Mittwoch, 23. Mai 2012
Vor 35 Jahren, im April 1977, wurde die Kommunistische Partei Spaniens (PCE) legalisiert
„Wenn sich Suarez in seinem Ultimatum mit bloss drei Punkten begnügen konnte, so hat dies viel damit zu tun, dass die PCE und ihre Führung schon im voraus wesentliche Zugeständnisse gemacht hatten, darunter die Verleugnung des wissenschaftlichen Sozialismus, besonders der marxistisch-leninistischen Staats-, Partei-. Revolutions- und Imperialismustheorie; ebenso die Zustimmung der PCE zum NATO-Beitritt Spaniens, die Lossagung vom proletarischen Internationalismus und von der internationalen Solidarität mit dem antiimperialistischen Lager, besonders die Distanzierung von der Sowjetunion und der Kommunistischen Weltbewegung. Insofern Programm der PCE weder das Endziel einer klassenlosen Gesellschaft noch Forderungen auf Vergesellschaftung der Produktionsmittel formulierte, war es gemässigter als das PSOE-Programm.”
Von mh
Quelle: Kommunisten.ch vom 5.04.2012 (auf Kommunisten-online am 22. Mai 2012)
In einem Interview für Atlantica XXII bricht Gerardo Iglesias, Generalsekretär der PCE von 1982 bis 1988, und dann Generalsekretär des Linksbündnisses Izquierda Unida (IU), sein jahrzehntelanges Schweigen über die Hintergründe dieser Legalisierung. Wie er erklärt, akzeptierte die PCE 1977 die spanische Monarchie auf militärischen Druck.
Zur Legalisierung der Kommunistischen Partei von Spanien (PCE) vor 35 Jahren
Die Hintergründe der Legalisierung der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE) im Jahre 1977, wie überhaupt die Umstände des sogenannten “demokratischen Übergangs” (transición democrática) vom Franco-Staat zur parlamentarischen Monarchie, blieben vielen Zeitgenossen verborgen und werden erst allmählich bekannt. Diese Umstände waren offenbar dergestalt, dass es viele der damaligen Akteure seither bevorzugen, über dieses Kapitel Schweigen zu bewahren. Kein Wunder also, dass es auch noch Jahrzehnte später Aufsehen erregt, wenn dennoch ab und zu ein “pikantes” Detail aus jener Zeit bekannt wird. So etwa im Jahre 2008, als die Madrider Tageszeitung El Pais die Tatsache ans Tageslicht förderte, dass Francos letzter Regierungschef, Carlos Arias Navarro, im Jahre 1975 den USA anbot, einen Krieg gegen Portugal zu führen, wenn nötig auch im Alleingang, um die revolutionäre Entwicklung im Nachbarland zu unterdrücken.1
Zum Anlass des 35. Jahrestags der PCE-Legalisierung hat die asturische Zeitschrift Atlántico XXII ein Interview mit einem der Beteiligten gebracht.2 Nach Jahrzehnten des öffentlichen Schweigens (obwohl er an verantwortlicher Stelle stand) gibt Gerardo Iglesias nähere Auskunft über eine historische Sitzung, an welcher der damalige 1. Sekretär der Comisiones Obreras von Asturien als ZK-Mitglied teilnahm.
Aus dem Interview mit Gerardo Iglesias
Die entscheidende Sitzung des Zentralkomitees der PCE fand in einem Madrider Hotel statt und war die erste, die nicht geheim gehalten wurde, obwohl die Partei noch nicht legalisiert war. An dieser denkwürdigen Sitzung gab das ZK seine Zustimmung zur Monarchie. Wie Iglesias berichtet, stand die Frage der Stellung zur Monarchie und zur Fahne nicht einmal auf der Tagesordnung des Zentralkomitees.
