Montag, 27. Februar 2023
19. Februar 2023 – Drei Jahre nach Nazi-Anschlag in Hanau - Kein Vergessen! Kein Vergeben!
Aufruf der Initiative „19. Februar Hanau“:
19. 02. 2023
3 Jahre ohne
Fatih, Sedat, Hamza, Ferhat,
Mercedes, Kaloyan, Vili, Gökhan,
und Said Nesar
Wir kämpfen für euch
weiter!
Demonstration 16 Uhr Hanau, Markplatz
Und weiter heißt es im Aufruf:
Wir fordern euch für den 19. Februar wieder dazu auf, an unserer Seite zu stehen.
Organisiert auf den Straßen und Plätzen eurer Städte und Dörfer Kundgebungen, Demonstrationen, Gedenkaktionen. Erinnern heißt verändern.
An vielen Orten werden Überlebende, Angehörige, Familien und Freund:innen der Opfer demonstrieren. Gemeinsam mit Familien, Angehörigen der ermordeten Menschen des NSU-Komplexes, mit Betroffenen der Mordanschläge in Halle und vieler weiterer rassistischer Morde. Gemeinsam mit der antifaschistischen und antirassistische revolutionären Bewegung.
Wir alle werden an diesem Jahrestag an die Opfer des Mordanschlags in Hanau erinnern. Wir tragen sie in unseren Herzen und Kämpfen mit uns.
Wir bekunden laut unsere Solidarität mit allen Opfern von Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus und Islamfeindlichkeit.
Solidarisches Gedenken und Kämpfen! Gegen staatliche Heuchelei!
Wir werden Unterstützung, Solidarität und Entschlossenheit im gemeinsamen Kampf für wirkliche Aufklärung, gegen das Vertuschen und Verleugnen staatlicher Behörden und Politiker:innen bei rassistischen, faschistischen Morden auf die Straßen tragen.
Die Nicht-Aufklärung über das Vorgehen vor allem der Polizei, aber auch anderer staatlicher Stellen in der Mordnacht von Hanau ist ein so offensichtlich brutaler Beleg dafür.
In dem „Untersuchungsausschuss Hanau“ in Wiesbaden stellte sich die rassistische Grundeinstellung und Ignoranz vieler Beamter, Einsatzkräfte und Politiker:innen während der fürchterlichen Ereignisse in der Mordnacht krass heraus.
Der polizeiliche Notruf „versagte“. Er war ganz einfach nicht besetzt. Die Verantwortlichen werden bis heute nicht zur Rechenschaft gezogen.
Überlebende Opfer, die teils schwer verletzt und nicht medizinisch versorgt waren, wurden mehrfach bedrängt ihren Personalausweis zu zeigen. Die Eltern und Angehörigen wurden nicht über das Schicksal ihrer Kinder informiert und durften nicht zu ihren Kindern.
Angeordnet von einer Staatsanwältin wegen „vermeintlicher Gefahr im Verzug“ wurden die Leichname beschlagnahmt und am 20. Februar ohne Zustimmung der Angehörigen gesetzwidrig zwangsobduziert.
Die Inschutznahme des faschistischen Vaters des Mörders, der bis heute Familien der Opfer bedroht, zeigt das Ausmaß der „rassistischen Toleranz“ gegen faschistische Täter und Terror.
Bei allen staatlich zu verantwortenden Gedenkveranstaltungen seit 2020 ist immer wieder ein Muster vorherrschend: Unendliche Heuchelei!
Diese Heuchelei von Politik und Staat klagen wir an. Wir zeigen auf, dass Rassismus und Faschismus ein Problem des Systems sind!
Im letzten Jahr auf der staatlich verordneten offiziellen „Trauerfeier“ auf dem Friedhof in Hanau hatten sich hessische und Bundes-Politiker:innen, wie OB Kaminsky oder Innenministerin Faeser heuchlerisch zu profilieren versucht. Aber Familien, Angehörige, Freund:innen und Antifaschist:innen wurden teils zur Gedenkfeier nicht zugelassen, bzw. zu Statist:innen degradiert.
Frau Gürbüz klagte sehr bewegt und eindringlich in ihrer kurzen Ansprache vor Ort an:
„Ich bin Emiș Gürbüz, die Mutter von Sedat Gürbüz.
Liebe Angehörige Familien, liebe Gäste
Ich bin immer noch traurig und wütend. Diese Wunde und dieser Schmerz sind so groß, dass sie nie wieder heilen wird. Auch wenn viele von Ihnen sie vielleicht nicht mehr sehen. Ich muss mich dafür entschuldigen, dass ich an diesem Tag, an diesem Ort, der eigentlich nicht der Ort dafür ist, sagen muss, dass bei dieser offiziellen Gedenkstunde, das Land Hessen unser Gedenken vereinnahmt hat. Sedat ist mein eigenes Blut und mein eigener Knochen. Ich bin die Mutter. Es macht mich immer wieder fassungslos, dass auch unsere Wünsche an diesem besonderen Tag ignoriert werden. Als ich als Mutter hätte entscheiden müssen, wer heute hier dabei sein kann oder nicht, aber auch das, diese Entscheidung wurde mir weggenommen. Wissen Sie was wir seit zwei Jahren durchmachen und wie wir leiden mussten, ist nicht nur für mein Kind sondern für dieses ganze Land.
Man muss aus den Fehlern lernen, damit das nicht nochmal passiert.
Wie die anderen gesagt haben, wir werden die neun Opfer nicht vergessen und werden auch nicht zulassen, dass es vergessen wird: Said - Gökhan - Ferhat - Hamza - Vili Viorel - Kaloyan - Fatih - Sedat - Mercedes.“ Livestream der Gedenkfeier. https://www.hanau-steht-zusammen.de
Und das zynische „Staats“-Gedenken im Jahr 2023?
Schon jetzt zeigt sich im Vorfeld, dass für die Staatspolitiker:innen auch dieses Jahr nicht das Gedenken und Forderungen der Angehörigen und überlebenden Opfer nach Aufklärung zentral sind.
Oberbürgermeister Kaminsky (SPD) in Hanau beschäftigt sich auf seiner Webseite aktuell mit einer ganz anderen Frage. „In den vergangenen Tagen bin ich oft auf den Faschingssonntag angesprochen worden. Es ist in diesem Jahr der 19. Februar. Es ist das Datum des schlimmsten Tages, den Hanau in Friedenszeiten erlebt hat. Kann, darf, soll man an diesem Tag Fasching feiern? Ich persönlich werde am Faschingssamstag am Innenstadtumzug teilnehmen, am Sonntag werde ich an den verschiedenen Veranstaltungen im Rahmen des Gedenkens an die Opfer des 19. Februar 2020 teilnehmen. (...) Doch als Stadt ermöglichen wir – und ich sage „ausdrücklich“ –, dass es in den Stadtteilen (...) am Faschingssonntag die traditionellen Umzüge geben wird. Fasching ist ein hohes Kulturgut, (...)“
Diese grauenhafte Haltung allein ist schon unerträglich, aber es kommt noch brutaler und zynischer. Das „Einfühlungsvermögen“ von OB und Stadtverwaltung sieht so aus: „Und: für den Innenstadt-Zug am Samstag haben wir die Route geändert – sie führt nicht am Heumarkt, dem ersten Tatort vom 19. Februar 2020 vorbei. Ein „fröhliches Helau“ hielte ich dort für völlig unangebracht. (...) Freude und Unbeschwertheit, Trauer und Erinnerung liegen nah beieinander und wir tragen sie in uns. (...) Ich denke, dass wir eine Balance finden müssen und können zwischen dem würdigen Gedenken an die Getöteten und der Freude am Leben. ‚Hanau steht zusammen‘ gilt heute umso mehr in der vielfältigen Brüder-Grimm-Stadt.“
//www.hanau.de/aktuelles/Oberbuergermeisterzuaktuellenthemen/index.html
Am vorgeblich „schlimmsten Tag Hanaus in Friedenszeiten“ feiert sich der SPD-OB ab, wie er das Gedenken an das faschistische Mordmassaker an neun jungen Menschen mit dem „hohen Kulturgut Fasching“ in Einklang bringt. Das ist sein gelebtes „Hanau steht zusammen“. Am Tag des faschistischen Mordmassakers, das staatliche Stellen durch Unterlassung (Notruf ausgeschaltet) direkt mit verursacht haben und die den Mörder kannten und die Gefahr, die von ihm ausging bagatellisierten, liegen für den OB „Freude und Unbeschwertheit, Trauer und Erinnerung nahe beieinander“.
Das ist eine Verhöhnung der ermordeten Menschen und der überlebenden Opfer, der Familien, Angehörigen, Freund:innen und aller antirassistischen und antifaschistischen Menschen.
Tragen wir unser Gedenken und Erinnern,
unsere Empörung und Wut
unsere Solidarität und Forderungen unseren Kampf für eine andere, befreite, sozialistische Gesellschaft auf die Straßen!
TROTZ ALLEDEM !
trotzalledem.org | trotzalledem1@gmx.de V.i.S.d.P.: H. König, Kafkastraße 56, 50829 Köln
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