Dienstag, 12. Oktober 2021
Essen 51 – Die Lösung des Wohnungsproblems in Essen?
NORDRHEIN-WESTFALEN
https://rotepresse.noblogs.org/rote-post-42/
Seit Jahren lässt sich ein Trend erkennen, dass in der BRD immer mehr Menschen in die großen Städte ziehen, ländliche Regionen vor allem im Osten der Republik haben mit Überalterung zu kämpfen, da die Jungen in die Städte ziehen. So auch in Essen. Seit 2011 steigt die Einwohnerzahl kontinuierlich wieder an, Grund sind nicht steigende Geburtenraten, sondern Zuzüge aus anderen Städten und vor allem durch Menschen, die vor den imperialistischen Kriegen in den unterdrückten Nationen fliehen.
Dies stellt den Wohnungsmarkt in Essen vor ein Problem. Denn es wird plötzlich viel mehr Wohnraum benötigt, als vorhanden ist. Die meisten Menschen, die nach Essen kommen, sind volljährig und leben alleine. Dies führt unteranderen zu einer Steigerung von Ein-Personen-Haushalten und weiterer Belegung von vorhandenen Wohnraum. Doch das ist nicht das Problem der Hausbesitzer und Wohnungsbaukonzernen, sondern das der Arbeiter, die für den immer knapper werdenen Wohnraum mehr bezahlen müssen. Dabei muss man jedoch im Kopf behalten, dass nicht die, die vor den imperialistischen Kriegen flüchten, das Problem sind, sondern der Imperialismus selber, der den Hausbesitzern ermöglicht, durch Wohnraumverknappung höhere Mieten zu verlangen. Auch wenn die Wohnungssituation noch nicht so schlimm wie in Berlin, Hamburg oder München ist, steigen auch in Essen die Mieten immer weiter an. Konkret sollen bis zum Jahr 2030 16.500 Wohnungen in Essen fehlen.
Dabei geht es nur um die quantitative Seite. Die Qualität des Wohnraumes wird bei den Zahlen außer Acht gelassen. So sind 72 Prozent aller reinen Wohnhäuser und 65 Prozent aller Häuser mit Wohnungen in Essen vor 1978 gebaut worden und weisen altersbestimmt Mängel auf. Unterhält man sich mit den Leuten in den Arbeitervierteln über die Qualität ihrer Wohnungen, hört man häufig, dass diese von Schimmel befallen sind oder man Probleme mit Ratten hat, welche im Keller oder auf den Balkonen rumlaufen. Dass Ungeziefer wie Ratten Krankheiten übertragen, ist den Vermietern egal. Die befragten Mieter sagten, dass nach mehrmaliger Aufforderung an den Vermieter über einen Zeitraum von einem Jahr nichts unternommen wurde. Die Hausbesitzer oder auch Wohnungsgesellschaften sehen das nicht als ihr Problem an. Bei Renovierungen wird mehr auf Schein als auf Sein gesetzt. Eine Vonovia-Mieterin erzählte, dass nach der Renovierung immer wieder Wasser im Keller einlief und für Schimmelbildung sorgte. Vonovia hat sich um die Behebung des Schadens nicht gekümmert.
Doch die Stadt Essen hat einen Plan: Sie will im großen Maß Wohnraum schaffen und hat dafür eine Reihe von Projekten geplant, welche auch umgesetzt werden. Vor allem im West-Viertel wird gebaut. Vom „Smarten Wohnen“, grünen Wohnumfeld und mit Work-Life-Balance wird geworben. Auf dem alten Fabrikgelände von Krupp, im sogenannten Kruppgürtel, soll neuer und hochwertiger Wohnraum geschaffen werden. Von der „Grünen Mitte“ aus wird bis Altendorf alles umgebaut. Das aktuelle Projekt trägt den Namen „Essen 51“, wird von dem Planerbüro der Thelen-Gruppe als Essens 51. Stadtteil beworben und grenzt an Altendorf und Borbeck an. 1.800 Wohneinheiten sollen auf einem Areal von 52 Hektar entstehen. Über 10% der benötigten Wohnungen bis 2030 also. Was sich erst mal nach einer guten Nachricht anhört, entpuppt sich schnell als ein Angebot, welches exklusiv an Großverdiener gerichtet ist.