Als gerade die Beratung eines Statutenentwurfs im Gang war, wurde der Generalsekretär Santiago Carrillo durch einen Telefonanruf von Regierungschef Adolfo Suárez zu einem sofortigen Gespräch unter vier Augen aufgefordert. Carrillo verliess die Sitzung sofort, um der Vorladung Folge zu leisten. Als er zurückkam, hatte Carrillo bereits eine fertig redigierte Erklärung in der Hand, die er vorlas. Er informierte das ZK, dass Suárez ihm gesagt habe, dass die Armee angekündigt hätte, “sie werde uns abholen” (que iba a por nosotros).
Iglesias vermutet, dass Carrillo mit Suárez die Bedingungen aushandelte, um eine Kommunistenverfolgung abzuwenden, die vom ZK als unmittelbar drohender Sturm von faschistischen Truppen auf das versammelte Zentralkomitee aufgefasst wird. Die Erinnerung an die Bluttat rechtsextremer Terroristen gegen eine Gruppe von kommunistischen Anwälten in der Atocha-Strasse in Madrid (Januar 1977) war noch sehr frisch.
Suárez verlangte von Carrillo ultimativ drei Zugeständnisse: (1.) Bekenntnis zur territorialen Integrität Spaniens; (2.) Bekenntnis zur Monarchie und der herrschenden Dynastie der Bourbonen; (3.) Anerkennung der zweifärbenen Staatsflagge (anstatt der Trikolore der Republik).
Carrillos Entwurf erfüllte alle drei Punkte des Ultimatums von Suárez. Nach der Erinnerung von Gerardo Iglesias schritt das Zentralkomitee ohne Debatte zur Abstimmung über den vorgelesenen Text. Er wurde angenommen. Iglesias kann sich auch nicht an Gegenstimmen oder Enthaltungen erinnern.
Soweit Iglesias. Die ZK-Sitzung, von welcher er spricht, dürfte am 27. Februar 1977 stattgefunden haben. Vermutlich hat Carrillo beim Gespräch mit Suárez auch dessen Einwilligung zur Abhaltung des eurokommunistischen Gipfels im Madrid am 2. März erhalten.3
Der Druck zur Legalisierung der PCE und die Bluttat in der Calle Atocha
Nach Francos Tod (20.11.1975) schien auch die Zeit des Faschismus in Spanien abgelaufen. Nur zwei Tage später wurde Juan Carlos auf den Thron gesetzt. Franco hatte diesen erzogen und durch ein Gesetz von 1969 zum künftigen Staatsoberhaupt einer spanischen Erbmonarchie bestimmt. Um einem revolutionären Sturz des Faschismus nach portugiesischem Vorbild zuvorzukommen, schien nach Meinung vieler eine Demokratisierung von oben unausweichlich. So kam es in der herrschenden Klasse zur Herausbildung und eines stärkeren liberalen Flügel, und dem König wurden Sympathien mit diesem Flügel zugeschrieben. Er ernannte 1976 den wenig bekannten Liberalen Adolfo Suárez zum Regierungschef.
Schon vor der Legalisierung der Partei gestattete sich ihr Generalsekretär, der 1976 aus dem Exil zurück gekehrt war und sich illegal in Spanien aufhielt, öffentliche Auftritte, die zwar nicht bewilligt waren, aber geduldet wurden.
Die “matanza de Atocha” trug zur Beschleunigung dieser Entwicklung bei. Im Januar 1977 wurde eine Gruppe kommunistischer und gewerkschaftlicher Anwälte in der Atocha-Strasse von Madrid von Rechtsextremisten ermordet. Diese Bluttat mit 5 Todesopfern und mehreren schwer Verletzten verstärkte die Sympathien der Bevölkerung für den Kommunismus. Eine Riesenmenge schritt schweigend hinter den Särgen der Toten. Massenweise erhoben auch die Passanten die Faust zur Begrüssung des Trauerzuges. Im Umzug war auch Santiago Carrillo zu sehen. Im Februar 1977 konnte er in Valencia in Begleitung von Presseleuten ungehindert vor Hunderten von Zuhörern sprechen. Anfangs März zelebrierte er in Madrid einen Gipfel des “Eurokommunismus” mit Georges Marchais und Enrico Berlinguer.
