Sonntag, 12. Oktober 2014

Mehr Waffen für mehr Krieg (Eckart Spoo)

Im Spätsommer 2014 – kaum hatte ein australischer Historiker die Schuld am ersten Weltkrieg gleichmäßig auf alle europäischen Mächte verteilt, die nämlich in gemeinsamem Tiefschlaf in den Ersten Weltkrieg hineingeraten seien (wer schläft, sündigt bekanntlich nicht) – fühlten sich Politiker der regierenden Parteien in Berlin erquickt und ermutigt, endlich wieder offen und ehrlich Waffen in Spannungsgebiete zu liefern. Bis dahin hatten sie alle Sorgen darüber, daß Deutschland zum drittgrößten Waffenexporteur der Welt aufgestiegen war, mit der Zusicherung beschwichtigt: Deutschland habe sich verpflichtet, keine Waffen in Spannungsgebiete zu liefern, und dabei bleibe es. Das hatte irgendwie plausibel geklungen. Viele glaubten es, weil sie es glauben wollten. Aber nun gilt der schöne Grundsatz nicht mehr. Stattdessen setzen sich die verständlichen marktwirtschaftlichen Interessen der deutschen Rüstungsfabrikanten durch. Aus deren Sicht ist es allemal wünschenswert, daß ihnen möglichst viele Staaten möglichst viele Waffen abkaufen. Wenn sich aus diesem Geschäft ein saftiger Gewinn ziehen läßt, möchten sie nicht bescheiden hinter anderen Anbietern zurückstehen. Sie wollen vielmehr stolz darauf sein dürfen, daß sich alle erdenklichen ethnischen oder religiösen Bewegungen aus der ganzen Welt für die vorzüglichen Waffen »Made in Germany« interessieren. Aus nationaler Verantwortung muß unsere Regierung darauf bedacht sein, daß nicht etwa ausländische, sondern deutsche Firmen das große Geschäft machen. Und die IG Metall kann aus beschäftigungspolitischen Gründen kaum anderer Meinung sein; das gilt vor allem für die Betriebsräte der Rüstungsunternehmen. Aus Verantwortung für die Arbeitsplätze muß der Waffenexport immer wieder angekurbelt und verstärkt werden. Sagen wir es frei heraus: Die ganze deutsche Volksgemeinschaft kann nur hoffen, daß in möglichst vielen, möglichst heftigen, möglichst langdauernden Kriegen möglichst viele deutsche Waffen gebraucht und verbraucht und dann durch neue, möglichst noch viel teurere ersetzt werden. Kann es ein besseres Konjunktur- und Wachstumsprogramm geben? So realistisch gesehen machen sich regierende Politiker besonders verdient, wenn es ihnen gelingt, Konflikte zu schüren und Völker oder Volksgruppen der-maßen gegeneinander aufzubringen, daß die Fanatisierten ihre gemeinsamen Interessen, vor allem das gemeinsame Interesse am Frieden, vergessen. Unsere US-amerikanischen Bündnispartner verstehen sich glänzend auf diese Aufgabe. Beispiel Libyen: Die US-Regierung erklärte dieses Land mit dem höchsten Lebensstandard in Afrika zum Schurkenstaat, hetzte diverse Stämme und Milizen aufeinander, und so breitete sich ein Bürgerkrieg aus, der nach dem Mord an Gaddafi längst nicht zu Ende war, im Gegenteil, dort herrscht jetzt Dauerkrieg. Oder Irak, unter Saddam einstmals ein reiches Land. Saddam mußte entmachtet und getötet werden, damit der Staat auseinanderbrach. Jetzt kämpfen Kurden, Sunniten, ___________________________________________________________________________________________ Landesverrat Ich habe noch kein Deutschland erlebt oder erforscht, das des Landesverrats, dessen Ossietzky beschuldigt wurde, nicht würdig wäre. Otto Köhler ___________________________________________________________________________________________ Schiiten und diverse besonders gottesfürchtige Milizen gegeneinander, und je länger der Krieg anhält, desto größer wird die Feindschaft, der Haß. Und desto schwächer werden sie alle im Verhältnis zu den USA und zur gesamten »westlichen Wertegemeinschaft« – so schwach wie zum Beispiel die Mini-Staaten Montenegro oder Kosovo, die in den 1990er Jahren durch die Zerschlagung Jugoslawiens entstanden, wozu die deutsche Politik nach Kräften beitrug. »Teile und herrsche.