Mittwoch, 14. Juli 2021
REPRESSION GEGEN UMWELTSCHÜTZER
Verliebt euch in den Wald!«
Klimaaktivistin aus dem »Danni« zu Freiheitsstrafe verurteilt. Die junge Welt besuchte sie in der JVA. Ein Gespräch mit Ella
Interview: Gitta Düperthal
Ella, von der Polizei »UWP Eins« (Unbekannte weibliche Person eins) genannt, ist Klimaaktivistin und befindet sich derzeit in der Justizvollzugsanstalt Preungesheim in Frankfurt am Main
Sie sind Klimaaktivistin und haben im vergangenen Herbst gegen die Rodung des Dannenröder Waldes protestiert. Vor zwei Wochen sind Sie wegen gefährlicher Körperverletzung und tätlichem Angriff auf einen Polizisten zu zwei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Wie geht es Ihnen nach über einem halben Jahr im Gefängnis, wenn man die Untersuchungshaft mitrechnet?
Ich wünsche mir eine Justiz, die »transformative Gerechtigkeit« schafft (alternativer Ansatz, der nicht auf Strafen setzt, sondern die Gewaltspirale durchbrechen will, jW). Strafen kann nicht das Ziel sein, wir müssen unsere Konflikte auf andere Weise miteinander lösen. Ständige Gefängniserweiterung und der Wahnsinn der Machthaber laufen stets auf das gleiche grausame Ergebnis hinaus. Kommende Generationen werden mit Entsetzen auf diese Praxis der Bestrafung zurückblicken.
Wie repressiv ist der Knastalltag?
Ich kann die Orte und Menschen, die ich liebe, nicht sehen – und mitunter nicht einmal den Anwalt erreichen. Telefonieren ist nur ab 17.30 Uhr möglich, nur hat für die meisten Kanzleien dann schon der Feierabend begonnen. Mit dem sogenannten Umschluss von vier Stunden gibt es obendrein ein Wettrennen aller auf das Telefon. Zudem können wir nur eine Stunde pro Tag draußen mit anderen Gefangenen verbringen.
Am Freitag kamen zur Kundgebung vor der Justizvollzugsanstalt Preungesheim in Frankfurt am Main, in der Sie eingesperrt sind, viele Aktivistinnen und Aktivisten und stimmten den Slogan an »Du bist nicht allein«, das politische Aktionsorchester »Lebenslaute« musizierte für Sie. Konnten Sie das hören?
Nein. Man hatte mich zuvor in einen Flügel auf der anderen Seite des Gebäudes der Haftanstalt verlegt. Vermutlich sollte ich davon nichts mitbekommen, weil ich sonst eventuell aktiv mit den Demonstrierenden hätte kommunizieren können.
Ist Ihnen bekannt, dass Sie international viele Unterstützer haben, die das Urteil als zu hart kritisieren?
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Ja. Auch ich bin wütend und schockiert. Zunächst schien es darauf hinauszulaufen, dass dem Richter sieben Monate Gefängnis ausreichen. Wieso sich letztlich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Forderung durchgesetzt hat, verstehe ich nicht. Eventuell ist Ehrgeiz ein Motiv: Beförderungen in der Justiz hängen oft davon ab, wie stark man sich profiliert. Vielleicht ist meine Verurteilung auch zur Abschreckung gedacht, damit sich künftig keiner mehr etwas traut. Alldem liegt ein System zugrunde, das Ökozid und soziale Unterdrückung zulässt. Dahinter steht die Kultur einer auf Strafe und Belohnung ausgerichteten Gesellschaft sowie politischer Druck durch den Gesetzgeber, der im Wirtschaftssystem verwurzelt ist.
Was würden Sie dem Richter sagen, wenn Sie ihm von Angesicht zu Angesicht Ihre Meinung kundtun könnten?
Ich würde ihn bitten, in der Wirklichkeit anzukommen. Wir haben nur diesen einen schönen Planeten und den müssen wir beschützen.
Durch die polizeiliche Räumung des Camps im Dannenröder Wald am 26. November waren Sie selbst in großer Höhe auf einer Seiltraverse einer lebensgefährlichen Situation ausgesetzt. Nun sind Sie starker Repression ausgesetzt. Würden Sie trotz dieser Erfahrungen erneut für Ihre Ziele kämpfen?
Ja, nur von »kämpfen« würde ich nicht reden, sondern davon, eine Haltung einzunehmen. Zur Sache selbst kann ich nichts sagen, weil es ein noch offenes Verfahren ist.
Weshalb geben Sie Ihre Identität nicht preis?
Dem Staat gefällt es nicht, dass sich unsere Identität als Aktivistinnen und Aktivisten auf unsere Gruppe bezieht. Er möchte uns zwingen, uns als einzelne zu erkennen zu geben. Nachdem andere politische Mitgefangene das getan hatten, wurden sie freigelassen.
Fehlt Ihnen der Austausch mit letzteren?
Alle Gefangenen sind politische Gefangene, selbst wenn manche sich nicht als solche verstehen. Wir sind alle Teil desselben sozioökonomischen Systems.
Welche Form von Unterstützung wünschen Sie sich?
Ich möchte, dass meine Geschichte an die Öffentlichkeit gelangt, und hoffe, möglichst viele Menschen zu erreichen: Informiert euch, verliebt euch in den Wald und in das Ökosystem! Wer möchte, kann mir Briefe schreiben.
junge Welt 7.7.21
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