Laut Gallup-Umfragen nahm der Anteil der Befürworter einer Legalisierung der PCE im Winterhalbjahr 1976/77 rasch zu. Im Oktober 1976 befürworteten erst 25 Prozent der Befragten eine Legalisierung, 35 Prozent waren dagegen, 40 Prozent hatten keine Meinung. Im Februar 1977, nach der matanza de Atocha, sind schon 43 Prozent der Spanier für die Zulassung der PCE und nur noch 24 Prozent dagegen. Im Monat der Legalisierung (April) setzt sich dieser Trend fort. Dafür sind 55 Prozent, dagegen noch 12 Prozent, während unverändert 33% keine Meinung äussern.4
Auch die Medien der NATO-Mächte hofierten Mitte der 70er Jahre den PCE-Generalsekretär, der als Papst des “Eurokommunismus” gefeiert wurde. Er erwies den Imperialisten manche Dienste, indem er in vorderster Reihe gegen die Revolution in Portugal auftrat und die Spaltung der Kommunistischen Weltbewegung vorantrieb.
Die Frage der Legalisierung der PCE wurde in diesem Umfeld gleich in mehrfacher Hinsicht zum Prüfstein für Suarez, seine Glaubwürdigkeit und seine Durchsetzungsfähigkeit gegenüber dem sogenannten “Bunker”, den reaktionärsten Kräften, zu denen neben dem hohen Klerus vor allem die Generale zählten.
Wenn die Legalisierung der Kommunistischen Partei als Prüfstein der Demokratie erkannt wurde, so entspricht diese Erkenntnis einer Tatsache der objektiven Realität. Die Kommunisten haben den historisch erworbenen Ruf als bewusstester und kämpferischster Teil (Vorhut) der Arbeiterklasse. Weil die Kommunisten und ihre Theorie als organisatorisch bzw. ideologisch konsequentester Ausdruck der Interessen der Arbeiterklasse gelten, bilden sie den natürlichen Gegenpol zum Faschismus, der seinerseits die reaktionären Interessen der Grossgrundbesitzer und des Monopolkapitals vertritt. Diese Tatsache zeichnete ihre Spuren in die Geschichte und war auch der breiten Bevölkerung halb bewusst. Auch die weniger klassenbewussten Spanier hatten mitbekommen, dass die spanischen Kommunisten nach der Niederlage der Spanischen Republik gegen die aufständischen Faschisten (1939) grausamen Rachefeldzügen ausgesetzt waren und jahrzehntelang verfolgt und unterdrückt wurden, und jeder konnte tagtäglich erleben, wie sehr die Faschisten den Antikommunismus ins Zentrum ihrer Propaganda stellten, wobei sie zur Rechtfertigung ihrer eigenen Herrschaft behaupteten, nur ein faschistischer Staat könne der “kommunistischen Gefahr” wirksam begegnen.
Wahltaktisch wäre die PSOE die grösste unmittelbare Nutzniesserin eines Ausschlusses der PCE von den Wahlen gewesen. Bei der Zentrumsunion von Suárez lag das taktische Interesse umgekehrt. Sie konnte sich dank der Teilnahme der PCE einen Vorsprung vor der PSOE sichern. Der daherige Effekt wurde durch das Wahlgesetz überproportional verstärkt. Damals ging das Wort: Wenn es keine PCE gäbe, so müsste Suárez sie erfinden.
Anderseits ging es Suárez auch darum, gegenüber der herrschenden Klasse den Beweis anzutreten, dass der Liberalismus – anders als der plumpe Antikommunismus der Rechten – die Spaltung zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten auszunutzen weiss und dass er es versteht, die Arbeiterparteien zu zersetzen.
Suárez erkannte, dass eine Legalisierung rechtzeitig erfolgen musste, damit die PCE an den Wahlen im Juni 77 teilnehmen konnte. Eine Verschiebung der Legalisierung hätte diese Wahlen nicht nur in den Augen vieler Spanier zur Farce gemacht. Am 9. April 1977, nicht zufällig am Samstag zu Ostern, gab die Regierung Suárez die Legalisierung der PCE bekannt. Der “sábado santo” oder “sábado de Gloria” wurde damit zum “sábado rojo”.
