Freitag, 17. November 2023

NRW: Innenministerium hat Angst vor Anschlägen und Rebellion

In Nordrhein-Westfalen geht in den Sicherheitsapparaten des bürgerlichen Staates gerade eine verstärkte Angst um die öffentliche Sicherheitslage um. Angefangen hat diese Angst vor einer Zuspitzung der Bedrohungslage in NRW zuerst mit dem Anschlag im benachbarten Belgien am 17.Oktober und dann mit der Verhaftung eines sogenannten „islamistischen Gefährders“ im Duisburger Dellviertel am 24.Oktober. Vor der Festnahme sprach NRW-Innenminister Herbert Reul im Kontext des aktuellen Kampfes des palästinensischen Volkes gegen den an ihm durch den israelischen Staat verübten Völkermord von einer „abstrakt hohen“ Gefahr eines „islamistischen“ Anschlages, welche aber noch nicht „konkret“ sei. Genau eine Woche später erklärte er dann das es durch einen Tipp eines ausländischen Geheimdienstes konkrete Hinweise auf einen Anschlag gegeben hat. Ziel des angeblichen Anschlags sollen pro-israelische Demonstrationen gewesen sein. Bei dem festgenommenen Tarik S. Handelt sich laut Informationen bürgerlicher Medien um ein ehemaliges Mitglied des sogenannten „Islamischen Staates“. Im Jahr 2013 soll sich Tarik S. dem „IS“ angeschlossen und nach Syrien ausgereist sein. Bei seiner Wiederkehr nach Deutschland soll er dann im Jahr 2016 verhaftet und ein Jahr später zu fünf Jahren Haft verurteilt worden sein. Abgefangenen Chatprotokollen zufolge, soll Tarik S. einem Kontakt in Syrien gegenüber seine Bereitschaft erklärt haben, einen Anschlag gegen eine zionistische Demonstration in der BRD durchzuführen. Weiter soll besagter ausländischer Geheimdienst die deutschen Behörden darüber informiert haben das Tarik S. leichten Zugang zu einem LKW haben würde, den er eventuell für die Tat als Waffe nutzen könnte. Im Nachgang dieser Festnahme verstärkte sich die Diskussion über die Sicherheitslage in Nordrhein-Westfalen weiter. Nach Aussagen von Innenminister Reul geht man in Nordrhein-Westfalen von 186 „islamistischen Gefährdern“ aus, von denen eine höhere zweistellige Zahl „aktionsfähig“ sei. Das bedeutet das die Repressionsbehörden diesen „aktionsfähigen“ die Durchführung eines Anschlages zum jetzigen Zeitpunkt zutrauen. Reul sagte in diesem Zusammenhang das sowohl Polizei und Verfassungsschutz permanent an den sogenannten Gefährderdateien arbeiten und diese aktualisieren würden. „Gefährder“ sind im Sprech von Polizei und Geheimdiensten Menschen die in der Lage sind bedeutende politische Straftaten durchzuführen. Wie immer nach tatsächlichen oder vermeintlich vereitelten Anschlägen wird in den bürgerlichen Medien ritualisiert der Ruf nach mehr Polizei, mehr Ausrüstung, mehr Technik und mehr Repression lauter. So ist es auch dieses mal nicht anders. Der Westdeutsche Rundfunk zitiert zu diesem Anlass seinen hausinternen „Terrorismusexperten“ Michael Götschenberg damit, dass die BRD in Fragen des Internet-Monitoring „blinde Flecken“ habe und personell wie rechtlich „nie die Fähigkeit einer NSA“ haben werde und es deswegen weiterhin eine Abhängigkeit von ausländischen Geheimdiensten in Informationsfragen geben werde. Götschenberg beschreibt hier durchaus korrekt die unterschiedlichen Möglichkeiten zwischen dem US-Imperialismus als einzig hegemoniale Supermacht und dem deutschen Imperialismus der strebt eine imperialistische Supermacht zu werden aber keine ist. Ein solcher umfassender und die ganze Welt überwachender Geheimdienstapparat wie die NSA kostet Unmengen an finanziellen Mitteln und gut ausgebildeten Personal und ist nicht so eben aus dem Boden zu stampfen. Der Präsident des Bundesverfassungsschutz Haldenwang bestätigt diese Begrenzungen dann mit reichlich bürgerlich-demokratischen Rhetorik auf seine Art, wenn er als Chef des Geheimdienstes der in der BRD faschistische Terrorgruppen aufbaut und dabei beteiligt ist ausländische Revolutionäre als Terroristen verurteilten zu lassen, plötzlich davon spricht das man die Balance zwischen Freiheitsrechten und Eingriffsrechten von Polizei und Verfassungsschutz halten muss. Herbert Reul wagt dennoch auf jammernde Art und Weise einen Vorstoß in Richtung Reaktionarisierung bei den Problemen der unzureichenden Digitalüberwachung und sagt: „Mein größtes Problem ist: Ich weiß zu wenig. Ich bin sehr oft auf Hinweise von auswärtigen Diensten angewiesen, die einem sagen, dass da irgendwer versucht hat, eine Waffe zu kaufen."(...)„Wichtig seien auch die Regelungen zum "Abfischen" von Daten. Der Datenschutz habe in Deutschland zu Recht einen hohen Stellenwert, (…) aber manchmal wird man schon unruhig und sagt: Verdammt nochmal, warum muss ich mir von Amerikanern oder Kanadiern oder wem sonst die Informationen liefern lassen.“ Reul führt weiter aus: „Wir brauchen eine Chance, frühzeitiger im Netz mitzukriegen, was da passiert. Das ist einerseits eine Frage von Personal. Darum müssen wir uns kümmern, das kann man leisten. Zweitens ist es die Frage von Technik. Die Polizei muss digitaler gemacht und technisch besser ausgestattet werden.“ Was dort herauszulesen ist, ist der Meinungskampf innerhalb der deutschen Bourgeoisie. Der deutsche Imperialismus will – gerade in Sicherheitsfragen - unabhängiger und selbstbestimmter vom US-Imperialismus werden, dies steht auch im Einklang mit seiner erst vor kurzem veröffentlichten „Nationalen Sicherheitsstrategie“. Aber er hat gleichzeitig Begrenzungen mit denen er arbeiten muss. Interessant ist neben dieser Diskussion wie sehr in den verschiedenen Artikeln der bürgerlichen Medienlandschaft von unterschiedlichen staatlichen Akteuren und anonymen Quellen die Wichtigkeit von ausländischen Geheimdiensten als Tippgeber für mögliche Bedrohungen der Sicherheitslage in der BRD betont werden. Etwas was einem einmal mehr die Aktivität ausländischer Geheimdienste und vor allem der Yankee-Geheimdienste in der BRD vor Augen führen sollte. Dass es, wenn es um abgefangene Chatprotokolle geht, es sich dann auch meistens um Soziale Netzwerke und Messenger-Dienste handelt, die sich in der Hand von US-Monopolen befinden ist dabei kein unwichtiges Detail. Diese Aktivität von ausländischen Geheimdienste beschränkt sich dabei mit Sicherheit nicht auf die Aktivitäten von muslimischen Fundamentalisten, sondern überwacht alle Menschen die in Opposition zum Imperialismus oder Teilen seiner Politik stehen. Gerade in Anbetracht dieser Begrenzungen drängt der deutsche Imperialismus oft auf Ruhe und Befriedung wenn es um die Handhabung seiner inneren Widersprüche geht. Nicht ohne Grund heben anonyme Quellen aus „Sicherheitskreisen“ die Bedeutung der Arbeit von Imamen und Moscheevorstehern hervor, wenn es darum geht, dass diese auf die Basis ihrer Gemeinden einwirken. Wobei selbe „Sicherheitskreise“ dann dennoch konstatieren müssen: „trotzdem "brodele" es an der Basis an manchen Orten.“ Dieses „Brodeln“ ist vielleicht auch einer Gründe warum es in Nordhein-Westfalen noch nicht zu flächendeckenden Verboten gegenüber pro-palästinensischen Demonstrationen wie in Berlin oder anderen Bundesländern gekommen ist. Das Innenministerium wird sich bei den Bildern der intensiven Kämpfe aus Berlin-Neukölln womöglich daran erinnern, dass es dieses Silvester nicht nur in Berlin-Neukölln rund ging, sondern es auch in NRW an diversen Stellen Angriffe gegen Vertreter des Staates gab. Man erinnere sich an die brennenden Barrikaden in Hagen und die Medienberichte über Angriffe auf Polizisten und Feuerwehr aus Essener Plattenbausiedlungen. Eine ähnliches antagonistisches und repressives Vorgehen wie in Berlin könnte in einem großen und bevölkerungsreichen Bundesland wie Nordrhein-Westfalen noch einmal ganz anders aussehen, wenn man sich schon das aktuelle „Brodeln“ in Arbeiternvierteln wie Dortmund-Nordstadt, Duisburg-Hochfeld und Marxloh oder Köln-Kalk ansieht. Geht man doch oft keine paar Meter durch solche Arbeiterviertel ohne zahlreiche Menschen mit Palästina-Ketten, Kufiyas und anderen Zeichen der Solidarität mit dem palästinensischen Volk zu sehen. Schließlich sollen laut Reul jetzt schon 204 „antisemitische Straftaten“ in NRW seit dem Beginn der Gegenoffensive des palästinensischen Volkes begangen worden sein. Wobei man sehr stark im Kopf haben muss, dass aktuell jeglicher Protest gegen Israel als „Antisemitismus“ propagiert ist und viele dieser Fälle beispielsweise Angriffe auf israelische Flaggen an Rathäusern einschließen. Ein anderer Weg des Repressionsausbaus den der deutschen Imperialismus gerade ziemlich ungestört mit 10-Meter Schritten verfolgen kann ist wenig überraschend der des imperialistischen Chauvinismus. Die Opposition im Landtag ruft nach Abschiebungen und Herbert Reul sagt das er das schon gerne tun würde, aber der deutsche Imperialismus nun mal Probleme hat das andere Länder die Menschen nicht aufnehmen wollen. Der Westdeutsche Rundfunk reiht sich ohne weiteres in diese widerlichen Hetzkampagne gegen alles was arabisch, für Palästina oder etwas rebellisch ist ein und schickt eine Korrespondentin nach der Festnahme von Tarik S. in das Dellviertel in Duisburg um mal bei den Nachbarn „nachzuhorchen“ wie deren Meinung zu dem Fall so ist. Wenig überraschend kann man dann so Aussagen lesen wie „Eine andere Nachbarin kann sich gar nicht an ihn erinnern, obwohl sie schon seit zehn Jahren hier wohne. Das Haus sei friedlich. Vor einigen Jahren habe es mehrere Einbrüche in Wohnungen gegeben. Da sei dann der letzte deutsche Bewohner ausgezogen. Jetzt liest man nur noch ausländisch klingende Namen auf den Klingelschildern.“ Doch in der perfiden Hetze geht der WDR sogar soweit sowohl dem Spiegelcover des Gangster-Kanzler Scholz als auch den Forderung der CDU auf subtile aber eindrückliche Art und Weise Schützenhilfe zu leisten: „Fragt man mehrere Menschen auf der Straße, ob es sie besorgt, dass in diesem Jahr schon der zweite mutmaßliche IS-Terrorist in ihrer Stadt festgenommen wurde, entgegnen viele Duisburger: "Man muss konsequenter abschieben." Dabei kümmert es sie nicht, dass Tarik S. deutscher Staatsbürger ist, sagen sie“ Es wird Stimmung gemacht dafür das die Unterstützung für nationale Befreiungsbewegung zu Massenabschiebungen und sogar für den Entzug der Deutschen Staatsbürgerschaft führen kann. Zusammenfassend ergibt sich folgendes Bild. Der deutsche Imperialismus zittert vor der Kraft und dem noch möglichen Potenzial der nationalen Befreiungsbewegung des palästinensischen Volkes und seiner Unterstützer als auch allgemein vor der Rebellion der tiefsten und breitesten Massen. In seiner Sorge um die Sicherheitslage ist er aufgrund seiner Begrenzungen auf die geheimdienstliche Hilfe anderer imperialistischer Staaten, allen voran des US-Imperialismus angewiesen. Was ihm in der aktuellen Situation im Kampf gegen die nationale Befreiungsbewegung und die Massen bleibt, ist vor allem widerlicher imperialistischer Chauvinismus. Dies wird jedoch vor allem die Millionen von migrantischen Massen die unter dieser chauvinistischen und rassistischen Hetze zu leiden haben noch mehr gegen den deutschen Imperialismus aufbringen. Geschrieben von laji 26. Oktober 2023 Palästina Sicherheit NRW Reaktionarisierung

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