Dienstag, 19. April 2022
[IMI-List] [0608] Neue Texte rund um den Ukraine-Krieg / Analyse: Migration und Militarisierung
----------------------------------------------------------
Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0608 .......... 25. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos)........ https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste/
----------------------------------------------------------
Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List finden sich
1.) eine Reihe neuer Texte im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg;
2.) eine IMI-Analyse: „Migration und Militarisierung“
1.) Analysen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg
In den letzten Tagen entstanden eine Reihe neuer Texte im Zusammenhang
mit dem Ukraine-Krieg und den jüngsten Aufrüstungsankündigungen der
Bundesregierung entstanden. Eine ausführliche Analyse erschien soeben
zum Kabinettsbeschluss am Mittwoch, in dem die Haushaltsplanung bis 2026
und die Verwendung des 100 Mrd. Euro Sondervermögens der Bundeswehr
genauer geregelt wurde. Heute online ging auch eine Auswertung der neuen
NATO-Präsenz in Slowenien, für die Deutschland die meisten SoldatInnen
stellt und mit der auch neue Waffendeals einhergehen. Außerdem sind seit
der letzten Mail ein Kommentar über die Ungereimtheiten der
Aufrüstungsdebatte, zur Entsendung von Jugendoffizieren in die Schulen
und zur Entscheidung über die Tornado-Nachfolge erschienen.
Alle alten und neuen Texte zum Ukraine.-Krieg finden sich auch auf
unserer Sonderseite:
https://www.imi-online.de/2022/03/18/sonderseite-ukraine-krieg/
IMI-Analyse 2022/10
Geldregen für die Bundeswehr
Kabinett beschließt Eckwerte bis 2026 und 100 Mrd. Sondervermögen für
die Bundeswehr
https://www.imi-online.de/2022/03/18/geldregen-fuer-die-bundeswehr/
Jürgen Wagner (18. März 2022)
IMI-Analyse 2022/09
Aufrüstung der Slowakei
NATO-Präsenz und Rüstungsdeals
https://www.imi-online.de/2022/03/18/aufruestung-der-slowakei/
Martin Kirsch (18. März 2022)
IMI-Standpunkt 2022/012
Merkwürdigkeiten der Aufrüstungsdebatte
https://www.imi-online.de/2022/03/16/merkwuerdigkeiten-der-aufruestungsdebatte/
Christoph Marischka (16. März 2022)
IMI-Analyse 2022/08
Tornado-Nachfolge – Teure Maximallösung bedient alle Interessen
https://www.imi-online.de/2022/03/16/tornado-nachfolge-teure-maximalloesung-bedient-alle-interessen/
Jürgen Wagner (16. März 2022)
IMI-Standpunkt 2022/011
Jugendoffizier*innen erklären den Krieg
https://www.imi-online.de/2022/03/14/jugendoffizierinnen-erklaeren-den-krieg/
Jan Sander (14. März 2022)
2.) IMI-Analyse: Migration und Militarisierung
IMI-Analyse 2022/07 - in: CILIP 128, 6. März 2022
Migration und Militarisierung
Die EU produziert eine Ökonomie der Angst
https://www.imi-online.de/2022/03/11/migration-und-militarisierung/
Jacqueline Andres (11. März 2022)
Die einst als Zivilmacht betitelte EU transformiert sich in eine
Sicherheitsunion. Die dort angenommenen Bedrohungen sind ein Motor für
Forschung und Entwicklung. Auch für die illegalisierte Migration
präsentiert sich die Sicherheitsindustrie als Lösungsanbieterin für
politische, soziale und ökologische Probleme, die sie mitverursacht.
In der Region von Calais stürmten am 1. Januar 2022 Polizist*innen mit
Schlagstöcken, Helmen und Schutzschildern auf Geflüchtete zu, rissen
ihre Zelte nieder und setzten Tränengas gegen sie ein. Den Angegriffenen
blieb keine Zeit, ihr Hab und Gut zu retten. Die Räumung schloss sich an
rund 150 weitere an, die allein zwischen den Weihnachtsfeiertagen und
Neujahr in der Region durchgeführt wurden.1 Diesen gewalttätigen
Einsätzen liegt eine Versicherheitlichung von Migration zugrunde, die
entmenschlicht, leicht ausbeutbare Arbeitskräfte schafft und das Sterben
von Menschen normalisiert. Noch deutlicher tritt die EUropäische
Stilisierung von people on the move zur Bedrohung an der polnischen
Grenze zu Belarus zum Vorschein. Polnische Regierungsvertreter*innen
sprechen von Menschen, die als „Waffen“ zur Destabilisierung der Grenze
eingesetzt werden2 – der Hohe Vertreter der EU für Außen- und
Sicherheitspolitik, Josep Borrell, und die Präsidentin der Europäischen
Kommission, Ursula von der Leyen, nutzen die gleiche Analogie und werten
die Lage als „hybriden Angriff“.3
Technologisierte Grenzüberwachungsinstrumente
So nimmt es nicht wunder, wenn die zur „Bedrohung“ stilisierten
Migrant*innen tatsächlich mit Militärtechnik kontrolliert und bekämpft
werden. Viele Rüstungskonzerne verkaufen diese als „Dual
Use-Technologien“ für die Grenzüberwachung. Sie lassen sich grob
unterteilen in Schutzausrüstung der Einsatzkräfte (Bewaffnung und
gepanzerte Fahrzeuge); Sensorik und Optronik (Wärmebildkameras,
Nachtsichtgeräte und Sensoren); Aufklärungstechnologien (Drohnen,
Satelliten, Radargeräte) und Datenanalysewerkzeuge bzw. Analytik (u. a.
biometrische und KI-Anwendungen).
Die EU-Grenzagentur Frontex verfügt mit der neuen „Ständigen Reserve“ in
der „Kategorie 1“ über 3.000 bewaffnete Beamt*innen. Zu deren geplanten
Ausrüstung lud Frontex die Unternehmen Heckler&Koch, SigSauer, Glock und
Grand Power 2019 zu einem „Industriedialog zu Waffen, Munition und
Holster“ ein.4 Wegen rechtlicher Schwierigkeiten verzögerte sich die
Beschaffung der Waffen für die „Kategorie 1“; den Auftrag erhielten erst
im Herbst 2021 die Firmen Glock aus Österreich für die Pistolen sowie
Mildat und Parasnake Arkadiusz Szewczyk aus Polen für die Lieferung von
3,6 Millionen Schuss Munition. Zwar freute sich Frontex Anfang Dezember
2021 über einen „historischen Schritt für die ständige Reserve und die
Europäische Union“, als die Agentur zum ersten Mal bewaffnete
Beamt*innen der „Kategorie 1“ an der litauisch-belarussischen Grenze
stationierte, bewaffnet werden diese aber zunächst vom Gaststaat Litauen.5
An ihren Grenzen setzen EU-Mitgliedstaaten auch gepanzerte Fahrzeuge
ein. So schickte Österreich z. B. im Frühjahr 2020 einen Polizeipanzer
des Typs SurviorR II, ein MAN-Geländewagen von Achleitner aus
Österreich, der von Rheinmetall umgerüstet und vertrieben wird, nach
Griechenland.6 Die griechische Polizei verkündete 2021, eine auf einem
Polizeipanzer montierte Schallkanone an der Grenze zur Türkei einsetzen
zu wollen. Dabei handelt es sich um ein Long Range Acoustic Device
(LRAD) des Typs 450XL des US-amerikanischen Unternehmens Genasys. Die
Technik stammt aus einem Auftrag aus den Nullerjahren vom
US-Verteidigungsministerium. Die Firma sollte ein auf Schallwellen
basierendes Gerät zur Kommunikation zwischen Schiffen und zur Abwehr
potenzieller Angreifer*innen entwickeln. US-amerikanische oder
beispielsweise thailändische Polizeibehörden setzen diese Schallkanonen
seitdem bei Protesten ein, obwohl deren immense Lautstärke u. a. einen
Hörverlust verursachen kann. Im maritimen Bereich wird das Gerät u. a.
von der EU-Mission Atalanta LRAD‘s zur „Pirateriebekämpfung“ vor der
Küste Somalias genutzt.7
Auch bei der Aufklärungstechnik lässt sich die Nutzung von ursprünglich
für das Militär entwickelten Technologien zur Grenzüberwachung
feststellen. Frontex hat seit 2015 Zugriff auf Daten des EUropäischen
Satellitenprogramms Copernicus, und erstellt mit den Satellitenbildern
im Rahmen des European Surveillance Systems (EUROSUR) ein Lagebild der
Grenzen in nahezu Echtzeit.8 Im zentralen Mittelmeer setzt Frontex eine
von Israeli Aerospace Industries hergestellte Langstreckendrohne des
Typs Heron 1 ein.9 Das israelische Militär nutzt das Luftfahrzeug seit
den Nullerjahren in Gaza, etwa im Rahmen der Operation „Gegossenes Blei“
ab 2008.10 Auch die Bundeswehr flog die Heron 1 seit 2010 in
Afghanistan, seit 2016 auch in Mali.
