Dienstag, 19. April 2022
[IMI-List] [0610] IMI bei den Ostermärschen / Analyse Hunger und Ukraine Krieg / Weitere Texte zum Ukraine-Krieg
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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0610 .......... 25. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos)........ https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste/
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List finden sich
1.) Reden von IMI-ReferentInnen bei den Ostermärschen;
2.) Neue Texte zum Ukraine-Krieg (Neutralität, Waffenlieferungen,
Spangdahlem);
3.) Eine neue IMI-Analyse über Hunger als Folge des Ukraine-Krieges.
1.) IMIs bei den Ostermärschen
Alle Termine und Aufrufe zu den Ostermärschen finden sich beim Netzwerk
Friedenskooperative: https://www.friedenskooperative.de/ostermarsch-2022
Redner*innen der Informationsstelle Militarisierung nehmen an folgenden
Ostermärschen Teil:
SAMSTAG, 16.4.2022:
-- 11 Uhr: Der Ostermarsch München beginnt auf dem Marienplatz, dort
findet ab 13:30 auch wieder die Abschlusskundgebung statt. Dort spricht
u.a. Jacqueline Andres.
-- 12 Uhr: Der Ostermarsch Ulm beginnt vor der Wilhelmsburg-Kaserne.
Pablo Flock von der IMI spricht auf der Abschlusskundgebung auf dem
Hans-und Sophie-Scholl-Platz.
-- 12 Uhr: Der Ostermarsch Mannheim beginnt auf dem Kapuzinerplanken.
Bei der Abschlusskundgebung auf dem Schillerplatz spricht u.a. Tobias
Pflüger.
-- 12 Uhr: Der Ostermarsch Stuttgart beginnt im Oberen Schlossgarten
nahe Hauptbahnhof. Christoph Marischka spricht auf der
Auftaktkundgebung, Claudia Haydt moderiert die Abschlusskundgebung auf
dem Schloßplatz.
-- 12 Uhr: Der Ostermarsch Göttingen beginnt auf dem Wilhelmplatz, dort
Spricht Martin Kirsch von der IMI.
MONTAG, 18.4.2022
-- 11 Uhr: Der Ostermarsch Sachsen-Anhalt findet dieses Jahr in
Burgstall (Ortsteil Dolle) statt. Auftakt ist am Sportplatz, dort findet
auch ab 14 Uhr die Abschlusskundgebung statt, auf der u.a. Jacqueline
Andres spricht.
-- 14 Uhr: Der Ostermarsch Nürnberg beginnt dezentral am
Rosa-Luxemburg-Platz und am Kopernikusplatz, bereits um 12 Uhr in Fürth
(Hiroshima Denkmal) mit Friedensradfahrt nach Nürnberg. Auf der
gemeinsamen Abschlusskundgebung auf dem Kornmarkt in Nürnberg spricht
Christoph Marischka.
Alle Ostermärsche nach Bundesländern:
https://www.friedenskooperative.de/termine-ostermaersche-2022-nach-bundesland
2.) Neue IMI-Texte zum Krieg in der Ukraine
Der Krieg in der Ukraine hält uns leider immer noch im Atem. Seit der
letzten IMI-List erschienen dazu u.a. Auswertungen zu den
EU-Waffenlieferungen über die EU-Friedensfazilität und zur jüngsten
Debatte um schwere Waffen erschienen. Auch eine neue Analyse über die
NATO-Aspirationen der neutralen Staaten Schweden und Finnland wurde
kürzlich veröffentlicht, ebenso wie eine kurze Stellungnahme zur
Verlegung von US-Kampfjets nach Spangdahlem.
IMI-Standpunkt 2022/017 – in: Telepolis, 13.4.2022
Schwere Waffen für die Ukraine: „Raus aus der Eskalationslogik“
Diplomatie statt Waffenlieferungen und Stellvertreterkrieg
https://www.imi-online.de/2022/04/14/13931/
Jürgen Wagner (14. April 2022)
IMI-Analyse 2022/23
Ja zur NATO?
