Freitag, 17. November 2023

Die Krake „Zwangspsychiatrie“

von Dr. Ulrich Lewe 1. Eine Gesetzesänderung läuft ins Leere Im Jahr 2016 wurden durch Änderungen am § 67 StGB eine Verschärfung der Verhältnismäßigkeitskriterien vor allem nach sechs- oder zehnjähriger Aufenthaltsdauer vorgenommen. Absicht war, den Anstieg der Zahl der Untergebrachten nach § 63 StGB zu beenden. Was dann passierte, lässt sich dem Kerndatensatz für den Maßregelvollzug entnehmen. Zunächst sinkt, wie vom Gesetzgeber beabsichtigt, die Zahl der Untergebrachten von 5734 (2016) auf 5397 (2019), um dann wieder kontinuierlich auf 5798 (2021) anzusteigen und damit das Niveau von 2016 zu übertreffen. (Alle Zahlen ohne Bayern und Baden Württemberg) Wie kann das passieren? Relativ einfach, indem das MRV-System (Rechtssprechung und Psychiatrie/Gutachter) einfach mehr vorläufig Untergebrachte nach § 126a StPO produziert und somit den Nachschub sichert. Im Bereich des Landschaftsverbandes Westfalen Lippe stieg beispielsweise die Zahl der vorläufig Untergebrachten von 110 (2016) auf 175 (2021) an. Es ist, als ob das MRV-System nach einem ersten Schock dem Gesetzgeber den Stinkefinger zeigt und sagt, „du kannst mich mal“ und im übrigen ein Beleg für die These von Heinz Kammeier, dass ein juristisches Herumbosseln am MRV-System nichts bringt. 2. Der Strafvollzug zieht nach Ziemlich unbemerkt von einer größeren (Fach-)Öffentlichkeit hat der Gesetzgeber zum 01.10.2023 die Möglichkeit von psychiatrischen, psychotherapeutischen und soziotherapeutischen Therapieweisungen in das Strafgesetzbuch (§ 56c StGB) und die Strafprozessordnung (§ 153a StPO) eingebaut. Beide Weisungsmöglichkeiten haben mehr oder weniger starken Zwangscharakter. Denn: Wer Weisungen nach § 56c StGB nicht nachkommt, hat Sanktionen zu erwarten, die von einer Geld- bis zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe reichen (§ 68b StGB). Lesen Sie mehr » ------------------------------------------------------- Alarm: Der therapeutische Staat will sich noch weiter ausbreiten Gestern wurde vom NDR berichtet, dass in Niedersachsen künftig alle Ärzte angeblich "psychisch Kranke" einweisen können sollen! Der Hintergrund sind fehlende Psychiater :-) Es freut uns selbstverständlich, dass unser schon viele Jahre lang gemachter internationaler Hinweis: "Psychiater - staatlich geschützte Verbrecher" offenbar gefruchtet hat. Eine vorläufige behördliche Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik stelle einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte dar, teilte die Staatskanzlei am Montag in Hannover mit. Sie sei nur zulässig, wenn die Gefahr für Betroffene oder andere auf eine andere Weise nicht abgewendet werden kann. Bislang sieht das Gesetz vor, dass ausschließlich Ärzte mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie ein entsprechendes ärztliches Zeugnis erstellen dürfen. Angesichts des Mangels an solchen Experten sollen künftig alle approbierten Ärztinnen und Ärzte ein solches Zeugnis ausstellen können. Landtag soll Gesetzesänderung beschließen Die rot-grüne Landesregierung will dafür das Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke ändern, hieß es weiter. Ein entsprechender Entwurf wurde am Montag beschlossen. Er soll nun in den Landtag eingebracht werden. Zitiert aus diesem Bericht: https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Alle-Aerzte-sollen-kuenftig-psychisch-Kranke-einweisen-koennen,psychiatriegesetz100.html Da gibt es nur eine Antwort: Insbesondere in Niedersachsen müssen alle eine PatVerfü haben, die möglichst jeder/m behandelnden ArztIn vor jeder Untersuchung gezeigt werden sollte - spätestens dann, wenn er/sie sich irgendwie anmaßen sollte, das Verhalten zu beurteilen. Denn nur dann gilt: Geisteskrank? Ihre eigene Entscheidung! ------------------------------------------------------- Für die Zeit vom 19.08.2016 bis zum 11.10.2016 steht der Klägerin gegen die Beklagte als Klinikträgerin ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 7.500 € zu. Im Hinblick auf das Fehlen nicht-medikamentöser Behandlungsangebote [in der Zwangspsychiatrie] entsprach die Behandlung des Klägers nicht den seinerzeit bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards und war damit pflichtwidrig. Zitiert aus dem Urteil 1 U 78/22 des 1. Zivilsenats des Oberlandesgericht Hamburg vom: 17.03.2023, das ganze Urteil zum Honig draus saugen hier: https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/JURE230050124 ------------------------------------------------------- Dies sind Nachrichten des Werner-Fuß-Zentrums Vorbergstr. 9a, 10823 Berlin http://www.psychiatrie-erfahrene.de Zur Erinnerung: am 29.11., 30.11. + 1.12. Demonstration vor dem DGPPN Kongress! Bitte vormerken: Am 20.12. machen wir eine Weihnachtsfeier ab 15 Uhr im WFZ. Voranmeldung hier. Geisteskrank? Ihre eigene Entscheidung! Informieren Sie sich: http://www.patverfue.de

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