Mittwoch, 30. Mai 2012

Mexiko: Der Favorit und die Dämonen der Vergangenheit

Von Sandra Weiss – Que­re­taro | Blick­punkt Lateinamerika | Mexikos Jugend ent­deckt die Enrique Peña Nieto, Mexico State Governor, speaks at the launch ceremony of the initiative "MasAgro; the Sustainable Modernization of Traditional Agriculture". This was held at CIMMYT's El Batán headquarters, Mexico on 05 April 2011 and attended by a number of dignitaries, including Mexican President Felipe Calderón, who formally presented the program to the public. MasAgro is a ten-year initiative in which smallholder farmers will work with agricultural research and development organizations to raise and stabilize their crop yields, increase their incomes, and reduce the effects of climate change on Mexico’s agricultural output, through better maize and wheat varieties, conservation agriculture cropping practices, and other technologies. It is a partnership among the Mexican Ministry of Agriculture, Livestock, Rural Development, Fisheries and Food (SAGARPA); CIMMYT; and numerous public, private, and farmer organizations in Mexico. It aims to increase annual rainfed maize production in Mexico by five-to-nine million tons and raise national bread wheat output by 350,000 tons within a decade. Photo credit: Xochiquetzal Fonseca/CIMMYT. For more about the MasAgro launch, see: http://blog.cimmyt.org/?p=6539. For video of the director general's address, see: http://blog.cimmyt.org/?p=6302.Demo­kratie und mischt den Wahl­kampf auf Da steht er nun, der Kan­didat der Kon­tro­verse. Ein ver­kappter Cau­dillo für die einen, ein Erlöser Mexikos für die anderen: Enrique Peña Nieto, 45, schwarze Hose, polierte Schuhe, blü­ten­weisses Hemd. Die Haar­tolle adrett nach hinten fri­siert, jede Geste ein­stu­diert. Wenn den Umfragen Glauben zu schenken ist, wird der ehe­ma­lige Gou­ver­neur der nächste Prä­si­dent des Landes. Darauf hat er sein ganzes Leben lang hingearbeitet. Zwei Gou­ver­neure hat seine Familie schon her­vor­ge­bracht, er will der erste Prä­si­dent sein. Das wurde ihm in die Wiege gelegt, und diese Rolle spielt Peña Nieto per­fekt: Im Lauf­schritt kommt er in die Wahl­kampf­arena, durch­bricht die Absper­rung, schüt­telt Hände, herzt Kinder und lächelt in Mobil­te­le­fon­ka­meras. Alles wirkt jung, dyna­misch, volksnah. Wäre da nicht die Partei, die er reprä­sen­tiert, und der Rat­ten­schwanz an Kor­rup­tion, Auto­ri­ta­rismus und Miss­wirt­schaft, mit dem sie asso­zi­iert wird. Zwölf Jahre nach ihrer Nie­der­lage greift die Partei der Insti­tu­tio­nellen Revo­lu­tion (PRI) wieder nach der Macht, und Enrique Peña Nieto ist ihr As. Auf der Bühne redet er von Hoff­nung, von Auf­bruch und der ver­gan­genen Grösse Mexikos, die es zurück­zu­ge­winnen gilt. Keine abs­trakten Pro­gramme, keine kon­kreten Analysen – bis auf den Zettel, den ihm der lokale Par­tei­funk­tionär am Ende in die Hand drückt mit den übli­chen Ver­spre­chen: mehr Schul­busse, eine neue Strasse, ein Trink­was­ser­an­schluss. Das liest er vom Blatt ab. Zahlen, Fakten sind nicht die Sache eines Mannes, dem der soeben ver­stor­bene Autor Carlos Fuentes vor­warf, igno­rant zu sein und der auf die Frage nach seinen drei Lieb­lings­bü­chern ins Stot­tern kam. Peña Nietos Stärke liegt woan­ders. Er bringt seine Lands­leute zum Träumen, wie die Sei­fen­opern, in denen seine zweite Ehe­frau mit­spielt. Das schien zu funk­tio­nieren. Seit Monaten liegt er in den Umfragen klar vor seinen beiden Kon­kur­renten, der höl­zernen, kon­ser­va­tiven Jose­fina Váz­quez Mota von der regie­renden Partei der Natio­nalen Aktion (PAN) und dem link­s­po­pu­lis­ti­schen Andres Manuel López Obrador. Doch knapp sechs Wochen vor der Wahl am 1. Juli hat ihn die Rea­litat plötz­lich eingeholt. So auch auf auf dem Mee­ting in Que­re­taro in Zen­tralme­xiko. Eigent­lich war eine Ver­an­stal­tung mit Jugend­li­chen geplant, doch die sind deut­lich in der Min­der­heit zwi­schen den wet­ter­ge­gerbten Bauern mit Hut, den mit Gel fri­sierten Par­tei­funk­tio­nären und den Müt­tern mit Klein­kin­dern – zumin­dest im Innern des Sta­dions. Denn draussen, vor den Toren, da ver­sam­meln sich die Stu­denten – und platzden unver­hofft mitten in die rot-​weiss-​grüné Euphorie. Einige erklimmen die Absper­rung und halten Trans­pa­rente in die Menge. Von Men­schen­rechts­ver­let­zungen ist da die Rede, von Kor­rup­tion und Wahl­be­trug. Kurz, von der PRI, die Mexiko 