Finnland und Schweden nähern sich Beitritt
https://www.imi-online.de/2022/04/11/ja-zur-nato/
Christina Boger (11. April 2022)
IMI-Standpunkt 2022/16
US-Angriffs-Kampfjets auf Air-Base Spangdahlem verlegt
Russische Luftabwehr kann aus Rheinland-Pfalz gestört werden
https://www.imi-online.de/2022/04/06/us-angriffs-kampfjets-auf-air-base-spangdahlem-verlegt/
Jens Wittneben (6. April 2022)
IMI-Analyse 2022/21
Eine Friedensfazilität für den Krieg
EU-Waffenlieferungen an die Ukraine und das Ende der
Rüstungsexportrichtlinien
https://www.imi-online.de/2022/04/04/eine-friedensfazilitaet-fuer-den-krieg/
Jürgen Wagner (04. April 2022)
3.) IMI-Analyse zum Hunger als Folge des Ukraine-Krieges
IMI-Analyse 2022/22
Hunger am anderen Ende der Welt
Eine globale Folge des Krieges in der Ukraine
https://www.imi-online.de/2022/04/04/hunger-am-anderen-ende-der-welt/
Peter Clausing (4. April 2022)
Die Konsequenzen von Kriegen tragen bekanntermaßen nicht jene, die ihn
angezettelt haben und – im vorliegenden Fall – schon gar nicht jene, die
durch das jahrzehntelange Versagen einer Entspannungspolitik indirekt zu
seinem Ausbruch beigetragen haben und nun auf ein Regime Change beim
Aggressor hoffen, der am 24. Februar 2022 selbst den Versuch eines
Regime Change in seinem Nachbarland startete. Die ukrainische
Bevölkerung ist das Opfer dieses Krieges. Seine Dauer, damit verbundenes
Leid und mit ihm einhergehende Zerstörungen sind nicht absehbar.
Wenig beachtet wird die Bevölkerung eines Landes, dessen Hauptstadt rund
2.400 km Luftlinie von Kiew entfernt ist und das vor rund 10 Jahren mit
einem Regime Change bedacht wurde, die nun zusätzlich und besonders
heftig unter den Folgen des Ukraine-Kriegs zu leiden hat. Die Rede ist
von Libyen, einem Land, das von 2011 bis 2020 von Bürgerkriegen
erschüttert wurde.
Dabei ist – wie unten zu lesen sein wird – Libyen nicht das am
schwersten betroffene Land, was die vom Ukraine-Krieg ausgehenden
Schockwellen für die Welternährung anbetrifft. Aber es ist ein besonders
tragisches Beispiel für das Nicht-zur-Ruhe-kommen unter den Bedingungen
eines krisengeschüttelten Globus. Betrachtet man die Importabhängigkeit
bei Weizen im Kontext des Ukrainekriegs, liegt Libyen – zusammen mit
Pakistan und Tansania – im oberen Mittelfeld. In der Summe kamen 2021
etwas über 50 Prozent der Weizenimporte dieser Länder aus Russland und
der Ukraine, bei Ägypten waren es über 70 Prozent, bei Eritrea 100 Prozent.
Inzwischen dürfte in das öffentliche Bewusstsein vorgedrungen sein, dass
Russland und die Ukraine zu den wichtigsten Produzenten von Weizen,
Gerste und Sonnenblumenkernen bzw. -öl gehören. Beide Länder
zusammengenommen produzieren über die Hälfte der globalen
Sonnenblumenernte. Bei Gerste und Weizen sind es 19 bzw. 14 Prozent.