In einer Wohnungsannounce für das neue hippe Viertel im Essener Norden wird Essen 51 folgendermaßen beworben: „Ein optimal ausgebautes Autobahn- und Schienennetz und drei Flughäfen im näheren Umkreis sorgen für schnelle Verbindungen innerhalb der Metropole Ruhr und zu nationalen und internationalen Städten und Ballungsräumen. Vier Autobahnen verbinden Essen mit den wichtigen Verkehrsachsen. Im Norden ist Essen an die A 42, in der Innenstadt an die A 40 und im Süden an die A 44 und die A 52 angeschlossen.“. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie viele Menschen aus der Arbeiterklasse regelmäßig internationale Linienflüge benötigen, dass dies in die Wohnungssuche eingeplant wird. Gelinde gesagt die wenigsten. Wer dies jedoch benötigt, sind hohe Angestellte und Manager, die mit dem Hauptsitz der Thyssenkrupp AG in direkter Nachbarschaft oder anderen Konzernen wie die „RWE AG“ ihren Arbeitsplatz haben.
Natürlich ist neuer Wohnraum begrüßenswert. Doch sind die Mieten mit 9,80€/qm für eine Wohnung in „Essen 51“ im Vergleich zu den Mieten im benachbarten Altendorf mit 5,85€/qm viel zu hoch. Das lässt die Frage noch größer werden, wer dort wohnen soll, oder besser gesagt, wer es sich leisten kann, dort zu wohnen. Denn Qualität des Wohnraums ist auch an den Geldbeutel geknüpft und daher auch eine Frage, zu welcher Klasse man gehört. Kann man sich das als Familie mit einem Job beim örtlichen Lidl leisten? Wohl kaum.
Mit dem Bau des Viertels soll auch die „soziale Durchmischung“ in der Stadt gefördert werden. Wie in der letzten Ausgabe der Roten Post beschrieben, ist der nördliche Teil der Stadt, in welchen sich „Essen 51“ befindet, stark von Armut und Migration geprägt. Doch dann wird Essen 51 als weitesgehend autarkes Quartier geplant. Es soll über alles verfügen, was man für den Alltag braucht. Schulen, Kitas, Arbeitsplätze, Supermärkte und Freizeitbeschäftigung sind alles im Quartier angelegt, man muss quasi sein neues Viertel nicht verlassen und kann unter sich bleiben. Was dann stört ist die Umgebung. Die Nachbarn aus Altendorf, der Pöbel.
Denn die sogenannte soziale Durchmischung, mit welcher man immer wieder angeblich die Probleme der breiten Massen lösen will, ist nichts anderes eine Waffe zur Niederhaltung der Rebellion der Massen. So folgte nach dem Bau von teuren Eigentumswohnungen in der „Grünen Mitte“ die Ausrufung von Gefahrengebieten in der nördlichen Innenstadt und die Videoüberwachung des Rheinischen Platzes. Im Namen der Bekämpfung der Drogenkriminalität wurde ein Teil der Bevölkerung gegen einen anderen Teil ausgespielt. Denn schnell war für alle klar, dass nur Migranten an dem Drogenhandel beteiligt sein könnten. Währenddessen sind die Dealer einfach zwei Straßen weitergezogen, aber die Überwachung des öffentlichen Raumes bleibt. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Verhinderung von sogenannter „Ghettoisierung“; die Armut soll nicht an einen Punkt konzentriert werden, da der Staat um die Explosivität der Massen weiß und Kämpfe wie in den Banlieaues in Frankreich 2005 verhindern will. Denn die Arbeiterviertel sind der Ort, wo das Proletariat in großer Zahl konzentriert ist und damit einhergehend auch ein Großteil der revolutionären Sprengkraft.
Was wir brauchen, ist Wohnraum für uns in ausreichender Menge und einen ordentlichen Zustand. Doch dafür darf „Wohnen“ keine Ware sein, sondern wir müssen selbst entscheiden können, was wir brauchen und in welcher Stückzahl. Doch dafür brauchen wir die Kontrolle über die Produktionsmittel. Es ist gut, wenn das Wohnumfeld so gestaltet ist, dass sich Familie, Arbeit und Freizeitgestaltung nah aneinander befinden; das Problem liegt darin, dass es nur einem kleinen „privilegierten“ Teil der Bevölkerung zugute kommt.
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