Sonntag, 12. Oktober 2014

Sozialeinrichtungen wollen sich nicht von Neonazis missbrauchen lassen

Entschieden widersprechen sowohl der Dachverband als auch die Tafeln in der Vorderpfalz Aussagen, die ihnen in einem Artikel der Partei Der Dritte Weg zugeschrieben wurden. Die Neonazis hatten dort versucht, das Bild raffgieriger Flüchtlinge zu zeichnen, die sich auf Kosten deutscher Hilfsbedürftiger frech bedienen würden. „Asylflut bringt Sozialeinrichtung `Tafel´ in Nöte“ titelt die neonazistische Kleinstpartei Der Dritte Weg Anfang der Woche auf ihrer Homepage. Neben ein paar allgemeinen Informationen, was die Tafeln sind, werden vor allem Flüchtlinge ins Visier genommen. Für die zunehmende Zahl an deutschen Bedürftigen bleibe immer weniger, manche Tafeln würden ihre Versorgung „massiv einschränken“ müssen. Als alleinigen Grund nennt der Artikel die „nicht enden wollende[n] Asylantenströme“. Diese hätten die Tafeln angeblich durch „äußerst aktive Mundpropaganda“ als „kostenlose Zusatzversorgung“ entdeckt. Die als „kulturelle Ent-Reicherer“ betitelten Flüchtlinge würden die ehrenamtlich betriebenen Einrichtung mit staatlichen Stellen verwechseln und gerade Moslems würde pöbeln, wenn sie nicht Nahrung gemäß ihren Glaubensvorschriften zur kostenlosen Mitnahme geliefert bekämen. Zum Beleg werden die Tafeln in der Vorderpfalz genannt, die Einrichtung in Ludwigshafen würde gar keine neuen Hilfesuchenden mehr aufnehmen. Übernommen wird, was ins rassistische Weltbild passt Der Artikel ist allerdings ein schon fast lehrbuchartiges Beispiel, wie die extreme Rechte versucht, Stimmung zu machen und dazu äußerst selektiv mit Informationen umgeht. Bedient haben sich die Neonazis aus einer Reihe von Artikeln, die zu dem Thema Ende September erschienen sind. „Wir werden regelrecht überrollt“, titelte beispielsweise das Nachrichtenportal Morgenweb, etwas weniger reißerisch kommt der SWR daher, der von einem „Engpass bei der Essensausgabe“ spricht. Sie alle sprechen von einer angespannten Situation, weil vermehrt Flüchtlinge zu den Tafeln kommen. Die genannten Gründe enthalten die Neonazis ihren Lesern aber vor. So sprechen die Tafeln von einem Rückgang der Spenden. Die Betriebe würden wirtschaftlicher haushalten, von einem Drittel weniger Spenden von Supermärkten und Großbetrieben ist die Rede. Auch sehen die Tafeln deshalb die angekündigte Reform des Mindesthaltbarkeitsdatums mit Sorge. An den Flüchtlingen selbst macht keiner der Artikel fest, die mit den Ehrenamtlichen gesprochen haben. Auch sind nicht alle Einrichtungen gleich betroffen, in Mannheim und Heidelberg sei es ruhig. Die Flüchtlinge würden auch nicht von einem obskuren Unterstützernetzwerk zu den Tafeln geschickt, wie die Neonazis wohl konstruieren wollen, sondern von den Kommunen selbst. Überfordert seien die ehrenamtlichen Helfer, weil die Geflüchteten oft auch soziale und psychische Hilfe suchten, wofür niemand dort ausgebildet sei, wie Jochen Brühl vom Bundesverband gegenüber ZDF-Heute angab. Bild vom pöbelnden Moslem offenbar frei erfunden Das Bild vom traumatisierten Flüchtling, der Schlimmes durchgemacht hat und deshalb Hilfe bedarf, passt nicht ins rassistische Weltbild deutscher Neonazis. Mit dem „frech fordernden und pöbelnden Moslem“ fügt die Partei ihrer Hetze noch ein weiteres gefährliches Bild hinzu, die Ausländer für die Hilfe auch noch undankbar seien. Aber weder bei der Tafel in Wörth, deren Sprecher in den Artikeln Aussagen über Moslems und Esskultur trifft, noch beim Bundesverband der Tafeln wäre ein solches Verhalten bekannt. Es ist offenbar reine Fiktion des nicht genannten Neonazis, der den Artikel für den Dritten Weg zusammengeschustert hat. Gegenüber ENDSTATION RECHTS. sprach der Vorsitzende der Wörther Tafel von dankbaren Bedürftigen, die immer freundlich und mit dem zufrieden seien, was zur Verfügung steht. Gerade Flüchtlinge seien unsicher und verängstigt. Sie würden gar nicht auf die Idee kommen, Forderungen zu stellen, unverschämte schon gleich gar nicht. Er klang eher verärgert über die unbefriedigende Situation, den Menschen nicht mehr helfen zu können, weil es die Spenden nicht zulassen. Es würden nur wenig Geflügelprodukte gespendet, wenn es Fleisch gibt, dann oft nur Schweinefleisch und Wurst. Zudem fehle die Zeit, die Flüchtlinge mit der Zubereitung und Handhabung mancher Speisen vertraut zu machen. Stefanie Bresgott, Pressesprecherin beim Bundesverband Deutsche Tafel, wollte nicht ausschließen, dass es bei der Essensvergabe – aus welchen Gründen auch immer – zu Unstimmigkeiten kommen könne, von einem Problem mit „pöbelnden muslimischen Flüchtlingen“ zu sprechen, sei aber schlichtweg rassistisch und sicherlich nicht Wortwahl der Tafeln. Sie distanzierte sich von diesen Äußerungen und dem Versuch, die anerkannten Tafeln für die Hetze zu missbrauchen. Die Tafeln helfen allen Menschen, die der Hilfe bedürfen, so Bresgott gegenüber ENDSTATION RECHTS.. Auch wehrt sich der Bundesverband gegen das Bild des staatlicherseits vollversorgten Flüchtlings, der bei den Tafeln noch zusätzlich Nahrungsmittel erlangen wolle. Im Gegenteil: Es wird immer wieder an die Politik appelliert, verstärkt tätig zu werden, da die Tafeln nicht angetreten sind, die Versäumnisse des Sozialstaats abzufedern. Bei der Versorgung von Flüchtlingen sehe man sich auch, wie in anderen Bereichen, zunehmend im Stich gelassen. Foto: Wolfgang Borrs, Bundesverband Deutscher Tafeln e. V.

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