Hinzu kommt die Abhängigkeit vieler Landwirte von Düngemitteln, bei
denen die Russische Föderation Spitzenplätze unter den Exporteuren
einnimmt – Platz 1 bei Stickstoffdüngern und Platz 2 bei Phosphor und
Kalium. Damit nicht genug, stellt die Synthese von Stickstoffdüngern,
wofür inzwischen weltweit fast ausnahmslos Gas verwendet wird, einen
extrem energieintensiven chemischen Prozess dar. Die hohen Gaspreise
schlugen sich bereits vor Beginn des Krieges in den
Stickstoffdüngerpreisen nieder und eine Störung der Gasversorgung in der
EU hätte auch Folgen für Preise und Verfügbarkeit von Stickstoffdüngern,
deren Produktion an anderen Standorten umso wichtiger würde, wenn
Russland als Exporteur ausfällt. Derzeit ist es aber so, dass der größte
westliche Düngemittelproduzent – das norwegische Unternehmen Yara –
seine Produktion aufgrund der hohen Gaspreise zurückfährt.[1]
Drei Faktoren machen wahrscheinlich, dass es infolge des Krieges zu
einer spürbar geringeren Getreidemenge auf dem Weltmarkt und somit zu
einer massiven Verschärfung der Ernährungssituation in jenen Ländern
führen wird, die von Getreideimporten abhängig sind: ungeerntete
Flächen, unbestellte Flächen und geringere Erträge. Hinzu kommen
logistische Probleme und die Folgen von Sanktionen. All diese Aspekte
wurden in einer 40-seitigen Studie[2] der Welternährungsorganisation
(FAO) beleuchtet, die Anfang März 2022 publiziert wurde.
In Russland und in der Ukraine wird das Wintergetreide in der Regel im
Juni und Juli geerntet. Ab April wächst diese Aussaat und es müsste
gedüngt werden. Zur gleichen Zeit beginnt die Periode der Aussaat von
Sommergetreide und Sonnenblumen. Aussaat und Ernte, aber auch die
Düngung und Behandlung mit Pestiziden in der Ukraine dürften durch die
kriegsbedingte Zerstörung von Äckern, durch die fehlende Zugänglichkeit
der Äcker aufgrund von Kampfhandlungen und durch das Fehlen von
Arbeitskräften, die zum Militärdienst eingezogen wurden, beeinträchtigt
werden. Hinzu kommt bei Stickstoffdünger, der sich auch zur Herstellung
von Sprengstoff eignet, dass er für militärische Zwecke abgezweigt
werden könnte. Die FAO schätzt, dass in der Ukraine 20 Prozent des
Wintergetreides nicht geerntet werden und dass 30 Prozent der Felder
unbestellt bleiben könnten. Ein großer Teil der ukrainischen
Getreideexporte wird normalerweise über die Schwarzmeerhäfen abgewickelt
wird, insbesondere für die Exporte in den Nahen Osten und nach
Nordafrika. Diese Häfen stehen derzeit jedoch nicht zur Verfügung. Auf
der russischen Seite sind es vor allem Handelssanktionen, die zu einem
verringerten Angebot an Getreide auf dem Weltmarkt führen könnten.
Bezüglich des Sonnenblumenöls schätzt die FAO ein, dass dies – im
Gegensatz zu Getreide – durch andere Ölfrüchte (Raps, Soja etc.)
leichter ersetzt werden könne.
Schon 2021 hatte der Food Price Index der FAO, in den die
Weltmarktpreise von 95 Agrarrohstoffen und Nahrungsmitteln
einfließen,[3] den Wert von 2008, als es in 39 Ländern zu „Brotrevolten“
kam,[4] deutlich überschritten. Während der Index im Jahr 2008 bei 117,5
lag, kletterte er 2021 auf 125,7. Dass es keine neuen Brotrevolten gab,
bei denen in der Regel die städtische Bevölkerung der betroffenen Länder
erschwingliche Lebensmittelpreise einfordert, war vor allem auf
staatliche Subventionen zurückzuführen.
