Sonntag, 2. März 2014

Staatsstreich in der Ukraine – Sieger und Verlierer

Von Günter Ackermann Ria Novosti, die russische Nachrichtenagentur meldet gestern Mittag (12:14 Uhr): „Durchbruch in Kiew: Obama telefoniert mit Putin. Nach der Einigung zwischen der Regierung und der Opposition in der Ukraine haben sich der russische Präsident Wladimir Putin und US-Staatschef Barack Obama bei einem Telefonat für eine rasche Stabilisierung in dem krisengeschüttelten Land ausgesprochen. Putin habe bei dem Gespräch in der Nacht zum Samstag betont, dass in erster Linie mit der radikalen Opposition gearbeitet werden müsse, die die Konfrontation in der Ukraine auf eine gefährliche Spitze getrieben habe, teilte das Presseamt des Kreml mit.“ Nach Angaben des US-Außenministeriums dauerte das Telefonat mehr als eine Stunde. Beide Präsidenten waren sich darüber einig, dass die Vereinbarung zwischen der ukrainischen Regierung und der Opposition schnell umgesetzt und dass die Konfliktlager von neuer Gewalt abgehalten werden müssten.“ Nachdem sich die beiden wichtigsten Mächte geeinigt hatten, war alles klar: Putin lässt seinen Mann in Kiew, Präsident Janukowitsch, wie eine heiße Kartoffel fallen. Obama setzt seine Favoriten in die wichtigsten Regierungsfunktionen. Das ist vor allem Julia Timoschenko, die vor einigen Jahren wegen Amtsmissbrauch abgesetzte und verurteilte ehemalige Ministerpräsidentin wird aus der Haft entlassen und gilt als aussichtsreichste Kandidatin für die Wahl des Präsidenten der Ukraine. „Matschbirne“ Klitschko, der Favorit der EU und vor allem der deutschen Regierung, wird auf Normalmaß zurück gestutzt und das heißt, unter ferner liefen geführt. Sein Einfluss war nie besonders groß. Er beherrscht noch nicht einmal die ukrainische Sprache – er hält seine Reden auf Russisch. Im Land hat sich die Fraktion der Oligarchen durchgesetzt, die sich mit der Anlehnung an die EU und den Westen die größten Profite verspricht. Julia Timoschenko ist die heraus ragende Vertreterin dieser Klasse. Sie hat sich in der Vergangenheit schamlos am Volksvermögen der Ukraine – vor allem am Handel mit Mineralöl – bereichert. Die Klasse der neuen Reichen der nachsowjetischen Zeit, hat nach 1990 das Land ausgeplündert. Dass die Ukraine heute hoch verschuldet ist und wirtschaftlich am Boden, „verdankt“ sie diesen Leuten. Frau Timoschenko ist nur eine Vertreterin dieser Klasse. Was wir in den letzten Monaten in Kiew sahen, war die Auseinandersetzung der verschiedenen Gruppen der Oligarchen. Die prowestlichen bedienten sich dabei des Lumpenproletariats, käuflicher Subjekte, die sich für Geld aus der EU – vor allem aus Deutschland – vor den Karren spannen ließen. Hierzu gehören die Faschisten der Partei „Swoboda“ und die Partei Klitschkos „UDAR“. Die einflussreichste Partei der prowestlichen Oligarchen aber ist die von Julia Timoschenko. die Allukrainische Vereinigung „Vaterland“. Auf sie setzten die USA und, wie es scheint, sie haben sich durchgesetzt. Dem gegenüber stehen die Oligarchen, die sich mit der Anlehnung an Russland die meisten Gewinne versprechen. Der bisherige Präsident Janukowitsch und dessen Partei „Partei der Regionen“ repräsentieren diese Oligarchenfraktion. Mit dem gestrigen Staatsstreich aber haben sie ihren eigenen Präsidenten im Stich gelassen. Dass dabei die Absprachen zwischen Putin und Obama eine wichtige Rolle spielte, halte ich für sicher. Man mag Zweifel daran haben, ob Putin seinen Oligarchen einen guten Dienst erwiesen hat. Ich meine aber, er hat das getan, was im Moment machbar ist. Einige Militärexperten meinen, Russland sei ohne die Ukraine nicht zu verteidigen. Sieht man sich die Karte Europas an, so klafft, ist die Ukraine in westlicher Hand, ein riesiges offenes