Sonntag, 8. Dezember 2013

Eduard Dolinski, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in der Ukraine, fordert die Ukraine und die internationale Gemeinschaft auf, Swoboda offen entgegenzutreten und die Partei zu demaskieren – die deutsche Regierung aber hofiert diese Faschisten

KIEW/BERLIN Quelle: german-foreign-policy.com/ vom 05.12.2013 – Bei einem Treffen des deutschen Botschafters in der Ukraine mit dem Vorsitzenden der extrem rechten Partei Swoboda ist schon im Frühjahr ein etwaiger Sturz der Kiewer Regierung thematisiert worden. Dies geht aus Mitteilungen von Swoboda hervor. Demnach habe sich das Gespräch damals allgemein um das Assoziierungsabkommen mit der EU und um „Auswege aus der politischen Krise“ gedreht; dabei sei auch erwähnt worden, das „anti-ukrainische Regime“ Janukowitsch könne gekippt werden. Das Treffen, das kurz vor dem Besuch einer Swoboda-Delegation bei der NPD stattfand, war eingebettet in eine ganze Reihe von Zusammenkünften der Swoboda-Parteispitze mit teilweise hochrangigen Diplomaten aus der EU und aus Nordamerika. Bei mehreren Gesprächen waren auf ukrainischer Seite zudem die Parteien Batkiwschtschina von Julia Timoschenko sowie UDAR von Witali Klitschko vertreten. Das heutige Protestbündnis, das sich demnach bereits seit fast einem Jahr mit Diplomaten aus EU-und NATO-Staaten austauscht, habe sich „schon auf eine Postenaufteilung im Fall eines Sieges geeinigt“, heißt es in Berichten. Demnach ist für den Fall eines Umsturzes in Kiew mit der Regierungsbeteiligung einer Partei (Swoboda) zu rechnen, die auf europäischer Ebene mit der NPD kooperiert. Umsturzpläne Wie aus Mitteilungen der extrem rechten Partei Swoboda („Freiheit“) hervorgeht, hat ihr Anführer Oleh Tiahnybok bereits Ende April Kontakt zum Botschafter Deutschlands in der Ukraine, Christof Weil, aufgenommen. Demnach sei es bei einem gemeinsamen Gespräch zunächst allgemein um die „politische Situation in der Ukraine“ gegangen. Man habe sich zudem über „die Notwendigkeit“ ausgetauscht, dass die Ukraine „das Assoziierungsabkommen mit der EU“ unterzeichnen müsse. Es sei dann auch über „Auswege aus der politischen Krise“ diskutiert worden. Tiahnybok, der dem Botschafter explizit versichert haben will, Swoboda werde „ihr Bestes geben, um den Weg für das Assoziierungsabkommen freizumachen“, habe sodann weiterreichende Vorschläge gemacht, teilt Swoboda mit. Er habe „betont“, „die internationale Gemeinschaft“ solle „die derzeitige Politik der Janukowitsch-Administration verurteilen“, um dazu beizutragen, „die Herrschaft des Volkes durchzusetzen und das anti-ukrainische Regime (in Kiew, d. Red.) zu stürzen“.[1] „Moskowitisch-jüdische Mafia“ Das Treffen des deutschen Botschafters mit dem Swoboda-Anführer, der einst mit der Äußerung von sich reden gemacht hat, die Ukraine werde von einer „moskowitisch-jüdischen Mafia“ kontrolliert [2], war Teil einer Reihe von Zusammenkünften zwischen der Parteispitze von Swoboda und teils hochrangigen Diplomaten aus der EU und Nordamerika. Bereits am 23. Dezember 2012 hatte Tiahnybok ein Gespräch mit dem Botschafter Litauens in der Ukraine, Petras Vaitiekunas, geführt. Es folgten Treffen mit den Botschaftern der USA und Tschechiens (Januar), Ungarns, Israels und Dänemarks (Februar) und eine Zusammenkunft des Stellvertretenden Sprechers des ukrainischen Parlaments, Ruslan Koschulinski, mit der stellvertretenden polnischen Außenministerin. Im April tauschte sich Koschulinski gemeinsam mit Vertretern von Batkiwschtschina und von UDAR mit den Außenministern Polens, Litauens, der Niederlande und Dänemarks sowie mit dem Vertreter der EU in Kiew aus. An späteren Gesprächen nahmen neben Funktionären von Swoboda – meist Tiahnybok – und zuweilen von Batkiwschtschina und UDAR etwa der Botschafter Kanadas in der Ukraine oder der US-Vize-Außenminister für Europa und Eurasien, Eric Rubin, teil. Am 30. September wurde Tiahnybok einer Mitteilung von Swoboda zufolge sogar von der Staatspräsidentin Litauens, Dalia Grybauskaite, persönlich empfangen. Von der NPD zur EU Die umfassenden Kontakte zwischen diplomatischen Stellen Deutschlands und weiterer EU- sowie NATO-Staaten sind nicht nur deshalb bemerkenswert, weil Swoboda eindeutig zur extremen Rechten zu zählen und in deren Milieu bestens vernetzt ist.[3] So nahm der Swoboda-Beauftragte für internationale Kooperation, Taras Osaulenko, am 23./24. März 2013 an einem Treffen teil, bei dem ein stellvertretender Bundesvorsitzender der NPD als Redner angekündigt war. Wenige Wochen vorher hatte Tiahnybok seine ersten Treffen mit Diplomaten aus der EU und den USA abgehalten; wenige Wochen später traf er den deutschen Botschafter in Kiew. Rund einen Monat nach Tiahnyboks Zusammenkunft mit Botschafter Weil besuchte eine Swoboda-Delegation die NPD in Sachsen, einer Hochburg der Partei.[3] Ende August nahm der Swoboda-Beauftragte Osaulenko an der Eröffnung eines Swoboda-Büros in Brüssel teil, das die Beziehungen zur EU und zur NATO pflegen soll; im September traf er den US-Botschafter in Kiew, im Oktober führte er Gespräche mit Vertretern der neofaschistischen Partei Forza Nuova (Italien), die ihrerseits Kontakte zur NPD unterhält. Mitte Oktober feierte Swoboda – eigenen Angaben zufolge mit über 20.000 Teilnehmern – die Gründung der Ukrainischen Aufstandsarmee (Ukrajinska Powstanska Armija, UPA) vor 71 Jahren, am 14. Oktober 1942. Die UPA ermordete in faktischer Kooperation mit deutschen Truppen unter anderem bis zu 100.000 Polen und wird daher vom polnischen Staat bis heute als „verbrecherische Organisation“ eingestuft. Einen Monat vor der Gedenkfeier hatte der EU-Botschafter in der Ukraine, der Pole Jan Tombiński, bei einem Treffen mit Swoboda-Funktionären angesichts der immer engeren deutsch-europäischen Kooperation mit der Partei notgedrungen erklärt: „Man muss auf die Zukunft blicken, nicht auf die Vergangenheit.“ Regime Change Darüber hinaus verdienen die Kontakte westlicher Diplomaten zu Swoboda auch bezüglich der aktuellen politischen Forderungen der ukrainischen Opposition Beachtung. Berichten deutscher Journalisten, denen keine herausragende Sympathie für die Regierung Janukowitsch nachgesagt werden kann, ist zu entnehmen, dass ein offenbar erheblicher Teil der Kiewer Demonstranten auch den im Westen beliebten ukrainischen Oppositionspolitikern „seit dem Scheitern der Revolution in Orange allgemein misstraut“. Insofern habe sich die neue Protestbewegung zunächst strikt darauf beschränkt, die Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens zu verlangen, von Parteien aber dezidiert Abstand gehalten – und nicht für einen Regimesturz plädiert. Erst die Anführer der Oppositionsparteien hätten diesen zu ihrer Forderung gemacht. Gemeint sind vor allem Tiahnybok, Klitschko und der Batkiwschtschina-Vertreter Arsenij Jatsenjuk. Alle drei hielten sich letzte Woche am Rande des Gipfels in Vilnius zu Gesprächen bereit; Klitschko etwa traf mit dem einflussreichen außenpolitischen Berater der Bundeskanzlerin, Christoph Heusgen, persönlich zusammen. Nach ihrer Rückkehr, „am Samstag“, hätten die drei dann „intern vorgetragen“, „ihr Ziel sei ein politischer Machtwechsel: Rücktritt der Regierung, vorgezogene Parlamentswahl“, wird berichtet. Angeblich hätten sie sich „auch schon auf eine Postenaufteilung im Fall eines Sieges geeinigt“.[4] Der anvisierte Umsturz entspricht also weniger den ursprünglichen Forderungen der Masse der ukrainischen Protestbewegung als vielmehr den Plänen der sich mit Berlin und Brüssel eng abstimmenden Parteispitzen der Opposition. „Schlagt die Juden“ Den Planungen zufolge wäre im Falle eines Umsturzes damit zu rechnen, dass in Kiew eine extrem rechte Partei an der Regierung beteiligt wird – offenkundig mit Billigung Berlins. Einen optischen Eindruck davon, wie die Dinge schon jetzt stehen, bietet ein großformatiges Foto, das eine der einflussreichsten deutschen Tageszeitungen am Dienstag abdruckte. Es zeigt Aktivisten, die das Kiewer Rathaus besetzt halten; im Bildmittelpunkt prangt, angebracht im Innern des Rathauses, ein Swoboda-Plakat. Es zeigt die zwölf EU-Sterne, neben ihnen ein Swoboda-Parteisymbol.[5] Eine Pro-EU-Regierung in der Ukraine würde sich in der Tat auf Kräfte stützen, die in der Tradition von NS-Kollaborateuren stehen und Beziehungen zur NPD unterhalten. Parteichef Tjahnybok hat die Ukrainer schon vor geraumer Zeit „soziale Nationalisten“ genannt, die in Kürze eine „dritte Revolution“ beginnen könnten. Swoboda-Anhänger treten zuweilen bei Riots mit der Parole „Schlagt die Juden“ auf.[6] Geostrategische Motive Veranlasst ist die Unterstützung, die Berlin dem Bündnis mit der extremen Rechten in der Ukraine zukommen lässt, durch geostrategische Motive, die die deutsche Ostexpansion schon lange prägen. Wirksam wurden sie erstmals im Ersten Weltkrieg, dessen hundertster Jahrestag im kommenden Jahr europaweit begangen wird. german-foreign-policy.com berichtet am morgigen Freitag. Weitere Berichte und Hintergrundinformationen zur aktuellen deutschen Ukraine-Politik finden Sie hier: Protestbündnis für Europa, Probleme der Ostexpansion und Ein breites antirussisches Bündnis. [1] Oleh Tyahnybok meets with Germany’s ambassador; en.svoboda.org.ua 29.04.2013 [2] Rachel Ehrenfeld: Svoboda Fuels Ukraine’s Growing Anti-Semitism; www.algemeiner.com 24.05.2013. S. auch Eine Revolution sozialer Nationalisten [3] s. dazu Ein breites antirussisches Bündnis [4] Konrad Schuller: Weihnachtsbaum als Etappenziel; Frankfurter Allgemeine Zeitung 02.12.2013. Konrad Schuller: Die Revolution und ihre Reporter. Frankfurter Allgemeine Zeitung 04.12.2013 [5] Frankfurter Allgemeine Zeitung 03.12.2013, Seite 3 [6] s. dazu Eine Revolution sozialer Nationalisten

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen