Dienstag, 5. September 2023
Baden-Württemberg Nächtliches Verbot von Musikboxen und Instrumenten in Parks
Am Dienstag, dem 17. Mai, hatte der Freiburger Gemeinderat eine neue Parkanlagensatzung beschlossen. In dieser wird festgelegt, dass in den Parks zwischen 23 und 6 Uhr ein Verbot der Nutzung von Bluetoothboxen und Musikinstrumenten verhängt wird. Das Verbot gilt in allen Freiburger Parks, die Sternwaldwiese und der Eschholzpark ausgenommen. Begründet wird diese neue Satzung mit der angeblichen enormen Lärmbelästigung, welche durch die feiernden Jugendlichen zumindest laut der Stadt in großem Maße besteht. Dabei wird argumentiert, dass diese neue Regelung das Interesse der Anwohner widerspiegele und für gegenseitige Rücksichtnahme sorgen soll. Doch den Jugendlichen ihre Plätze zu nehmen, an welchen sie billig und selbstbestimmt ihre Abende verbringen können, ist offen gesagt nicht sonderlich rücksichtsvoll.
Natürlich ist es legitim, dass Menschen nicht damit einverstanden sind, wenn vor ihrer Haustüre lautstark wilde Partys gefeiert werden, während sie zuhause Kinder am schlafen haben oder sie vielleicht am nächsten Tag früh zur Arbeit müssen, genauso wie es auch legitim ist, dass Jugendliche fordern, dass sie Orte zum feiern haben. Wenn man durch feiernde Jugendliche gestört wird, ist der richtige Umgang damit nicht, in typisch deutscher Manier die Bullen gegen die Jugendlichen zu rufen, sondern einfach rauszugehen und mit diesen zu sprechen. Und wenn freundlich darum gebeten wird, wird in der Regel auch die Musik leiser gemacht oder die Feiernden gehen woanders hin. Dieser Widerspruch ist ein Widerspruch im Volk, und solche Widersprüche sind durch miteinander sprechen auf Augenhöhe und gegenseitiges Verständnis durchaus lösbar.
Doch diesen Widerspruch zu lösen, darum geht es der Stadt auch gar nicht. Vielmehr schürt sie diesen und nutzt ihn aus, um bestimmte Interessen durchzusetzen. Anstatt solidarischen Umgang miteinander und den gegenseitigen Austausch in den Vierteln zu fördern, wird einfach die Polizei geschickt, um mit Zwang gegen die Jugend vorzugehen. Tatsächlich ist der Grund für jene neue Regelung auch in erster Linie nicht, die Anwohner verschiedener Gebiete vor Lärmbelästigung zu schützen, sondern die Freitag- und Samstag-Abende der feiernden Jugendlichen profitabel zu verwerten. Anstatt im Freien zu feiern und dabei weniger Geld auszugeben, sollen die Leute lieber in die Stadt feiern gehen und dort ihr ganzes Geld in irgendeiner viel zu teuren Disco ausgeben. Dafür wird ihnen das Feiern im Freien immer unangenehmer gemacht, und diejenigen, die kein Geld für die teure Innenstadt haben, haben nun mal Pech gehabt, denn in diesem System zählt nur, was verwertet werden kann.
So arbeitet die Stadt Freiburg in den letzten Jahren vermehrt sehr aktiv daran, der Jugend an ihren Sommerwochenenden immer mehr Steine in den Weg zu legen. So wurde 2018 das Grillen am belebten Seepark, welcher vor der Studentensiedlung liegt, verboten. Seit dem letzten Jahr finden dort auch vermehrt Polizeikontrollen gegen feiernde Jugendliche statt. Im Jahr 2021 wurde der Freiburger Späti, ein Ort, an welchem man sich auch nachts billig alkoholische und nicht-alkoholische Getränke kaufen konnte, von der Stadt zum Schließen gezwungen. Am Platz der alten Synagoge, ein belebter, an den Wochenenden im Sommer stark befüllter Platz mitten in der Stadt, ging die Polizei in den letzten Jahren mehrere Male brutal gegen feiernde Jugendliche vor und räumte den Platz gewaltsam. Da sich Jugendliche gegen die Angriffe der Polizei zur Wehr setzten, wird der gesamte Platz nun rundum Videoüberwacht, um zukünftig jede Form von widerständigem Handeln sofort mit Repression überziehen zu können.
Repression ist hierbei das Schlüsselwort, denn insbesondere zum aktuellen Zeitpunkt geht die Polizei wieder sehr repressiv gegen die Jugend vor. Gegen das Musikboxenverbot leisteten mehrere Jugendliche in einer gewissen Art und Weise Widerstand durch „Protest-Cornern“, zu welchem in den sozialen Medien aufgerufen wurde und welchem sich dann spontan von vielen Jugendlichen angeschlossen wurde. Die Art und Weise dieses Widerstandes hat auf den ersten Blick keinen absolut klaren politischen Charakter und ist meist nicht sonderlich kämpferisch. Mehrere Jugendliche treffen sich an irgendeinem öffentlichen Ort und feiern dann gemeinsam. Eigentlich keine sonderlich staatsgefährdende Handlung, sollte man denken. Doch die Freiburger Polizei sieht dies scheinbar anders. Am Freitag, dem 16. Juni, trafen sich mehrere hundert Personen zu einem spontanen Konzert im Freiburger Stadtgarten, welches unter dem Motto „Musik und Kultur lassen sich nicht verdrängen, Hip Hop bleibt widerständig“ organisiert wurde.