« Besonders erfolgreich ist ein Rüstungsunternehmen, wenn es ihm gelingt, beide einander bekriegenden Armeen zu beliefern, so wie einst Krupp sowohl Deutschland als auch Frankreich mit Kanonen ausrüstete. Und im Zweiten Weltkrieg zogen die US-amerikanischen Konzerne Ford und General Motors schöne Profite nicht nur aus ihren amerikanischen, sondern auch aus ihren Ford- und Opel-Werken in Deutschland. Somit ist klar: Das vielbeschworene Prinzip »Keine deutschen Waffen in Spannungsgebiete« hat ausgedient. Die Bundesregierung hat sich – trotz aller Beteuerungen – schon längst nicht mehr daran gehalten. Den Aufträgen aus Israel, Saudi-Arabien und Katar war nicht zu widerstehen. Wer jetzt immer noch stur an dem alten Prinzip festhielte, würde Deutschland und seinen Kunden schaden. Jetzt muß das Gegenteil gelten: Rein in die Spannungsgebiete! Und am Ende muß die ganze Erde zum Spannungsgebiet werden. Was gut ist für die Rüstungsindustrie, kann auch für andere Branchen gut sein. Öl und Gas zum Beispiel, eine besonders profitable Branche. Libyen und Irak gehören zu den ölreichsten Ländern. Washington hat es nie verschmerzt, daß sie ihre Ölfelder nationalisiert hatten. Familienangehörige von zwei führenden Mitgliedern der US-Regierung haben sich auch schon Anteile an ukrainischen Gas-Konzernen gesichert. Sollen wir das lukrative Geschäft den transatlantischen Freunden überlassen? Und den Wiederaufbau nach dem Kriege, vor dem nächsten ... Die Bundeswehr hat schon 1992 in den militärpolitischen Leitlinien den Auftrag übernommen: »Aufrechterhaltung ... des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt.« Das ist kein Auftrag für eine Verteidigungsarmee, wie sie im Grundgesetz vorgesehen ist. Das ist imperialistische Politik – die übrigens mit den Waffen gern auch Ausbilder, Militärberater, Beobachter, »Aufklärer« (Geheimdienstler) schickt. Carl von Ossietzky schrieb 1931 in der Weltbühne: »Der Krieg ist ein besseres Geschäft als der Friede. Ich habe noch niemanden gekannt, der sich zur Stillung seiner Geldgier auf Erhaltung des Friedens geworfen hätte. Die beutegierige Canaille hat von eh und je auf Krieg spekuliert.« Ich halte Ossietzkys Feststellung für so richtig und wichtig, daß ich sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit einstreue. Ich könnte aber auch Papst Franziskus zitieren: »Damit das System fortbestehen kann, müssen Kriege geführt werden, wie es die großen Imperien immer getan haben.« Bezeichnenderweise kommt dieser Papst in den meisten deutschen Medien – die als Wachhunde des Kapitalismus fungieren – kaum mehr zu Wort. Stattdessen wird uns immerzu ein Pfarrer außer Diensten präsentiert, der den Deutschen die Tötungshemmungen nehmen will, indem er die Bergpredigt (»Du sollst nicht töten«) ebenso abtut wie das Grundgesetz (Verbot des Angriffskriegs). Er wird uns die pazifistische »Glückssucht« (Gauck) schon noch austreiben. Stillgestanden

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen