Montag, 18. Februar 2013
Politischer Dialog, statt Stellvertreterkrieg in Syrien
http://www.imi-online.de/download/feb13_haydt.pdf
http://www.imi-online.de/2013/02/07/politischer-dialog-statt-stellvertreterkrieg-in-syrien/
von Claudia Haydt
Zwei internationale Syrien-Konferenzen fanden Ende Januar 2013 parallel
statt; eine in Genf und eine in Paris; die eine auf Einladung des
französischen Außenministers Laurent Fabius und die andere auf Einladung
einer norwegischen NGO. An beiden Orten traf sich die syrische
Opposition. Der Inhalt der Konferenzen hätte jedoch kaum
unterschiedlicher sein können. Die Weltpresse bot der in Paris
geäußerten Forderung von Oppositionsvertretern nach besserer Bewaffnung
und mehr westlicher Unterstützung eine breite Plattform. Die Europäische
Union erwägt in Folge dessen eine Lockerung des Waffenembargos gegen
Syrien, um die Opposition noch besser ausrüsten zu können (dapd,
31.01.2013)[1]. Die trotz aller Hindernisse zahlreich versammelten
Oppositionsvertreter in Genf hatten andere Prioritäten: Sie sprachen
sich mehrheitlich für ein Ende der Gewalt und den Einstieg in einen
politischen Prozess aus.
Unter dem Motto “For a Democratic Syria and a Civilian State”[2] traf
sich in Genf am 28./29. Januar 2013 ein breites Spektrum der
demokratischen Opposition. Die wesentlichen Organisatoren stehen dem
„Koordinationskomitee für demokratischen Wandel in Syrien (NCB)“, einem
Zusammenschluss linker Oppositionsgruppen nahe. Unter den Teilnehmern
waren jedoch auch demokratisch islamische Kräfte und solche, die die
Freie Syrische Armee unterstützen. Unter ihnen waren sowohl Exil-Syrer,
als auch Oppositionsvertreter, die direkt aus Syrien angereist waren.
Mindestens ein Oppositionsvertreter konnte nicht an der Konferenz
teilnehmen, da er von Vertretern des Assad-Regimes verhaftet worden war.
Mehr als 60 Personen konnten nicht in die Schweiz einreisen, da ihnen
von den Schweizer Behörden ein Visum verweigert wurde.
Die Konferenz wurde von der UN unterstützt und UN-Vertreter nahmen als
Beobachter teil. Ein solcher organisatorischer Rahmen sorgt in der Regel
dafür, dass die Erteilung von Visa weitestgehend problemlos verläuft.
Die Organisatoren vermuteten, dass die restriktive Visaerteilung auf
Druck Frankreichs zustande kam. Einige der Syrer konnten wenigstens noch
über Skype mit ihren Redebeiträgen zugeschaltet werden. Da aber, wie bei
den meisten Konferenzen, das Wichtigste in den Pausen und am Rande der
Konferenzen stattfindet, war die Abwesenheit von wichtigen Personen ein
ernsthaftes Problem für die Dynamik der Konferenz.
Haytham Manna, Leiter der Genfer Konferenz und Auslandssprecher des NCB,
machte in seiner Eröffnungsrede klar, dass der brutale Bürgerkrieg den
sozialen Zusammenhalt in Syrien dauerhaft zerstört und dass das Ziel,
Assad zu beseitigen, nicht jedes Mittel rechtfertigt. Die Wahl der
Mittel formt die Zukunft: “Es gibt keinen einzigen Fall eines
militärischen Sieges in einer vergleichbaren Situation, der nicht die
Saat des Extremismus, der Vernichtung und der Rache in sich trug. Wir
haben vor den Folgewirkungen der Gewalt auf den sozialen Zusammenhalt,
den sozialen Frieden und die Einheit Syriens gewarnt und werden dies
auch weiterhin tun.”[3] Lakhdar Brahimi, der UN-Sonderbeauftragte für
Syrien, äußerte am 29.01.2013 sinngemäß das Gleiche in einem internen
Bericht an den UN-Sicherheitsrat: „Das Land bricht vor den Augen aller
auseinander; es gibt keine militärische Lösung für diesen Konflikt –
wenigstens keine, die nicht Syrien vollständig zerstört.“[4]
Die in Genf versammelten Oppositionsvertreter stützten diese
Einschätzung. „Es gibt kein Syrien mehr, nur noch viele Mini-Syrien“
beschrieb ein Teilnehmer, der sich und die Anwesenden fragte: „Woher
kommt dieses Ausmaß der Gewalt, nicht nur zwischen Regierungstruppen und
Opposition, sondern auch zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen?“.