71 Jahre lang auto­ritär regiert hat, bis sie 2000 per Urne aus dem Prä­si­den­ten­pa­last kata­pul­tiert wurde. Lange schienen die Mexi­kaner, gebeu­telt vom blu­tigen Dro­gen­krieg, von Arbeits­lo­sig­keit und Kri­mi­na­lität, sich nicht an der Rück­kehr der „Dino­sau­rier” in den Prä­si­den­ten­pa­l­asst zu stören. Und nun stehen sie sich plötz­lich gegen­über, die beiden gegen­sätz­li­chen Gesichter Mexikos: das länd­liche, arme und das städ­ti­sche, moderne, gebil­dete. „Wir lassen uns nicht pro­vo­zieren, hier darf sich jeder aus­drü­cken“, mahnt der Kan­didat, aber seine Funk­tio­näre ballen die Fäuste und drohen den Demonstranten. Auf die Jugend sind sie nicht gut zu spre­chen, seit Mitte Mai aus­ge­rechnet die Stu­denten einer teuren Pri­vat­uni­ver­sität bei einer Ver­an­stal­tung Peña Nietos die ersten Pro­teste anzet­telten, so dass der Kan­didat über einen Hin­ter­aus­gang flüchten musste. Das seien von der Oppo­si­tion bezahlte Pro­vo­ka­teure, liess seine Kam­pagne ver­laut­baren. Es war diese Über­heb­lich­keit, die das Fass zum Über­laufen brachte und 131 Stu­denten dazu, per youtube zu bekunden, sie seien ganz nor­male Stu­die­rende. Seither werden unter #ich bin Nummer 132 per twitter und face­book landauf, landab Demons­tra­tionen orga­ni­siert. Von den 80 Mil­lionen Wahl­be­rech­tigten sind 14 Mil­lionen Jung­wähler. Doch bei den Tra­di­ti­ons­par­teien haben sie wenig Platz, sie gelten als apo­li­tisch, kon­sum­ori­en­tiert oder pro­ble­ma­tisch, wenn sie zu den 7,5 Mil­lionen „ni-​ni“ gehören, die weder stu­dieren noch arbeiten. Und nun ist es aus­ge­rechnet diese schon abge­schrie­bene Gene­ra­tion, die mobil macht für die Demo­kratie. Sie for­dern Trans­pa­renz, faire Spiel­re­geln, wirk­liche Debatten und werfen den Medien unaus­ge­wo­gene, ver­lo­gene Bericht­er­stat­tung vor – vor allem dem mäch­tigen TV-​Sender Tele­visa, mit dem sich noch kein Prä­si­dent anzu­legen traute, und der von Peña Nieto Mil­lionen erhalten hat, nicht etwa für Spots, son­dern für „geneigte Bericht­er­stat­tung und Inter­views, eine in Mexiko übliche Praxis. „Peña Nieto hat das Fern­sehen, wir haben die Strasse und die Netz­werke!“ lautet einer der Slogans. „Das Pro­blem ist, dass die PRI bereits die Mehr­zahl der Bun­des­staaten und Gemeinden regiert, und im Kon­gress und Senat die Mehr­heit hat“, sagt Stu­dentin Patricia Silva und hält ein Plakat des Ex-​Präsidenten Carlos Salinas de Gor­tari hoch, dem wohl unbe­lieb­testen Staats­chef der PRI, dem von Wahl­be­trug über Kor­rup­tion und Miss­wirt­schaft so zieml­lich alles ange­lastet wird, und der als einer der Zieh­väter Peña Nietos gilt. „Wenn sie jetzt auch noch die Prä­si­dent­schafts­wahl gewinnt, dann kehren wir zurück zu einem auto­ri­tären Prä­si­den­tia­lismus, und die letzten zwölf Jahre waren für die Katz.“ Zwölf Jahre, in denen Mexiko Fort­schritte gemacht hat bei Trans­pa­renz, Moder­ni­sie­rung der Büro­kratie und Infra­struktur, bei Bür­ger­be­tei­li­gung und Mei­nungs­frei­heit. Dinge, die zu ver­blassen schienen im Ange­sicht von magerem Wirt­schafts­wachstum, Reform­stau und Dro­gen­krieg — die aber nun plötz­lich wieder aufs Tapet kommen. Inwie­weit dies den Aus­gang der Wahlen beein­flussen wird, ist noch unklar, zumal sich die Anti-​PRI-​Wähler in zwei Lager aufspalten. „Die Mobi­li­sie­rungs­kraft der Stu­denten wird nach­lassen“, ver­mutet die Poli­to­login Mireya Már­quez. Aber immerhin sah sich Peña Nieto – ursprüng­lich ein Ver­fechter der „Restau­ra­tion der prä­si­dialen Autorität“ — durch die Pro­teste genö­tigt, rasch ein demo­kra­ti­sches Mani­fest vor­zu­legen und von einer „neuen PRI“ zu reden. Wie diese aus­sehen soll, bleibt selbst für Peña Nietos Wähler nebulös. Auf die Frage, warum sie ihn unter­stütze, ant­wortet die 20jährige Jura­stu­dentin Monts­errat Mon­toya offen:“Weil meine Familie immer schon die PRI gewählt hat, und er mir 500 Pesos monat­lich für ein Sti­pen­dium gezahlt hat, als er Gou­ver­neur war.“ Mit freund­li­cher Abdruck­er­laubnis durch Blick­punkt Lateinamerika. Besten Dank dafür! URL: http://womblog.de/mexiko-der-favorit-und-die-dmonen-der-vergangenheit _______________________________________________ Chiapas98 Mailingliste JPBerlin - Mailbox und Politischer Provider Chiapas98@listi.jpberlin.de https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/chiapas98 1 Angehängte Datei| 12KB

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