Montag, 30. August 2010

Sozialrevolutionäre Positionen in der NPD auf dem Vormarsch?

Verfasst von Robert Scholl

Vollkommen neue Töne konnte man dieser Tage von der NPD vernehmen. Der Hamburger Landesverband richtete sich mit einem Gesprächsangebot an die antiimperialistische Linke. Akzeptiere man das Existenzrecht des deutschen Volkes, wolle man mit den Linken in den Dialog treten. Auch wenn die das Angebot deutlich zurückwiesen, scheinen sozialrevolutionäre Positionen in der NPD in letzter Zeit an Bedeutung zu gewinnen.


Hammer und Schwert kreuzen sich auf der Seite der „Sache des Volkes“ (SdV), dem medial kaum wahrgenommenen Internetblog rechtsextremer Sozialrevolutionäre. Der maßgebliche Kopf hinter dem Projekt ist Jürgen Schwab. In einer Ausgabe des theorielastigen NPD-nahen Magazins „Hier & Jetzt“ erklärte er, was es mit der SdV auf sich habe. Die Kampagne sollte ein Gegengewicht zu den Parteiaktivitäten schafffen, die häufig monopolistisch den Theoriediskurs steuerten. Als Ziel der SdV formulierte Schwab, „den Nationalismus in Deutschland sozialrevolutionär auszurichten“. Das Interesse der Aktivisten liege in der Verbindung der sozialen mit der nationalen Frage.

Das neue mittlerweile Verwendung findende Symbol des sich mit dem Schwert kreuzenden Hammers, hat die Gruppe der „Schwarzen Front“ entlehnt – einer Art Dachverband von Organisationen, Bewegungen und Einzelpersonen, die Sozialismus und Nationalismus Anfang der 1930er Jahre in Einklang bringen wollten. Die Protagonisten der „Schwarzen Front“ verstanden sich meist als Gegner des Nationalsozialismus wie er von Hitler vertreten wurde. Dieser diene nur dem Kapital, seinen Antimarxismus und auch seine Kriegspolitik kritisierte die lose Vereinigung um ihren wohl bekanntesten Protagonisten Otto Strasser auf das Heftigste. Kurz nach der Machtübernahme Hitlers, im Februar 1933, wird die Schwarze Front verboten – noch vor der KPD. Wie die „Sache des Volkes“ strebte auch die „Schwarze Front“ nach Aufhebung der Grenzen zwischen links und rechts.

Vor kurzer Zeit nun kam ausgerechnet vom Hamburger NPD-Landesverband des verstorbenen Neonazis Jürgen Rieger ein Appell ans andere politische Ufer. Adressat war das antiimperialistische Zentrum B5 in der Hansestadt. Die antiimperialistische Strömung, so will es die NPD verstanden haben, verstehe sich als „linke Gegenkultur konträr zu den Antideutschen“. Zudem gebe es „viele Gemeinsamkeiten“, die sich der NPD beim Lesen der marxistischen Zeitschrift „Der Funke“ erschlossen haben: Angeblich führten sowohl NPD als auch Antiimperialisten einen „politischen Kampf für ein freies, soziales und kulturelles Leben innerhalb eines deutschen Volksstaates.“ Als weitere Übereinstimmungen mit dem „weltanschaulichen Fundament der NPD“ werden der „Widerstand gegen den Kapitalismus, gegen die Ausbeutung sozial benachteiligter Angehöriger unseres Volkes, sowie der Kampf gegen die politische Repression, internationale Kriege der USA und die Zersetzung der geistigen und kulturellen Substanz unseres Volkes“ gewertet. „Sollte von der antiimperialistischen Linken auch das Existenzrecht unseres Volkes ohne wenn und aber akzeptiert werden“, verspricht die NPD, „wären gerade unsere jungen Aktivisten bereit, mit deutschen Jugendlichen von der vermeintlichen ,Linken‘ zu diskutieren und vom Dialog eventuell positive Akzente für die Zukunft zu erzielen.“ Den wohl bedeutendsten Punkt bei den vermeintlichen Gemeinsamkeiten hat die NPD bei ihrer Aufzählung allerdings unterschlagen: Antizionismus.