Zur Luftaufklärung nutzt Frontex außerdem an einem Versorgungskabel
„gefesselte“ Zeppeline. 2019 testete die Agentur einen solchen Aerostat
auf der griechischen Insel Samos, derzeit steigen sie am
Evros-Grenzfluss zur Türkei in die Luft. Hauptauftragnehmer sind die
deutsche in-innovative navigation GmbH und die französische CNIM Air
Space.11 Ausgerüstet sind die Aerostaten mit dem elektro-optischem
Infrarot-System ARGOS-II HD der deutschen Firma Hensoldt.12 Das Modul
exportiert Hensoldt auch in die Türkei, dort ist es in die Kampfdrohne
Bayraktar TB2 eingerüstet, mit der das türkische Militär seit 2016
Angriffe auf Kurd*innen in Nordsyrien und Nordirak fliegt.13
Die von elektro-optischen, radarbasierten oder akustischen Sensoren
gesammelten Daten werden zusammen mit anderen Datenquellen von
Anwendungen ausgewertet, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) basieren.
Unter anderem basieren Gesichtserkennungssysteme, wie sie Spanien an den
Grenzen von Ceuta und Melilla14 und Griechenland in Flüchtlingslagern
einsetzen wollen, auf KI.15
Akteure der EUropäischen Sicherheitsindustrie
Zwar werden Millionenbeträge in die Erforschung, Entwicklung und
Produktion der beschriebenen Technologien gesteckt, doch können sie das
Versprechen der „Bekämpfung“ von Migration oftmals nicht halten.
Gewinner*innen gibt es trotzdem: die EUropäische Sicherheitsindustrie,
die ihre Produkte zusehends für die innere Sicherheit und
Grenzüberwachung vermarktet. Deren Verwendung durch Frontex sowie
Grenztruppen der EU-Mitgliedstaaten wird gefordert und gefördert durch
Akteur*innen, die vor allem aus großen Luftfahrt-, Raumfahrt- und
Rüstungsunternehmen stammen. In den frühen Nullerjahren und nach der
„Finanzkrise“ ab 2007 gingen die Rüstungsausgaben der EU deutlich
zurück. Der zur gleichen Zeit aufkommende Markt für „Homeland Security“
in der EU kann deshalb als Neuerfindung der Rüstungsindustrie gesehen
werden.16 Diese Entwicklung wird begleitet durch
Forschungsorganisationen (z. B. Universitäten oder Fraunhofer
Institute), Beratungsunternehmen (z. B. Deloitte),
Regierungs-ministerien und EU-Institutionen.
Weitere wichtige Akteur*innen sind Lobbyorganisationen, die Phänomene
wie Migration als Sicherheitsproblem definieren und für dessen
Bekämpfung mit für das Militär entwickelten Technologien werben.17 Aus
der Rüstungslobbygruppe Aerospace and Defence Industries Association of
Europe heraus gründete sich 2007 der Lobbyverband European Organisation
for Security (EOS), der sowohl zivile als auch militärisch nutzbare
Sicherheitslösungen anbietet.18 Erforschung („Innovation“) und
Entwicklung der Technologien erfordern hohe staatliche Ausgaben, die die
Lobbyorganisationen von den EU-Mitgliedsstaaten oder aus EU-Mitteln
einwerben. Auf diesem Feld konkurrieren die großen Rüstungsunternehmen
Airbus, Leonardo, Indra und Thales und damit auch die dahinterstehenden
Regierungen aus Deutschland, Italien, Spanien und Frankreich.