Die KP durfte von nun an Versammlungen abhalten, sich öffentlich betätigen und am Wahlkampf teilnehmen. Die Herrschenden beenden die offene terroristische Form der Klassendiktatur unter der Bedingung, dass ihre historischen “Errungenschaften” in der neuen Staatsform übernommen und zementiert werden, insbesondere was die Kontrolle über die staatlichen Gewaltmittel betrifft. Darunter eine Erbmonarchie, die mit dem Oberbefehl über die Streitkräfte ausgestattet, – und die nicht zufrieden ist, wenn man sie passiv akzeptiert, sondern Huldigung von den Untertanen verlangt.
(Die Parlamentswahlen vom 15. Juni 1977 – die ersten allgemeinen Wahlen seit 1936 – endeten mit einem Sieg der demokratischen Zentrumsunion (Unión de Centro Democrático, UCD) von Suárez, die 34,7 Prozent der abgegebenen Stimmen gewann. Auf Platz zwei folgte nicht die Rechte, sondern die “sozialistische” PSOE unter Felipe Gonzales mit 28,8 Prozent. Sogar die PCE (9,2%) erhielt mehr Stimmen als die rechte Volksallianz (8.3%), obwohl diese über den grössten Wahlkampffonds verfügte.)
Vorleistungen der PCE
Wenn sich Suarez in seinem Ultimatum mit bloss drei Punkten begnügen konnte, so hat dies viel damit zu tun, dass die PCE und ihre Führung schon im voraus wesentliche Zugeständnisse gemacht hatten, darunter die Verleugnung des wissenschaftlichen Sozialismus, besonders der marxistisch-leninistischen Staats-, Partei-. Revolutions- und Imperialismustheorie; ebenso die Zustimmung der PCE zum NATO-Beitritt Spaniens, die Lossagung vom proletarischen Internationalismus und von der internationalen Solidarität mit dem antiimperialistischen Lager, besonders die Distanzierung von der Sowjetunion und der Kommunistischen Weltbewegung. Insofern Programm der PCE weder das Endziel einer klassenlosen Gesellschaft noch Forderungen auf Vergesellschaftung der Produktionsmittel formulierte, war es gemässigter als das PSOE-Programm.
Gemessen an den Kriterien, die Alvaro Cunhal in seinen “Sechs grundlegenden Charakterzügen einer Kommunistischen Partei”5 festhielt, hatte die PCE schon lange aufgehört, eine solche zu sein. Für das erste Merkmal einer KP hält Cunhal die völlige Unabhängigkeit der Partei von den Interessen, der Ideologie, von Druck und Drohungen der Kapitalkräfte. Das Zeugnis von Iglesias zeigt, welche Rolle Druck und Drohungen beim Bekenntnis der KP Spaniens zur Monarchie gespielt haben.
Das Demokratieverständnis des Eurokommunisten
Das Vorgehen von Santiago Carrillo im Februar 1977 ist geradezu typisch für Opportunisten seines Schlages. Er handelte völlig allein, und ohne sich vom Zentralkomitee ein Verhandlungsmandat mitgeben zu lassen, einen Pakt mit Suárez aus, der wichtige Grundsätze der Partei preisgibt. Er verhöhnte die innerparteiliche Demokratie durch seine Überrumpelung des Zentralkomitees.
Er verhöhnte den Marxismus-Leninismus, indem er sich nicht die geringste Mühe machte, die Lage der Partei wissenschaftlich zu analysieren und ihre Taktik und Strategie entsprechend zu bestimmen.
So ist die Praxis der Leute, die sich als Kommunisten und als demokratische Musterknaben ausgeben und jeweils am lautesten schreien, wenn es darum geht, einem konsequenten Marxisten-Leninisten Vorwürfe wegen angeblicher Verletzung der innerparteilichen Demokratie zu machen.