Preistreibend wirkte im vorigen Jahr vor allem die Preisentwicklung bei
Energierohstoffen. Selbst in Deutschland hatte das schon vor Ausbruch
des Ukraine-Krieges zu rund fünf Prozent höheren Lebensmittelpreisen
geführt. Der Präsident des Handelsverbands Deutschland, Josef
Sanktjohanser, rechnet mit einer zweiten Welle an Preissteigerungen in
Deutschland, die dann „sicherlich zweistellig“ ausfallen werde.[5]
Es gibt berechtigte Zweifel, dass finanziell angeschlagene Länder, die
infolge von Klimawandel und Corona-Krise schon in den Jahren zuvor
extrem belastet wurden, die Preissteigerungen bei Lebensmitteln
abpuffern können. In einem Arbeitspapier der Bundesakademie für
Sicherheitspolitik[6] wird von „schwindender staatlicher Stabilität im
Nahen und Mittleren Osten“ (angesichts der realen Situation ein
Euphemismus) gesprochen. Die Autoren des Papiers betrachten Ägypten,
Jordanien, Libanon, Libyen und Tunesien als Länder, die vor inneren
Unruhen stehen würden, weil sie „signifikant von Nahrungsmittelimporten
abhängig sind“.
Modellrechnungen der FAO zufolge wird sich die Zahl der unterernährten
Menschen weiter erhöhen. Diese Zahl steigt bereits seit mehreren Jahren
wieder an (2019: 799 Mio.; 2020: 814 Mio.; 2021: 817 Mio). Im Jahr 2022
erwartet die FAO zusätzlich zwischen 7,6 (mittleres Szenario) und 13,1
Millionen Menschen (worst case) in dieser Kategorie.
In einem gemeinsam veröffentlichten Papier von FAO und
Welternährungsprogramm (WFP)[7] wurden die Hunger-Hotspots für die Zeit
von Februar bis Mai 2022 identifiziert. Das sind Länder, in denen Teile
der Bevölkerung von akuter Hungerkrise und damit verbunden Hungertod
bedroht sind. Das sind Äthiopien, Jemen, Südsudan und – in den Medien
kaum beachtet – Nigeria. Hinzu kommen die „Besorgnis erregenden“ Länder
Afghanistan, Demokratische Republik Kongo, Haiti, Honduras, Sudan,
Syrien und die Zentralafrikanische Republik. Viele dieser Länder sind
von einer WFP-Unterstützung abhängig. Aber die Lieferungen des WFP
müssen auf dem Weltmarkt eingekauft werden. Das sind in der Tat düstere
Aussichten.
Wenn hohe Lebensmittelpreise auf Haushalte mit geringer Kaufkraft
treffen, hat das auch bei Menschen, die nicht von einer akuten
Hungerkrise bedroht sind, negative Konsequenzen – selbst in Deutschland.
Um das Essen zu finanzieren, wird dann bei Ausgaben für Heizung, Bildung
und Gesundheit gespart.
Die Dringlichkeit, den Ukraine-Krieg zu beenden, besteht also nicht nur
mit Blick auf die unmittelbar betroffene Bevölkerung in diesem Land,
sondern auch aufgrund der schwerwiegenden Auswirkungen auf Millionen von
Menschen, die Tausende Kilometer entfernt vom Krisenherd leben.
Diplomatie ist die einzige Lösung.
Anmerkungen
[1] „Yara curtails production due to increased natural gas prices“,
Pressemitteilung vom 9.3.2022, www.yara.com.
[2] FAO: The importance of Ukraine and the Russian Federation for global
agricultural markets and the risks associated with the current conflict,
verfügbar unter: www.reliefweb.int.
[3] FAO Food Price Index (04/03/2022), www.fao.org.
[4] Klaus Pedersen: Food Riots sind keine „chaotischen Gewaltausbrüche“,
IMI-Analyse 2010/006, AUSDRUCK (Februar 2010), www.imi-online.de.
[5] „Lebensmittel werden noch teurer – bei Aldi schon ab Montag“,
Meldung im Deutschlandfunk vom 4.3.2022, www.deutschlandfunk.de.
[6] Stefan Lukas / Marius Paradies: Düstere Aussichten für den Nahen
Osten: Russlands Angriffskrieg und seine Folgen für die regionale
Ernährungssicherheit, BAKS-Arbeitspapier 2/22, www.baks.bund.de.
[7] FAO/WFP: Hunger Hotspots February to May 2022 Outlook, docs.wfp.org.
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