Mittwoch, 31. August 2016

Gefährliche Halbbildung: Über die rabiate Mittelmäßigkeit eines entkultivierten Bürgertums


"Die Verhältnisse nicht als Ergebnis natürlicher Gesetzmäßigkeit 
wahrzunehmen, erfordert mehr als berufliche Qualifikation. Allgemeine 
Bildung ist notwendig. Sie ist (und sie war stets) eine wichtige 
Voraussetzung für Opposition. Denn wie sonst wird eine Mehrheit dazu 
kommen können, es – beispielsweise – eine Absurdität zu nennen, wenn 
aufgrund des technischen Fortschritts zwar in einer Arbeitsstunde 
immer mehr hergestellt werden kann, gleichzeitig aber die Armut 
zunimmt? Und wie sonst soll genug Druck entstehen, damit dem 
Klimawandel wirksam entgegengearbeitet wird? Alles sieht danach aus, 
dass besonders Halb­bildung eine solche Opposition verhindert..." 
Artikel von Herbert Schui bei der jungen Welt vom 25. August 2016 aus 
"Politische Mythen und elitäre Menschenfeindlichkeit. Halten Ruhe und 
Ordnung die Gesellschaft zusammen?", VSA-Verlag, Hamburg 2014, 128 
Seiten, 12,80 Euro (Buch wird im Herbst neu aufgelegt), bei der jw 
anlässlich des Todes von Herbert Schui am 14.8.2016 nachgedruckt
http://www.jungewelt.de/2016/08-25/053.php

Aus dem Text: "... Die Techniker des Wissens rekrutiert die 
Unternehmerschaft nach ihrem Bedarf. Dies schließt den öffentlichen 
Dienst mit ein, soweit er der Privatwirtschaft zuarbeitet, oder soweit 
er – zunehmend – selbst unternehmerisch organisiert wird. Damit werden 
die Verhältnisse klar: »Die Industrie will die Universität unter ihre 
Kontrolle bringen, um sie zu zwingen, den alten, überholten Humanismus 
aufzugeben und ihn durch Spezialfächer zu ersetzen, die den Betrieben 
Umfragespezialisten, höhere Angestellte, Werbefachleute etc. liefern. 
(…) Die herrschende Klasse richtet die Lehrinhalte so aus, dass ihnen 
a) die Ideologie, die sie für angebracht halten (Primar- und 
Sekundarstufe), b) die Kenntnisse und Praktiken, die sie zur Ausübung 
ihrer Funktionen befähigen werden (Hochschule), vermittelt werden.« 
Das ist der Zweck der »Entrümpelung« der Lehrpläne, der komprimierten 
Bachelor- und Master-Studiengänge, der Modularisierung des Studiums, 
der Verkürzung der Schulzeit an den höheren Schulen. (...) Auch wenn 
viele aus der Mittelschicht hierunter leiden durch Stress bei der 
Arbeit, durch stets drohende Entlassung bei Leistungsabfall: Solange 
sie sich beim Verständnis der Wirklichkeit von den Mythen leiten 
lassen, steht alles dafür, dass Selbstgefälligkeit, Intoleranz und 
Aggressivität der Mittelschicht zunehmen. Was besorgt macht, das sind 
nicht einzig die bekennenden Neofaschisten. Vielmehr ist daneben eine 
Veränderung am Werk, die sich mit den überkommenen Begriffen des 
historischen Faschismus nicht unmittelbar erfassen lässt... "

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