Carrillo tat seine Pflicht als Agent der herrschenden Klasse und bot seinen Einfluss auf, um eine demokratische Willensbildung auszuschalten, indem er das ZK überrumpelte. Eine Taktik, wie man sie auch von anderen opportunistischen Parteiführern kennt, man denke an Chruschtschows Taktik von 1956 am XX. Parteitag der KP der Sowjetunion.
Hatte die PCE keine andere Wahl?
Wie erwartet reagierte die Armeespitze entsetzt auf die Meldung der Legalisierung. Viele Armeeangehörige hatten am Bürgerkrieg teilgenommen und die meisten Offziere waren Franquisten. Marineminister Admiral Pita da Veiga trat aus Protest zurück.
Der Oberste Rat des Heeres missbilligte den Beschluss zur Legalisierung der KP in einer Erklärung. Darin wird festgehalten, dass die Armee diesen Schritt nur widerwillig und aus Pflichterfüllung akzeptiert und dass der Rat weiterhin entschlossen sei, die Einheit des Vaterlandes, die Fahne, den König sowie Würde und Einheit der Armee zu verteidigen.6
Die zentralen Elemente dieses Beschlusses (Einheit Spaniens, Fahne, Monarchie) stimmen auffallend mit den drei Punkten des Ultimatums vom 27. Februar überein.
Der Beschluss der Armeeführer hat den Charakter einer Demütigung der PCE, welche an die in der Kapitulation eingegangenen Verpflichtungen erinnert und drohend ermahnt wird, diese einzuhalten. Dabei gab sich Carrillo doch schon alle Mühe. Das Porträt des Königs bildete den Hintergrund seiner Auftritte. An den Parteianlässen liess er neben Hammer und Sicher auch die Banner der Bürgerkriegssieger wehen.
Von einem bestimmten Punkt an konnten die Kommunisten den Kampf um die Demokratie wohl nur noch fortsetzen und zum erfolgreichen Ende führen, wenn sie dies im Bündnis mit allen konsequent demokratischen Klassenkräften gegen die Monopolbourgeoisie taten. Das Ziel im Bündnis mit dem liberalen Flügel der herrschenden Klasse erreichen zu wollen, hiess die Klassenlage zu verkennen.
Der von der Regierung ausgeübte Druck auf die PCE ist ein Lehrbeispiel für die Art und Weise des Zusammenwirken des “Liberalismus” mit der extremen Rechten, und für Rolle des Opportunismus bei der Anwendung dieser Methode. Suárez fuchtelte mit dem ihm offiziell ungeliebten Faschismus und wirft sich zum liberalen Beschützer der PCE und Retter aus der Not auf. In der Rolle des Guten deutete er an: wir können auch anders!
Beschädigt war damit auch der Name einer Kommunistischen Partei, dessen Würde ja dazu geführt hatte, dass 1977 die Zulassung der PCE überhaupt zum Prüfstein der Demokratie werden konnte. Dass die einst stolze Arbeiterpartei sich vor der Bourbonenkrone in den Staub warf, dieser symbolische Akt trug alle Anzeichen der Kapitulation und wurde von vielen Kommunisten und Sympathisanten in Spanien so empfunden. Das war ein Markstein auf dem Weg, der die PCE enorm geschwächt und fast zugrunde gerichtet hat. Nach dem Ausschluss der Eurokommunisten hat sich die zusammengeschmolzene PCE schrittweise von opportunistischen Einflüssen zu lösen versucht. Sie findet es heute an der Zeit, die Frage der Staatsform (Republik oder Monarchie) neu zu prüfen und durch ein Referendum zu entscheiden.