Die Polizei stürmte den Park mit einem massiven Polizeiaufgebot, beschlagnahmte mithilfe hochgerüsteter Anti-Aufstandseinheiten (sogenannte Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten, BFE) gewaltsam die Lautsprecherboxen und den Lautsprecherwagen. Als sich anschließend aus den Menschenmassen heraus eine Spontandemonstration durch die Stadt bildete, versuchten die Bullen mehrere Male, diese zu stoppen, was ihnen allerdings nicht gelang.
Für den nächsten Tag, Samstag, den 17. Juni, wurde zu einer „Nachttanzdemo“ für Freiräume und gegen Verdrängung aufgerufen. Die Stadt Freiburg ließ diese (ähnlich wie kürzlich in Leipzig geschehen) durch eine Allgemeinverfügung einige Tage zuvor verbieten. Scheinbar waren die Ereignisse am Vorabend wohl dazu gedacht, die Menschen für den nächsten Tag einzuschüchtern, denn am Samstag besetzten die Bullen den gesamten Stühlinger (das Viertel, in welchem die „Tanzdemo“ starten sollte) und führten im großen Stil willkürlich Personenkontrollen gegen Anwohner und Passanten durch. Die „Tanzdemo“ selbst wurde auch vor Beginn von einem großen Polizeiaufgebot umzingelt und trotz mehrmaligen Forderungen an die Menge, sich doch aufzulösen, gaben die Bullen den Massen schließlich nach und ließen die Menschen laufen. Scheinbar hatten sie in diesem Moment kein Interesse daran, mitten in der Stadt, während rundum noch verschiedene vielbesuchte Feste stattfanden, die Situation zu eskalieren. Dabei muss auch gesagt sein, dass sich zu Hochzeiten dieser Aktivität zeitweise 3.500 Menschen der „Nachttanzdemo“ anschlossen, was für Freiburg tatsächlich eine sehr große Anzahl an Menschen ist.
Die Polizei ließ es sich jedoch nicht nehmen, diesen Protest mehrere Male willkürlich zu stoppen und ihn gegen Ende auch einmal aktiv anzugreifen. Nachdem die „Nachttanzdemo“ zu ihrem Ende gekommen war, wurde jener Endpunkt, ein Platz vor einem Hotel im Kleinbürgerviertel Vauban, quasi von den Teilnehmern besetzt, um dort weiter zu „cornern“. Die Bullen gingen jedoch äußerst zügig dagegen vor und räumten den Platz. Dabei gingen die Bullen durchaus gewaltsam gegen die Jugendlichen vor. Sie verletzten mehrere Personen und verschleppten zwei Menschen willkürlich auf das nächstgelegene Polizeirevier. Einer verletzten Person, welche von den Bullen auf das Revier mitgenommen wurde, wurde dabei trotz offensichtlicher Verletzungen die medizinische Versorgung verwehrt.
Die gesamte Situation wirkt bei näherer Betrachtung eigentlich absurd. Dass die Stadt wegen einer „Tanzdemo“ die Versammlungsfreiheit außer Kraft setzt und mit hochgerüsteten Bullen, die eigentlich zur Bekämpfung von Aufständen eingesetzt werden, auf Jugendliche einprügeln lässt, die einfach nur auf einem öffentlichen Platz ihr Bier trinken, ist allerdings mehr als eine Skurrilität. Es ist Ausdruck eines schwerwiegenden Problems, auf welches der Staat Antworten sucht und sie vermeintlich darin findet, immer reaktionärer zu werden.
Neben dem Interesse, diese Jugendlichen von den öffentlichen Plätzen fernzuhalten, damit diese ihr Geld in den Clubs und auf kommerziellen Sommerfesten ausgeben, gibt es ein politisches Interesse, und das heißt Aufstandsbekämpfung. Auf der einen Seite sind solche großen Polizeieinsätze gegen große Menschenmassen und das militärische Besetzen ganzer Viertel gute Übungen, welche die Polizei in der Bekämpfung zukünftiger Unruhen effektiv schulen kann. Auf der anderen Seite ist es für den Staat auch wichtig, die Kontrolle über seine Städte zu behalten bzw. diese zu verabsolutieren. Es soll nicht zugelassen werden, dass irgendwelche vom Staat nicht direkt kontrollierbaren Freiräume be- oder entstehen. Der Staat soll stark wirken und das Volk soll das Gefühl bekommen, im Vergleich dazu schwach zu sein. Doch an jenen Wochenendnächten, in welchen die Massen sich wieder einmal die Plätze nehmen, die Angriffe der Bullen mit Barrikaden und fliegenden Flaschen beantworten und sich nicht vertreiben lassen, können wir für einen Augenblick erkennen, wie stark wir wirklich sind.
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