Horizont Europa
Ein solcher EU-Topf ist das Forschungsrahmenprogramm, das 2021 als
Horizont Europa zum neunten Mal anlief. Von 2021 bis 2027 fördert die EU
Forschungs- und Innovationsprojekte zur Stärkung der globalen
„Wettbewerbsfähigkeit“ mit 95,5 Milliarden Euro. Das Programm besteht
aus drei Pfeilern: Wissenschaftsexzellenz (25 Milliarden Euro), Globale
Herausforderungen und industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas (53,5
Milliarden Euro) und Innovatives Europa (13,6 Milliarden Euro). Weitere
Unterteilungen erfolgen innerhalb der Pfeiler, so gehört der Cluster
„Zivile Sicherheit für die Gesellschaft“ (1,6 Milliarden) zum zweiten
Pfeiler und gliedert sich wiederum auf in Schutz der EU und ihrer
Bürger*innen vor Kriminalität und Terrorismus (87 Millionen Euro),
Management der EU-Außengrenzen (55,5 Millionen Euro), Schutz wichtiger
Infrastrukturen (31 Millionen Euro), Cybersicherheit (134,8 Millionen
Euro), Resilienz im Krisen- und Katastrophenfall (72 Millionen Euro) und
die vermehrte Nutzung von Forschungsergebnissen durch Anwender*innen
(25,5 Millionen Euro).19
Im Bereich des Grenzmanagements fächern sich die Ausschreibungen in fünf
Kategorien. Die erste betrifft Projekte, die zur großflächigen und
autonomen Überwachung aus der Stratosphäre beitragen. Sie sollen
kompatibel mit bestehenden und künftigen Grenz- und
Seeüberwachungssysteme in der EU sein, einschließlich EUROSUR. Gefördert
wird Forschung zu „UAVs, Ballons, Luftschiffen, Höhenplattformen (HAPs),
Lighter-Than-Air (LTA)-Lösungen, Mikrosatelliten, Satellitenbilder“.20
Die zweite Kategorie zielt auf eine sicherere und verbesserte
Einsatzfähigkeit von Grenz- und Küstenwachen und des Zolls. Projekte
sollen sich an dem Bedarf von Frontex orientieren und die Grenzagentur
bei der Entwicklung einbeziehen. Geforscht werden kann „an
Sicherheitslösungen und Schutzausrüstungen für das eingesetzte Personal,
fortgeschrittenen Kommunikationssystemen und fortgeschrittenen Human
Interface Geräten und Sensoren“.21 Die dritte Kategorie soll verbesserte
Grenzkontrollen zur Erleichterung des Reiseverkehrs, der Reisenden und
der Grenz- und Küstenwachen ermöglichen. Der Fokus liegt hier auf der
Erforschung von stationären und mobilen und leicht transportablen
Technologien zur Überprüfung von Pässen, biometrischen Daten und
Dokumenten in z. B. Zügen, auf Straßen oder auch Schiffen.22 Die vierte
Kategorie widmet sich der Erkennung verbotener Gegenstände im
Postverkehr und die letzte Kategorie der verbesserten Erkennung von
verbotenen Gegenständen am und im Körper von Personen.
EU als Sicherheitsunion?
Im Kern hat der im Vertrag von Amsterdam verankerte „Raum der
Freizügigkeit, der Sicherheit und des Rechts“ bereits die Fundamente
einer Argumentation für die „Festung Europa“ geschaffen: Die innere
Sicherheit der EU erfordere eine verstärkte Kontrolle der Außengrenzen
zum Schutz und Erhalt der „europäischen Lebensweise“.
In dieser Zeit spielte das Primat der „Sicherheit“ eine immer größere
Rolle auch im militärischen Bereich: 2003 wurde die Europäische
Sicherheitsstrategie angenommen und ein Jahr später die Europäische
Verteidigungsagentur (EVA) geschaffen, um die Rüstungsplanung,
-beschaffung und -forschung voranzutreiben. Ab 2016 strebte die EU an,
ein globaler Sicherheitsakteur zu werden. Beeinflusst hat diese
Entwicklung der angekündigte EU-Austritt Großbritanniens, das zuvor bei
militärischen Bemühungen der EU, wie z. B. der 2003 gegründeten
Battle-groups, bremsend wirkte.23
2016 löste die neu geschaffene Globale Strategie die
Sicherheitsstrategie aus 2003 ab. Um global geeint militärisch agieren
zu können, etabliert sie drei Instrumente, für die die EVA seither
verantwortlich ist: die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit zur
Förderung gemeinsamer Rüstungsprojekte; die Koordinierte Jährliche
Überprüfung der Verteidigung zur Erstellung eines jährlichen Berichts
über die EUropäische Sicherheits- und Rüstungslandschaft, um die
Harmonisierung und Synchronisation voranzutreiben; und den Europäischen
Verteidigungsfonds (EVF) zur Finanzierung gemeinsamer Rüstungsforschung
und -entwicklung.
