Freitag, 9. August 2024
[IMI-List] [0659] Artikel: Haushalt 2025-2028 / Neue Audios / Grüne Kriegswirtschaft
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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0659 – 27. Jahrgang
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List finden sich
1.) Hinweise auf neue Beiträge auf der IMI-Internetseite, u.a. Audios
zur Wehrpflichtdebatte und zum Magazin-Schwerpunktgespräch sowie ein
Artikel über „grüne“ Kriegswirtschaft.
2.) ein Artikel zu den ersten vorliegenden Zahlen der Militärausgaben
2025 und den Planungen bis 2028;
1.) Neue Beiträge auf der IMI-Internetseite
IMI-Mitteilung
Audio: Überblick über die Wehrpflicht-Debatte
Das IMI lädt ein vom 2.7 zum Nachhören
https://www.imi-online.de/2024/07/04/audio-ueberblick-ueber-die-wehrpflicht-debatte/
(4. Juli 2024)
IMI-Mitteilung
Audio: Schwerpunktgespräch mit Death in Custody
Die Onlineveranstaltung vom 24. Juni zum Nachhören
https://www.imi-online.de/2024/07/03/audio-schwerpunktgespraech-mit-death-in-custody/
(3. Juli 2024)
IMI-Standpunkt 2024/13
Batteriezellen und die „grüne“ Kriegswirtschaft
https://www.imi-online.de/2024/06/27/batteriezellen-und-die-gruene-kriegswirtschaft/
Christoph Marischka (27. Juni 2024)
2.) Artikel: Militärausgaben 2025 bis 2028
Am Freitag einigten sich die Ampel-Spitzen unter anderem auf den Entwurf
für den Haushalt 2025 und die Finanzplanung bis 2028, es folgt eine
erste Auswertung (eine Reihe Details sind noch offen):
IMI-Standpunkt 2024/14
Militärausgaben 2025-2028: Rüstung außer Rand und Band
https://www.imi-online.de/2024/07/08/militaerausgaben-2025-2028-ruestung-ausser-rand-und-band/
Jürgen Wagner (8. Juli 2024)
Nun liegen sie also vor, die ersten Zahlen für den Verteidigungshaushalt
2025 und insbesondere die für die Mittelfristige Finanzplanung, die nun
bis 2028 und damit erstmals über die Laufzeit des
Bundeswehr-Sondervermögens hinausreicht. Dabei bestätigen sich die schon
länger vorhandenen schlimmsten Befürchtungen, dass der Militärhaushalt
ab 2028 spektakulär erhöht werden soll, um auch ohne Sondervermögen
Ausgaben in Höhe von mindestens 2 Prozent des Bruttoinlandproduktes
(BIP) zu gewährleisten. Die Antwort auf die Frage, woher das Geld
hierfür kommen soll, bleiben die Ampelpolitiker*innen bislang zumindest
noch schuldig. Das hält sie aber nicht davon ab, mit Großbestellungen,
deren Löwenanteile erst ab 2028ff. fällig werden, schon heute Fakten zu
schaffen und so einer ohnehin relativ unwahrscheinlichen Rolle rückwärts
bei der Rüstung von vorneherein jegliche Spielräume zu entziehen.
2%-Ziel: Nibelungentreue
Die Ampel-Regierung hat sich auf Gedeih und Verderb dem
NATO-Ausgabenziel von mindestens 2 Prozent des BIP verschrieben. Wie
alle anderen Bündnismitglieder stimmte sie der Abschlusserklärung des
NATO-Gipfels in Vilnius vom Juli 2023 zu, in der es hieß: „Wir
verpflichten uns dazu, jährlich mindestens 2 Prozent des BIP für die
Verteidigung auszugeben [um] die neuen NATO-Verteidigungspläne und das
Streitkräftemodell mit Ressourcen auszustatten.“
(Vilnius-Abschlusserklärung, Ziffer 27) Kurz darauf legte Kanzler Olaf
Scholz gegenüber der Truppe nach, als er bei der Bundeswehr-Tagung
vergangenes Jahr versicherte: „Wir werden dauerhaft diese zwei Prozent
gewährleisten, die ganzen 20er-Jahre über, die 30er-Jahre. Diese Zusage
gilt.“ (Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundeswehrtagung, 10.11.2023)
Unüberhörbar weist die Bundesregierung jeden der es wissen will darauf
hin, das 2%-Ausgabenziel werde in diesem Jahr erstmals erreicht. Nach
mehrfachen Erhöhungen vor allem bei den Waffenlieferungen an die Ukraine
werden sich die deutschen Militärausgaben laut Schätzungen der NATO in
diesem Jahr auf 90,58 Mrd. Euro summieren (2,12 Prozent des BIP). Die
Summe setzt sich zusammen aus dem offiziellen Verteidigungshaushalt von
51,95 Mrd. Euro, hinzu kommen 19,8 Mrd. aus dem Sondervermögen und 18,83
Mrd. Euro nach NATO-Kriterien (militärrelevante Ausgaben aus anderen
Haushalten, v.a. für Waffenlieferungen an die Ukraine). Zieht man die
NATO-Daten heran, so sind die deutschen Militärausgaben seit 2014 (37,74
Mrd. Euro) damit um knapp 250 Prozent gestiegen!
Haushalt 2025: Spin an der Grenze zu Fake News
Trotz der massiven Zugewinne scheint es interessierten Kreisen aus
Politik, Rüstungsindustrie und Militär nie genug zu sein. Verfolgt man
die aktuelle Berichterstattung über die Ampel-Einigung zum
Verteidigungshaushalt 2025, so könnte man meinen, Verteidigungsminister
Boris Pistorius sei kolossal über den Tisch gezogen worden. Überall
springen einem Titel wie die „Bundeswehr erhält deutlich weniger Geld
als erhofft“ (Business Insider, 5.7.2024), "Die Truppe ist größtenteils
schockiert" (Tagesschau, 7.7.2024), „Pistorius verliert heftigen
Milliarden-Poker“ (Bild, 4.7.2024) oder „Pistorius bezeichnet
Haushaltseinigung als ‚ärgerlich‘“ (FAZ, 8.7.2024) ins Auge.
Tatsächlich hatte Pistorius im Vorfeld eine Erhöhung von rund 6,5 Mrd.
Euro gefordert, die er in dieser Form nicht erhielt. Was er aber bekam,
waren zusätzlich 1,2 Mrd. Euro (teils ist auch von 1,25 Mrd. Euro die
Rede, viele Details sind noch nicht endgültig ausgeplant). Bei einem
Gesamthaushalt, der mit 481 Mrd. Euro lediglich 4,2 Mrd. Euro über dem
des Vorjahres (476,8 Mrd. Euro) liegen soll, kann er sich aber
eigentlich über den Anstieg gewiss nicht beklagen.
Damit steigt der Verteidigungshaushalt auf 53,15 Mrd. Euro, wobei nicht
vergessen werden sollte, dass auch in diesem Jahr wohl zwischen 20 und
25 Mrd. Euro aus dem Sondervermögen sowie 15 bis 20 Mrd. nach
NATO-Kriterien hinzuaddiert werden müssen. Wie gesagt, viele Details
sind noch offen, alles geht jetzt in die Feinausplanung, einen
Kabinettsbeschluss soll es am 17. Juli geben, damit sich nach der
Sommerpause das Parlament mit dem Haushaltsentwurf befassen kann.
Showdown 2028
Ohne die Gelder aus dem – schuldenfinanzierten – Sondervermögen, wäre
die Bundeswehr vom Erreichen des 2%-Ausgabenziels meilenweit entfernt.
Deshalb ist schon länger die Frage was passieren soll, wenn das
Sondervermögen 2027 aufgebraucht sein wird. Die im Juli 2023 vorgelegte
Mittelfristige Finanzplanung sah für 2027 einen Verteidigungshaushalt
von 51,9 Mrd. Euro vor. Schätzungen der Bundesregierung werden sich 2
Prozent des BIP im Jahr 2028 aber auf 97 Mrd. Euro belaufen (und die
Bundeswehr hat vorsorglich schon einmal einen zusätzlichen Bedarf von
noch einmal 10,8 Mrd. Euro angemeldet).