In der Arbeiterklasse mischte sich das Aufatmen über die Legalisierung 1977 mit der Verblüffung und mit dem Widerstand gegen die Politik der Parteispitze. Viele Aktivisten der Partei und der Comisiones Obreras hatten unter schweren Bedingungen der Illegalität gearbeitet und grossen Opfern gekämpft. Allein für ihr standhaftes Bekenntnis zur Republik hatten viele teuer bezahlt. In ihrer kämpferischen Praxis standen sich diese Arbeiter standen dem Exilheimkehrer Carrillo und seiner Umgebung fern. Näher verbunden sahen sie sich den kommunistischen (und den anarchistischen) Untergrundkämpfern, wie dem Generalsekretär der Comisiones Obreras, Marcelino Camacho, der 14 Jahre in faschistischen Kerkern und Lagern zugebracht hatte. Camacho, der am 8. April von einem Journalisten von der Legalisierung der PCE erfuhr, war übrigens so überrascht, dass er die Meldung nicht auf Anhieb für ernst nehmen wollte.7
Wie oben ausgeführt war die Zulassung der PCE für Suárez wichtig und er stand unter Zeitdruck wegen der bevorstehenden Wahlen. Eine gewaltsame Unterdrückung der PCE, wie von Suárez angedroht, hätte den sicheren Sturz von Suárez und möglichweise auch das Ende der oktroyierten Demokratisierung bedeutet. Das portugiesische Beispiel wirkte trotz Rückschlägen der revolutionären Entwicklung weiterhin stark auf die antifaschistische Stimmung der Massen in Spanien.
Bei solchen Kräfteverhältnissen konnte die PCE ihre Verhandlungsposition gegen Suárez ausspielen. Sogar bei schlechteren Kräfteverhältnissen darf eine Partei – auch wenn zu erbärmlichen Kompromissen und Rückzügen gezwungen – sich jedenfalls nicht auf einen Schacher um ihre Prinzipien einlassen. Der PCE stand die Möglichkeit offen, die Legalisierung zu den angebotenen Bedingungen abzulehnen, auf einem Referendum über die Staatsform zu beharren und jeder gegenteiligen Transitionspolitik die demokratische Tarnkappe abzureissen.
Wer argumentieren wollte, dass Carrillo und seine Leute die Pistole auf der Brust hatten und nicht anders konnten, der muss sich mit der Folgefrage beschäftigen, wie und durch welche Fehleinschätzungen es denn dazu kommen konnte, dass sich die PCE-Führung sich in eine Lage manövrierte, in der sie sich selbst gegenüber Erpressungen und Druck von Seiten der Machthabenden besonders empfindlich machte; empfindlicher als dies gewöhnlich in der Illegalität oder in der völligen Legalität zutrifft.
Gewiss wird die Zukunft noch Material an den Tag bringen, um zu einem klareren und vollständigeren Bild über diese Periode der Geschichte Spaniens zu gelangen.
(25.04.2012/mh)
__________
1 Arias quería ir a la guerra con Portugal (El País, 3.11.2008) – Siehe unseren Artikel: Als die letzte Franco-Regierung in den Krieg gegen Portugal ziehen wollte
2 atlanticaxxii.com («El PCE aceptó la monarquía en 1977 por presiones militares», Entrevista a Gerardo Iglesias, Atlanticaxxii, 7. April 2012)
3 So Javier Paredes, Historia contemporánea de España, Band 2, Barcelona 2004, 5. Aufl. 2008 S. 903. Paredes datiert die Begegnung Suarez/Carrillo auf den 27. Februar, verlegt aber den Beschluss des Zentralkomitees auf den 14. April, also nach der Legalisierung und stellt diesen Beschluss als unmittelbare Folge der Stellungnahme des Militärrates vom gleichen Tag dar. Das Zentralkomitee habe der rot-gelben Staatsfahne als Symbol des spanischen Staatskonzeptes und der Monarchie mit 131 Stimmen und bei 11 Enthaltungen zugestimmt. (S. 904)
4 Cambio 16 (18 de abril de 1977) / Instituto ICSSA Gallup; zitiert nach: Helena Varela-Guinot, La legalización del Partido Comunista de España – Elites, opinión pública y símbolos en la transición española (1990).
5 vgl: Álvaro Cunhal: Die sechs grundlegenden Charakterzüge einer Kommunistischen Partei (Teil IV)
6 Walther L. Bernecker, Spaniens Geschichte seit dem Bürgerkrieg, München (Beck) 1984, 4. Aufl. 2010, S. 228
7 Francisco Pérez Puche, La Valencia de los años 70, Valencia 2001, S. 127
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