In Nordmexiko hat die Verbrecherorganisation der Zetas 72 Migranten umgebracht, weil diese kein Erpressungsgeld zahlen konnten und sich nicht rekrutieren lassen wollten.
Alex Gertschen, Mexiko-Stadt
Als mexikanischer Sicherheitskräfte am Dienstag auf einer Ranch im Gliedstaat Tamaulipas 72 Leichen entdeckten, lag der Schluss nahe, es handle sich um ein weiteres, wenngleich sehr grosses Massengrab, in dem einer der Akteure im Drogenkrieg seine Gegner verschwinden liess. Tamaulipas und der restliche Nordosten sind seit Jahresbeginn Schauplatz einer brutalen Konfrontation zwischen dem Golf-Kartell und der Organisation der Zetas, die bisher rund 1000 Tote gefordert hat. Am Mittwoch hat die Regierung jedoch vermeldet, dass die 58 Männer und 14 Frauen Migranten aus Ecuador, Brasilien, Honduras, El Salvador und womöglich anderen Ländern waren.
Der Ort des Schreckens war, wie bereits kurz gemeldet, gefunden worden, nachdem am Montag ein 18-jähriger Ecuadorianer einen Marinestützpunkt alarmiert hatte. Er überlebte als Einziger der Gruppe das vermutlich am Vortag begangene Massaker. Beim anschliessenden Einsatz der Sicherheitskräfte wurden ein Marine-Angehöriger und drei Verbrecher getötet. Der schwerverletzte Ecuadorianer hatte fliehen können, weil er sich tot gestellt hatte.
Den Behörden gegenüber sagte der Mann, die Gruppe habe in einem Lastwagen versteckt Mexiko in Richtung amerikanische Grenze durchquert. Rund 300 Kilometer vor dem Ziel, in der Nähe der Hafenstadt Tampico, sei sie von Bewaffneten, die sich als Zetas ausgaben, entführt und erpresst worden. Nachdem die Verbrecher gewahr geworden seien, dass niemand das geforderte Lösegeld aufbringen konnte, hätten sie die Migranten rekrutieren wollen. Als diese ablehnten, seien sie erschossen worden.
Die Regierung verurteilte das Massaker energisch. Gleichzeitig wertete sie den Rekrutierungsversuch als Schwächezeichen des Verbrechens schlechthin und damit als Indiz des eigenen Erfolgs. In erster Linie ist der Massenmord jedoch Ausdruck der unfassbaren Gewalt im Land und der Unfähigkeit des Staates, diese zu unterbinden. Die Abwesenheit des Rechtsstaates ist für die Migranten besonders verhängnisvoll. Zu Hunderttausenden durchqueren sie Jahr für Jahr Mexiko, in der Hoffnung, in den USA ein besseres Leben zu finden. Die Behörden fürchten sie ebenso wie die lauernden Verbrecher. In der Fremde auf sich allein gestellt, könnte ihre Verwundbarkeit grösser nicht sein.
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