Vor diesem Hintergrund stellen sich zwei drängende Fragen: a) Soll
dieses irrwitzig hohe Ausgabenniveau tatsächlich auch nach dem
Sondervermögen beibehalten werden; und b) sollte dies der Fall sein,
woher dann die Gelder stammen sollen – immerhin geht es hier um eine
gigantische Deckungslücke. Nachdem die neue Mittelfristige Finanzplanung
erstmals den Zeitraum nach dem Sondervermögen umfasst, ist nun die
Antwort auf die erste Frage bekannt: „Es geht um eine starke
Verteidigung und eine starke Bundeswehr. Deutschland wird das
Zwei-Prozent-Ziel der Nato in jedem Jahr voll erfüllen. Von 2028 an,
wenn das Sondervermögen komplett ausgegeben ist, wird der reguläre
Verteidigungshaushalt 80 Milliarden Euro umfassen.“ (Pressekonferenz zum
Haushalt 2025, 5.7.2024)
Zusammen mit den Ausgaben nach NATO-Kriterien dürfte das 2%-Ausgabenziel
so tatsächlich erreicht werden - woher allerdings dann die Gelder dafür
stammen sollen, ist weiterhin völlig unklar: „Auf welche Weise der
Einzelplan 14 dann im Jahr 2028 auf 80 Milliarden Euro gesteigert werden
soll, wird Aufgabe der nächsten Bundesregierung sein.“ (hartpunkt.de,
5.7.2024) Es ist allerdings nicht so, als stünden hierfür jede Menge
Optionen zur Verfügung: „Tatsächlich sind die Möglichkeiten
überschaubar, die Lücke auf Dauer zu schließen: Schulden, Sparen,
Steuererhöhungen - oder zumindest höhere Steuereinnahmen.“ (Spiegel
Online, 7.7.2024)
In Teilen der Grünen und der Sozialdemokratie wird für eine neuerliche
Aussetzung der Schuldenbremse, also eine Art Sondervermögen II geworben.
Dafür bräuchte es aber die Zustimmung der Union, die dies (und auch
Steuererhöhungen) ebenso wie die FDP bislang kategorisch ablehnt. Durch
die uneingeschränkten Bekenntnisse zum 2%-Ausgabenziel haben sich SPD
und Grüne aber hier – ob gewollt oder ungewollt, lässt sich schwer
einschätzen – in eine katastrophale Verhandlungsposition
hineinmanövriert. Denn sollten Union und FDP weiter Steuererhöhungen
oder Schulden blockieren, haben sie sich des Druckmittels beraubt, sich
in diesem Fall vom 2%-Ziel zu verabschieden. Es spricht also einiges
dafür, dass sich diejenigen werden durchsetzen können, die dafür
plädieren, die Gelder durch haushaltsinterne Umschichtungen („sparen“)
aufzubringen – mit potentiell katastrophalen Folgen.
Handlungsdruck: Ungedeckte Schecks
Als weiteren Teilerfolg kann sich Verteidigungsminister Pistorius auf
die Fahne schreiben, dass er auch künftig einen Freifahrtschein erhält,
nahezu beliebig mit ungedeckten Schecks auf Einkaufstour zu gehen. Große
Rüstungsprojekte haben häufig jahre- wenn nicht gar jahrzehntelange
Laufzeiten – auch die Bezahlung erfolgt dementsprechend meist
gestaffelt. Das ist besonders dann ein Problem, wenn die künftig zu
entrichtenden Gelder haushälterisch noch überhaupt nicht abgesichert
sind und im Volumen immer weiter zunehmen. Beim Fachblog Augengeradeaus
wird bereits von einem neuen „Rüstungs-Trend“ gesprochen: „Große
Beschaffungen für die Bundeswehr werden durch den Haushaltsausschuss des
Bundestages geschleust, ob für Panzer, Fregatten oder Munition. Den
meisten Projekten ist eines gemeinsam: Damit werden Ausgaben gebilligt,
die Jahre in der Zukunft erst im Haushalt fällig werden – auch wenn
niemand bislang sagen kann, wie der Etat zum Ende des Jahrzehnts
aussehen wird.“ (Augengeradeaus, 25.6.2024)
Dementsprechend hat die Zahl dieser sogenannten
Verpflichtungsermächtigungen in den letzten Jahren stetig zugenommen,
besonders in diesem Jahr wurde hier ordentlich erhöht: „Neben einer
Vielzahl kleinerer Änderungen und der Anpassung an Bedarfe sind zudem
Verpflichtungsermächtigungen in Milliardenhöhe ausgebracht worden […].