Denn dass der Appell ausgerechnet an das Internationale Zentrum B5 erfolgte, dürfte einen konkreten Hintergrund haben. Ende Oktober vergangenen Jahres sorgte die Gruppe für Schlagzeilen, als sie die Aufführung des Filmes „Warum Israel?“ von Claude Lanzmann verhindert hatte. In dem Film setzt sich der Regisseur des neuneinhalbstündigen Dokumentarfilms „Shoah“ mit der Notwendigkeit der Gründung des Staates Israel auseinander. Diese pro-zionistische Filmvorführung, die von einer antideutschen Gruppierung im Hamburger Stadtteil St. Pauli organisiert wurde, werteten die antizionistischen Vertreter des Internationalen Zentrums B5 als Provokation. Sie bauten einen Checkpoint nach, der den Besuchern des Filmes die Realität in Israel vor Augen führen sollte, hinderten die Verantwortlichen des Kinos am Zutritt und sorgten so schließlich für die Absage der Veranstaltung. Von einem Skandal war später in den Medien die Rede.

Der Antizionismus der Gruppe sei nichts anderes als die „linke Variante des Antisemitismus“, kritisierte nun Volker Weiß in der Frankfurter Rundschau anlässlich der Querfrontbemühungen der Hamburger NPD. Das Internationale Zentrum B5 habe durch derlei Aktionen das antiimperialistische Spektrum „für die NPD tatsächlich attraktiv“ gemacht, befindet Weiß. Warum die NPD dies aber erst nach einem Jahr bemerkt hat, erklärt Weiß nicht, zumal der Hamburger Landesverband sich in der Vergangenheit nicht mit sozialrevolutionären Forderungen hervortat und der langjährige Vorsitzende Jürgen Rieger eher die außenpolitische Querfront mit Mahmud Ahmadinejad angestrebt hat, die tatsächlich eher antisemitisch und nicht antizionistisch motiviert gewesen sein dürfte.

Überrascht zeigte man sich angesichts dieser Töne auch bei den rechtsextremen Theoretikern der Querfront. Auf der Internetseite der „Sache des Volkes“ heißt es, dass weder die NPD noch ihr Jugendverband in der Vergangenheit als „sonderlich national- oder sozialrevolutionäre Kraft aufgefallen“ wären. Die „sozialrevolutionären Nationalisten“ hätten die NPD daher in die Pflicht zu nehmen, damit den Worten „in Zukunft auch konkrete national- und sozialrevolutionäre Taten folgen, die deutlich über den bisherigen Kurs einer nationalen und sozialen Grundierung des Kapitalismus hinausgehen“.

Dass es zu dieser Kursänderung in der nächsten Zeiten kommen werde, halte man allerdings für unwahrscheinlich, zumal befürchtet wird, dass die Fusion von DVU und NPD letztlich die Tendenz zu „Rechtspopulismus, national-sozialer Marktwirtschaft und Antibolschewismus“ verstärken werde. „Idealerweise“, heißt es bei der „Sache des Volkes“ weiter, stelle die „nationale Rechte“ künftig „sozialrevolutionäre und sozialistische Positionen in den Vordergrund ihres Handelns“. Genauso hat es kürzlich SdV-Gründer Jürgen Schwab in einem Interview formuliert und zwar direkt in der Parteizeitung der NPD. Die Zeitung öffnete sich nach sechs Jahren der Verbannung wieder für die sozialrevolutionären Positionen Schwabs. Damit hat er im übrigen mehr erreicht als die Hamburger NPD, deren Gesprächsangebot wurde deutlichst zurückgewiesen:

Dieses ,Gesprächsangebot‘ ist reine Provokation und soll dazu dienen weitere Angriffsflächen auf die B5 zu bieten. Unsere Praxis zum Thema Faschismus und Rassismus lässt keine Zweifel an unserer antifaschistischen Einstellung zu.

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