Dienstag, 16. August 2022
HAMBURG „Ballungsraumzulage“ zeigt, dass wir eine kämpferische Gewerkschaft brauchen
Am Freitag den 20. Mai diesen Jahres haben 150 Beschäftigte der Freien und Hansestadt Hamburg dem Hamburger Finanzsenator Andreas Dressel eine Unterschriftensammlung übergeben. In dieser fordern 7.500 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes eine „Metropolen-Zulage“, wie Verdi schreibt. „Metropolen-Zulage“ ist auch als „Ballungsraumzulage“ bekannt und bedeutet, dass Beschäftigte in Großstädten weitaus mehr Ausgaben für die Lebenshaltungskosten haben (zum Beispiel höhere Mietpreise) und darum mehr Gehalt benötigen, um sich das Leben in der Großstadt leisten zu können. Und das, wo es allgemein in der BRD alarmierend aussieht, was die Gehälter angeht: Laut der aktuellen Schufa-Umfrage meinen ein Drittel der Befragten – so viele Leute wie noch nie zuvor – dass sie sich nicht mehr vorstellen können ihren Lebensstandart halten zu können. Es wird darauf zurückgegriffen das Konto zu überziehen oder Kredite aufzunehmen, um klar zukommen, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FaZ).
Die Forderung nach der „Ballungszulage“ kommt von Beschäftigten der Stadt im Bereich Feuerwehr, Bezirksämtern, Allgemeiner Sozialer Dienst, Schulbüros und weiteren Unterzeichnern die nach Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes, bzw. in Anlehnung an diesen bezahlt werden. Diese Forderung steht bundesweit im Raum, unterstützt durch die Gewerkschaften Verdi, GEW und Komba.
Ein Feuerwehrmann berichtet an diesem Tag, wie sein Bruder, der auch Feuerwehrmann ist, mit seiner jungen Familie Hamburg verlassen musste, weil er sich das Leben hier nicht mehr leisten kann. Während dieser Erzählung holt „der Oberschmierlappen“ (so bezeichnen einige im Publikum an diesem Tag den Finanzsenator Andreas Dresse) sein Handy raus, „daddelt“ sitzend auf der Bühne in seinem Stuhl, so, dass jemand zu ihm hoch schreien muss: „HANDY WEG!“ Er saß am Tag der Unterschriften-Übergabe übrigens, während alle anderen deutlich auf der Bühne standen, denn er habe sich angeblich den Fuß verletzt. Jedoch wurde er bei einer Folgeveranstaltung am selben Tag stehend und ohne Krücken gesichtet.
Die Beschäftigten in Hamburg arbeiten und leben in einer der teuersten Städte der BRD. In München und Berlin gibt es bereits Regelungen zur „Ballungsraumzulage“. Berlin hat diese Zulage in Form von 150 Euro im Monat oder wahlweise eines Monatstickets schon 2020 gewährt. Darauf folgend hat das Bundesland sein Stimmrecht in der „Tarifgemeinschaft der Länder“ (TdL) verloren. Das ist die Ausbeutervereinigung der Bundesländer und diese sitzt in Tarifverhandlungen unter anderem mit Verdi am Tisch, und unser ignoranter Typ mit dem Handy in der Hand, Finanzsenator Dr. Andreas Dressel, ist erster stellvertretender Vorsitzender dieses Vereins. Verdi berichtet bezüglich der Unterschriftenübergabe auf ihrer Homepage trocken, dass der Senator für ein „fachliches Gespräch“ zum September eingeladen wurde. Diese Aussage bedeutet, dass er dann erneut erklären wird, dass keinem einzigen Hamburger Angestellten im öffentlichen Dienst eine angemessene Zulage ermöglicht werden soll.
Über die Höhe der Zulage ist bis jetzt übrigens noch kein Wort gefallen, es gibt in Hamburg keine konkrete Forderung. Das heißt man geht in Verhandlungen ohne Mindestforderung. Verdi macht sich abhängig von dem was das Gegenüber sagt. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Hamburg sind nicht besonders froh über die Vorgehensweise der Gewerkschaft. Wir haben mit einem Verdi-Mitglied gesprochen:
„Das wissen alle, dass wir verarscht werden. Das sind wir halt gewohnt, dass wir verarscht werden. Aber was sollen wir machen? Ohne Gewerkschaft wäre es noch schlimmer. Wir wollen es auf den Versuch nicht ankommen lassen.“
Als Beispiel werden hier die Putzkräfte genannt, die nicht gewerkschaftlich organisiert sind und von einer Gehaltserhöhung, oder einer „Ballungsraumzulage“ bei einer Beschäftigung in Hamburg nur träumen können.
Trotz der Stimmung, dass die Beschäftigten in Bezug auf die Hamburger „Ballungsraumzulage“ bereit sind einen Streik durchzuführen, ist die Vorgehensweise dieser „Unterschriften-Aktion“ jedoch von Verdi als eine sogenannte „politische Kampagne“ geführt. Weil diese Gewerkschaft bzw. ihre Führung nicht wirklich bereit ist die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten, gibt sie ihr einziges Druckmittel – nämlich den Streik – aus der Hand. Darum wird solch ein „Bettelbrief“ geschrieben und wirkungslos weitergereicht. Die Verdi Mitglieder erkennen, dass das eine Farce ist. Aber auch von dem Abschluss der Streiks Ende 2021 im öffentlichen Dienst seien die Mitglieder enttäuscht. Es wurde für eine Gehaltserhöhung von 5 Prozent und weitere Forderungen gestreikt (300 Euro mehr für Beschäftigte im Gesundheitswesen und 100 Euro mehr Ausbildungsgeld). Ein Mitglied berichtet:
„Der Tarifabschluss, Anfang Dezember letztes Jahr, das fanden alle relativ beschissen. Und das sogenannte Trostpflaster der sogenannten Corona Prämie, die weder tabellenwirksam ist noch sonst was…13 Null-Monate [13 Monate keine Gehaltserhöhung] plus die Corona Prämie.“
Das Verdi Mitglied ist außerdem nicht zufrieden mit den 2,8% mehr Gehalt für die Beschäftigten aller Bundesländer und, dass der Tarifabschluss ab Dezember 2021 eine Laufzeit von 24 Monaten hat. Also können die Leute bei der aktuellen Inflation von 7,4% (Stand April 2022) noch weitere anderthalb Jahre auf eine – im Vergleich dazu – mickrige Gehaltserhöhung warten.
Was die „Ballungsraumzulage“ angeht, da sehen die Hamburger eher schwarz. Inhaltlich hat der „Oberschmierlappen“, auf die Ansage, dass sich die Leute das Leben hier nicht mehr leisten können, gesagt, dass vermehrt Sozialwohnungen gebaut werden sollen. Das ist eine Frechheit und eine Absurdität zugleich. Erstens bekommt man keine Sozialwohnung, wenn man Vollzeit im öffentlichen Dienst arbeitet, zweitens hat Hamburg sein Ziel beim Bau der Sozialwohnungen gerade erst drastisch verfehlt.
Die Milliardenausgaben, die der Staat für die „Corona-Sonderzahlungen“, oder die 100 Milliarden für die Bundeswehr raushaut, werden so unter anderem indirekt wieder eingespart: Im öffentlichen Dienst und in den sozialen Berufen, weil dies Staatsausgaben sind, die direkt beschnitten werden können. Hier hat der Staat einen direkten Einfluss, ohne eine neue Steuer oder ähnliches einführen zu müssen. Also sollte klar sein, warum Verdi und Andreas Dressel versuchen einen richtigen Streik zu dieser Forderung zu verhindern. Spätestens die oberen bürokratischen Führungskräfte Verdis, die mit der TdL am Tisch sitzen, zeigen sich außerordentlich beschwichtigend in ihren Handlungen als Vermittler zwischen Arbeitern und den Ausbeutern. Sie pflegen ein friedliches Verhältnis zu den Arbeitskäufern. Die Gewerkschaften verzichten auf die volle und starke Mobilisierung der Mitglieder, oder verhindern diese vielleicht sogar und bremsen als Effekt auch weitere Angestellte und Arbeiter der BRD in ihrem Kampf für gerechte Bedingungen aus.
Was in diesen Zeiten auf uns zukommt ist ein Angriff auf die Errungenschaften die Teile der Arbeiterklasse uns vorher erkämpft haben. Wenn in dieser Situation eine „Metropolen-Zulage“ durchgesetzt werden könnte, muss sie konsequent erlangt werden. Es ist wichtig zu verstehen, dass wir uns in einer Periode befinden in der mehr Angriffe auf die erkämpften Arbeitsbedingungen und Löhne stattfinden werden.
Uns wurde in der BRD noch nie etwas geschenkt und sich als Angestellter mit solch einer Gewerkschaft abfinden zu müssen ist bitter. Die Worte des Verdi-Mitglieds im Ohr „Ohne Gewerkschaft wäre es noch schlimmer“, heißt es natürlich, dass der zusammen gewerkschaftlich organisierte Kampf gerechtfertigt ist. Als Tagesforderung ist es uns zu wünschen, dass die Hamburger Kolleginnen und Kollegen die „Ballungsraumzulage“ erhalten.
Es müssen die Arbeiter sein, wir müssen dieses System zerschlagen, um uns nicht länger hinhalten zu lassen. Ein Leben voller Frust muss ein Ende haben. Wir müssen kämpfen und – das kommt uns zugute – die aktuelle Stimmung unter den Angestellten im öffentlichen Dienst und den Gewerkschaftsmitgliedern ist kämpferisch! Gerade das ignorante Verhalten eines Andreas Dressel provoziert uns so, dass wir wissen, dass die Politik der BRD nicht unterstützenswert, nicht wählenswert und nicht ernstzunehmen ist. Die Bonzen verarschen uns wo sie können. Dem müssen wir eine wirklich kämpferische Gewerkschaft entgegenstellen die der Arbeiterklasse dient!
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