Diese Verpflichtungsermächtigungen sind teilweise als
Anschlussfinanzierung ab 2028 für Projekte aus dem Sondervermögen
Bundeswehr gedacht. Die Verpflichtungsermächtigungen in dem Etat liegen
nunmehr bei 49,04 Milliarden Euro. Das sind 7,22 Milliarden Euro mehr
als im Regierungsentwurf.“ (Heute im Bundestag 42/2024)
Es spricht vieles dafür, dass sich dieser Trend fortsetzen, ja
wahrscheinlich sogar weiter beschleunigen wird: „Nach Informationen der
WirtschaftsWoche arbeiten die Beamten im Berliner Bendlerblock im großen
Stil an solchen Rüstungsbestellungen, deren Kosten weder durch das
100-Milliarden-Sondervermögen der Bundeswehr noch durch den laufenden
Haushalt gedeckt sind. Koalitionskreise sprechen von Einkaufswünschen in
Höhe von 28 Milliarden Euro, deren Finanzierung Stand heute völlig
ungeklärt bleibe. […] ‚Das Klarna-Prinzip der deutschen Beschaffung:
Heute kaufen, später bezahlen‘, erklärt ein Abgeordneter.“
(Wirtschaftswoche, 20.6.2024)
Frank und frei räumte Verteidigungsminister Boris Pistorius auf Kritik
an dieser Praxis ein, dass der Einkauf auf Pump nun zur gängigen Methode
des Verteidigungsministeriums geworden ist: „Wir melden jetzt nicht an,
was wir uns anhand der Kassen leisten können, sondern wir melden das an,
was wir für die Verteidigungsfähigkeit des Landes brauchen und sehen
dann, was wir durchkriegen, auch auf der Grundlage – das ist ein
unverzichtbares und wichtiges Instrument – von sogenannten
Verpflichtungsermächtigungen. Diesen Weg sind wir konsequent gegangen.“
(Europäische Sicherheit & Technik, 4.7.2024)
Kanonen statt Butter: Asoziale Debatte
Eiskalt beharrt Finanzminister Christian Lindner darauf, steigende
Militärausgaben müssten haushaltsintern besonders durch Kürzungen bei
den Sozialausgaben aufgebracht werden. Unterstützung erhält er hierfür
zum Beispiel aus den Reihen der großen deutschen Wirtschaftsinstitute.
So warb Clemens Fuest, der Präsident des ifo-Instituts, bereits vor
einer Weile mit folgendem Spruch für höhere Militärausgaben: „Kanonen
und Butter – das wäre schön, wenn das ginge. Aber das ist
Schlaraffenland. Das geht nicht. Sondern Kanonen ohne Butter.“ (siehe
IMI-Aktuell 2024/139) Kurz darauf sprang ihm Moritz Schularick, der Chef
des Instituts für Weltwirtschaft Kiel, zur Seite, der bei Spiegel
Online, (28.3.2024) unter dem Titel „Wir müssen aufrüsten für den
Wohlstand“ unter anderem „harte Budgetentscheidungen zwischen ‚Kanonen
und Butter‘“ forderte. Und zuletzt schwadronierte der Chef des Instituts
der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, u.a. in der Welt
(5.7.2024): „Der Sonderfonds für die Bundeswehr beträgt 100 Milliarden
Euro. Das reicht nicht aus […] Wir benötigen eine Aufstockung auf 250
bis 300 Milliarden Euro. Nur so erreichen wir eine kriegstüchtige
Ausstattung unserer Armee.“
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