Tor in die Tiefe Russlands. Genau das wollen sich die USA unter den Nagel reißen. Man denke an den „Raketenschirm“ um Russland, der kann jetzt sehr viel tiefer um Russland gelegt und Russland so militärisch bedroht werden. Für mich stellt sich die Absprache Putin – Obama als eine Schwächung des russischen Präsidenten dar. Fassen wir zusammen: Verlierer der Unruhen ist vor allem das Volk der Ukraine. In den nächsten Jahren werden die noch vorhanden spärlichen Reste des Sozialismus beseitigt werden. In Kiew wird zu Lasten der Menschen eine neoliberale Politik gefahren, das Land wird ökonomisch noch abhängiger werden, vor allem vom Westen, von der EU und die Menschen werden noch mehr verarmen. Die deutsche Regierung hat ihr Ziel nicht erreicht, eine von Berlin gesteuerte Regierung zu installieren. Weder „Matschbirne“ Klitschko, noch die Faschisten von „Swoboda“ haben gesiegt. Mit denen kann man vielleicht eine Rebellion anzetteln, aber kein großes Land, wie die Ukraine, regieren. Jetzt kommt die Partei von Frau Timoschenko an die Spitze der Regierung und die wird sich vor allem nach den USA ausrichten. Ob sich diese Kräfte aber auf Dauer durchsetzen, kann bezweifelt werden. Die „Orange Revolution“ mündete auch in einen Sieg der „Proeuropäer“ um Julia Timoschenko und Wiktor Juschtschenko. Aber bereits 2010 sank der Stern Juschtschenkos. Bei den Präsidentenwahlen bekam er eben mal 5,45% der Stimmen, seine Partei erreichte bei den Parlamentswahlen ein n och schlechteres Ergebnis: 1,11% der Stimmen. Julia Timoschenko ist allerdings eine unsichere Kantonistin. Nicht, weil sie korrupt ist, das sind andere auch, aber sie ist anpassungsfähig. Die ukrainische Supernationalistin hat ihr Land als Ministerpräsidentin 2009 mit Russland Verträge über die Lieferung von Erdgas zum Nachteil der Ukraine abgeschlossen. Dadurch hat die Ukraine einen Schaden von umgerechnet rund 137 Millionen Euro erlitten. Sie kann’s also auch mit Russland. Vielleicht hatte das Putin im Kopf, als er sich mit Obama einigte. Und die Timoschenko ist erpressbar – ihr werden sogar vorgeworfen, den Mord am ukrainischen Politiker und Geschäftsmann Jewgeni Schtscherban in Auftrag gegeben zu haben.[1] Eine illustre Person, die da in der Ukraine an die Macht kommen wird. Mit Sicherheit wird sie als Präsidentin vor allem ihre eigenen Interessen vertreten und nicht die ihres Landes. Ob das funktioniert? Schon einmal ist sie gescheitert. Die USA geht es um geopolitische Ziele, sie sind in erster Linie daran interessiert, ihren Rivalen Russland in die Zange zu nehmen, die direkten wirtschaftlichen Interessen in der Ukraine sind ihnen weniger wichtig. Anders die EU. Die haben wirtschaftliche Interessen an der Ukraine, aber auch an Russland. Natürlich wollen die dort eine neoliberale Politik, aber die Europäer wollen es auch mit Russland nicht verderben. Ria Novosti zitiert die „Nesawissimaja Gaseta“ vom 22. Februar 2014 warnend: „Die Ukraine-Krise kennzeichnet eine neue Richtung der US-Politik – die russisch-deutsche Partnerschaft steht auf dem Prüfstein. Ein Konflikt mit Russland könnte Deutschland seine privilegierte Position in der Nato als Vermittler bei den Verhandlungen mit Moskau kosten. Auch die Rolle Deutschlands als europäischer Knotenpunkt für die russischen Energielieferungen würde dann fraglich werden.“ Hier zeichnet sich ein neuer Widerspruch ab. Ob die deutsche Regierung einen Streit mit den USA eingehen wird, ob die Widersprüche sich eher versteckt dokumentieren oder was auch immer, werden wir sehen. Imperialistische Widersprüche sind Widersprüche unter Gaunern. Wir werden sehen, wie sich die Sache entwickelt. Vielleicht sogar in Stellvertreterkriegen. G.A.

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