Seit 2021 ist der EVF aktiv – ausgestattet mit einem Gesamtbudget von
stolzen 7,953 Milliarden Euro für den Zeitraum 2021-2027. Der für die
Implementierung des Fonds verantwortliche Thierry Breton, EU-Kommissar
für Binnenmarkt und Dienstleistungen mit der erweiterten Zuständigkeit
für Verteidigung und Raumfahrt (und ehemaliger CEO von Thales und ATOS),
erklärt: „Es geht einfach darum, Europa auf dem geostrategischen
Schachbrett der Welt zu behaupten.“24
Die Ergebnisse der durch den EVF geförderten Forschung z. B. an
autonomen Systemen, Sensoren, Quantentechnologie oder auch Analytik
können die beteiligten Unternehmen auch für andere Vorhaben nutzen,
diese Produkte landen anschließend auch auf dem Markt für
Grenzüberwachung. Die EU-Kommission will den Firmen auch Zugang zu
Mitteln aus der zivilen Forschung erleichtern, wo besonders die Bereiche
KI und „disruptive Technologien“25 im Mittelpunkt stehen.
In ihrem Anfang 2021 vorgelegten Aktionsplan für Synergien zwischen der
zivilen, der Verteidigungs- und der Weltraumindustrie fordert die
Kommission, dass „die EU-Finanzierung von Forschung und Entwicklung,
einschließlich der Bereiche Verteidigung und Raumfahrt, wirtschaftliche
und technologische Vorteile für die EU-Bürger mit sich bringt (die
‚Spin-offs‘)“.
Umgekehrt heißt es, dass die Nutzung von Forschungsergebnissen der
Zivilindustrie und Innovationen, die von der Zivilbevölkerung ausgehen,
in Projekten der europäischen Verteidigungszusammenarbeit erleichtert
wird (die „Spin-ins“).26 Diese Weichenstellung räumt der
Sicherheitsindustrie in der EU eine zukunftsgestaltende Rolle ein, die
zu einer weiteren Militarisierung der inneren und äußeren
Sicherheitspolitik der EU beitragen wird – eine Rolle, die die sozialen
Bewegungen und Organisationen vehementer für sich beanspruchen müssen,
um mit der rassistischen und umweltzerstörerischen „Ökonomie der Angst“
zu brechen.
Anmerkungen
1 Violence flares during Calais migrant camp eviction,
www.infomigrants.net/
en/post/37616/france-violence-flares-during-calais-migrant-camp-eviction
2 Political Crisis initiated by the regime of Alexander Lukashenka.
Polish-Belarusian border brief – update by 3 January 2022, Polnische
Regierung v. 3.1.2022,
www.gov.pl/web/libya/political-crisis-initiated-by-the-regime-of-alexander-lukashenka-polish-belarusian-border-brief-no6-3-january-2022
3 Rede der Präsidentin von der Leyen zur Lage der Union: Die Seele
unserer Union stärken v. 15.9.2021
4 Frontex Files – Der militärisch-grenzpolizeiliche Komplex,
netzpolitik.org v. 5.2.2021,
https://netzpolitik.org/2021/frontex-files-der-militaerisch-grenzpolizeiliche-komplex
5 Frontex and Lithuania agree on service weapons delivered to Frontex
standing corps officers, Frontex v. 9.12.2021
6 Nehammer: Europa geeint für den Schutz der EU-Außengrenze, BMI
Österreich v. 12.3.2020,
https://bmi.gv.at/news.aspx?id=346C5464734B395477594D3D. Auch in
Deutschland erfreuen sich diese Fahrzeuge steigender Beliebtheit.
Rheinmetall liefert ab 2023 insgesamt 55 Survivor R an die Bundespolizei
und Bereitschaftspolizeien, weitere Aufträge sollen folgen. Bislang
werden die Polizeipanzer von Spezialkräften einiger Landespolizeien
genutzt. Sie können mit weiteren Waffen, darunter auch Schallkanonen,
aufgerüstet werden, vgl. Survivor R wird neuer „Sonderwagen 5“, vgl.
