
einseitigen Waffenstillstand aufgrund des Drucks der
Zivilgesellschaft. Ernesto Zedillo praktizierte den Krieg mit
allen Mitteln. Vicente Fox erklärte, er werde den Konflikt in 15
Minuten lösen und verabschiedete das Gegenteil einer wirklichen
Verfassungsreform ohne den Versuch, den Gesprächsprozess zu
erneuern. Felipe Calderón und Peña Nieto wendeten die
salinistische Maxime an, die Zapatist*innen vollständig zu
ignorieren. Soll seine Botschaft über die Einheit Erfolg zeitigen,
müsste Amlo den Kurs seiner Regierung ohne Simulationen ändern;
gegenüber der EZLN und den indigenen Völkern, die von seinen
Megaprojekten bedroht sind, die ihre Rechte verletzen.
https://www.npla.de/poonal/praesidentenbotschaft-an-die-ezln/
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