Nahezu alle Teilnehmer schilderten, dass die Dynamik des Konfliktes
nicht mehr von Syrern bestimmt werde, sondern von zahlreichen externen
Akteuren mit gesteuert werde. Immer wieder war die Rede von einem
Stellvertreterkrieg, der in Syrien tobe. Damit war im engeren Sinne der
Iran auf der einen und die Golfstaaten auf der anderen Seite gemeint;
aber auch die geostrategischen Machtkämpfe der Türkei, Israels,
Russlands, der USA, Frankreichs und der anderen NATO-Staaten. Während
der zweitägigen Konferenz äußerte keiner der Anwesenden die Ansicht,
dass mehr Waffen für die Opposition eine Lösung wären. Im Gegenteil
befürchteten die Meisten, dass noch mehr Waffen zu weiterer Eskalation
führen würden. Alle sprachen sich gegen eine militärische Intervention
aus und machten zudem klar, dass die internationalen Sanktionen vor
allem die Bevölkerung treffen. Nach 22 Monaten Bürgerkrieg ist
offensichtlich, dass weder das Regime, noch die Opposition die Oberhand
behalten können; beide weder gewinnen noch verlieren können und im
erbitterten Kampf das gesamte Land zerstört wird.
Um die Zukunft Syriens wieder in die Hand der syrischen Bevölkerung
legen zu können, wurde am Ende der Konferenz ein Aktionsplan für die
Einleitung eines politischen Prozesses besprochen und damit auch ein
politischer Rahmen für Gespräche mit der Assad-Regierung geschaffen. Die
so genannte „Genfer-Erklärung“[5] fordert unter anderem einen
gleichzeitigen Waffenstillstand von Regierung und Opposition und die
„Einleitung eines politischen Prozesses durch Verhandlungen zwischen der
Opposition und dem Regime“. Interessant ist, dass gegen den Widerstand
aus seinen eigenen Reihen auch der Vorsitzende des unter westlichem
Druck in Doha geschmiedeten Oppositionsbündnisses „Syrische Nationale
Koalition“, Ahmed Moas Al-Chatib, zwischenzeitlich zu Verhandlungen
aufgerufen hat (afp, 04.02.2013). Er forderte die syrische Regierung
explizit auf, den Vize-Präsidenten Faruk Al-Shara als
Verhandlungspartner zu benennen.
Dass diese Vorschläge Al-Chatibs auch auf der Münchner
Sicherheitskonferenz diskutiert wurden, ist kaum ein Grund zur Hoffnung.
Wesentliche externe Kräfte, namentlich die US-Administration, Frankreich
und die Golfstaaten, gehen zwischenzeitlich auch von der
schlussendlichen Notwendigkeit von Verhandlungen aus, allerdings erst
nachdem zuvor durch massive militärische Unterstützung der Opposition,
deren Verhandlungsposition gestärkt wurde. Von Roger Cohen in der New
York Times wird diese militärische Unterstützung auch als „aggressives
Trainings- und Bewaffnungsprogramm“ beschrieben, das zu zahlreichen
weiteren Toten und zu einer Vertiefung des Bürgerkriegs führt. Diese
Folge scheint westlichen Machtstrategen egal zu sein. Die Genfer
Erklärung will deswegen einen politischen Verhandlungsprozess, der
sofort beginnt, nicht erst nach einem hypothetischen Sieg und nach noch
mehr Leid und Zerstörung.
Anmerkungen
[1]
http://www.welt.de/newsticker/news3/article113280010/EU-erwaegt-Lockerung-des-Waffenembargos-zur-Staerkung-der-Assad-Gegner.html
.
[2] http://syic.wordpress.com.
[3]
http://syic.wordpress.com/2013/02/02/violence-and-democracy-in-syria-haytham-manna/
(Übersetzung C.H.).
[4] Roger Cole, Intervene in Syria, NYT, 04.02.2013 (Übersetzung C.H.).
[5] http://syic.wordpress.com.
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