www.cilip.de/2021/12/11/bundesinnenministerium-kauft-polizeipanzer-survivor-r-von-rheinmetall
7 Seepiraterie – Deutsche Gegenwehr hilft, Deutsche Welle v. 27.3.2013
8 www.copernicus.eu/de/dienste/sicherheit
9 Monroy, M.: Unbemannte Überwachung der Festung Europa, in: Europäische
Studien zur Außen- und Friedenspolitik 3/2021, S. 12,
https://oezlem-alev-demirel.de/wp-content/uploads/2021/06/Grenzdrohnen-Studie-Monroy.pdf
10 Precisely Wrong, Gaza Civilians Killed by Israeli Drone-Launched
Missiles, HRW v. 30.9.2009,
www.hrw.org/report/2009/06/30/precisely-wrong/gaza-civilians-killed-israeli-drone-launched-missiles#_ftnref14
11 Monroy a.a.O. (Fn. 9), S. 13. Aerostats von CNIM werden u.a. vom
französischen Militär zur Überwachung ihrer Stützpunkte im Sahel
genutzt, vgl. CNIM Soars with New Aerial Coastal Surveillance Solutions,
Navalnews v. 18.10.2020,
www.navalnews.com/event-news/euronaval-2020/2020/10/euronaval-cnim-soars-with-new-aerial-coastal-surveillance-solutions
12 HENSOLDT to support Frontex maritime surveillance project, Hensoldt
v. 26.8.2021
13 Deutsche Technik für den türkischen Drohnenkrieg, netzpolitik.org v.
12.10.2021,
https://netzpolitik.org/2021/raketen-und-sensoren-deutsche-technik-fuer-den-tuerkischen-drohnenkrieg
14 España prepara un nuevo modelo fronterizo para Ceuta y Melilla, El
Pais v. 13.12.2021
15 Greece: New Biometrics Policing Program Undermines Rights, HRW v.
18.1.2022,
www.hrw.org/news/2022/01/18/greece-new-biometrics-policing-program-undermines-rights.
Polizeibeamt*innen sollen mobil und ortsungebunden biometrischen Daten
abnehmen und mit Datenbanken abgleichen können. Finanziert ist das
Vorhaben zu 75% durch den EU-Fonds für Innere Sicherheit.
16 Baird, T.: Interest groups and strategic constructivism:
businessactors and border security policies in the European Union,
Journal of Ethnic and Migration Studies, Vol. 44, No. 1, 2018, DOI:
10.1080/1369183X.2017.1316185, S. 118-136, S. 124
17 ebd., S. 122
18 War starts here, A guided tour about the arms industry lobbying in
Brussels,
https://corporateeurope.org/sites/default/files/publications/war_starts_here.pdf
19 Quaranta, G.: Horizon Europe Cluster 3: Civil Security for Society,
Agenzia per la Promozione della Ricerca Europea, uniroma1.it, 28.5.2021
20 Enhanced security and management of borders, maritime environment,
activities and transport, by increased surveillance capability,
including high altitude, long endurance aerial support,
https://ec.europa.eu/info/funding-tenders/opportunities/portal/screen/
opportunities/topic-details/horizon-cl3-2021-bm-01-01
21 Increased safety, security, performance of the European Border and
Coast Guard and of European customs authorities,
https://ec.europa.eu/info/funding-tenders/opportunities/portal/screen/opportunities/topic-details/horizon-cl3-2021-bm-01-02
22 Improved border checks for travel facilitation across external
borders and improved experiences for both passengers and border
authorities’ staff,
https://ec.europa.eu/info/funding-tenders/opportunities/portal/screen/opportunities/
topic-details/horizon-cl3-2021-bm-01-03
23 Demirel, Ö.; Wagner, J.: DG Defence. „Ministerium für europäische
Verteidigung und Rüstung“, in: IMI-Analyse 2019/39, 19. 12.2019
24 Lasch, C.: Europäische Aufrüstung und Europäischer Verteidigungsfonds
– eine erste Bilanz, in: IMI-Studie 2021/9, 2.12.2021
25 Der Begriff meint innovative Technologien, die ein bestehendes
Produkt, Verfahren oder Dienstleistung ersetzen oder verdrängen.
26 Communication from the Commission to the European Parlament, the
Council, the European Economic and Social Committee and the Commitee of
the Regions, Action Plan on synergies between civil, defence and space
industries v. 22.2.2021
IMI-List - Der Infoverteiler der
Informationsstelle Militarisierung
Hechingerstr. 203
72072 Tübingen
imi@imi-online.de
Sie können die IMI durch Spenden unterstützen oder indem Sie Mitglied werden (http://www.imi-online.de/mitglied-werden/).
Spendenkonto:
IMI e.V.
DE64 6415 0020 0001 6628 32 (IBAN)
bei der KSK Tübingen (BIC: SOLADES1TUB)
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen