Dienstag, 8. August 2023
[IMI-List] [0635] Onlineveranstaltung Air Defender / Termin IMI-Kongress / BW Strong und Sahel-Strategie
imi
imi-list@listi.jpberlin.de
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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0635 .......... 26. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos)........ https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste/
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Liebe Freundinnen und Freunde,
zunächst einmal zum Notieren schon einmal das Datum des nächsten
IMI-Kongresses:
IMI-Kongress:
25./26. November 2023
Hepperhalle (Westbahnhofstraße 23)
72072 Tübingen
Außerdem in dieser IMI-List:
1.) die Ankündigung einer IMI-Onlineveranstaltung zum Großmanöver Air
Defender (Donnerstag, 19h);
2.) Neue Texte zur aktualisierten Sahel-Strategie der Bundesregierung
und dem Jugendmagazin der Bundeswehr.
1.) Onlineveranstaltung: Air Defender 2023: Die NATO übt für den großen
Krieg – Deutschland als Drehscheibe
Datum: Donnerstag 1. Juni 2023, 19h
Über Big Blue Button: https://ultramarin.collocall.de/inf-q6o-sga-wbv
Die Vorbereitungen laufen bereits auf Hochtouren. Für das größte
Luftwaffenmanöver seit Gründung der NATO werden bis zum 12. Juni rund
100 Militärflugzeuge der US-Luftwaffenreserve (Air National Guard) nach
Europa verlegt. Für das folgende zweiwöchige Großmanöver kommen über 100
weitere Flugzeuge aus Europa dazu. Geübt wird für eine Militäroperation
nach Artikel 5 des NATO-Vertrages in Europa – sprich ein Krieg mit
Russland. Im Zentrum der Übung stehen nicht nur Flugplätze in und
Lufträume über Deutschland. Seit 2018 erdacht, geplant und in der heißen
Phase geführt wird der probeweise Luftkrieg über Europa von
Kommandoständen der deutschen Luftwaffe. Neben Informationen über das
Manöver selbst und die damit einhergehenden Eskalationsgefahren soll es
in einem Input auch um bereits geplante Proteste und die Geographie des
Manövers in Deutschland gehen.
Datum: Donnerstag 1. Juni 2023, 19h
Über Big Blue Button: https://ultramarin.collocall.de/inf-q6o-sga-wbv
Link zur Ankündigung der Veranstaltung (gerne weiterleiten):
https://www.imi-online.de/2023/05/30/onlineveranstaltung-air-defender-2023/
2.) Neue IMI-Artikel: Sahel & BW Strong
Die Sahel-Strategie der Bundesregierung wurde überarbeitet und wartet
mit einigen realistischen, teils aber auch sehr offenen Aussagen über
deutsche Begehrlichkeiten und Strategien in der Region auf.
IMI-Standpunkt 2023/018
Anerkennung der Multipolarität
Bundesregierung passt ihre Sahel-Strategie an
https://www.imi-online.de/2023/05/25/anerkennung-der-multipolaritaet/
Christoph Marischka (25. Mai 2023)
Außerdem ist soeben – eine Premiere – die erste bei uns in Rahmen eines
Schüler*innenpraktikums entstandene Arbeit veröffentlicht worden. Es
geht darin um BE Strong, das Jugendmagazin der Bundeswehr und wir
möchten diesen (kritischer) Blick aus der Zielgruppe hiermit empfehlen:
IMI-Analyse 2023/25
BE Strong?
Ein Gratis-Magazin zur Rekrutierung Jugendlicher
https://www.imi-online.de/2023/05/30/be-strong/
J. Fischer (30. Mai 2023)
Die Bundeswehr plant, ihre Wehrfähigkeit zu erhöhen. Dazu gehört vor
allem auch das Anwerben von neuen Rekrut*innen, das in letzter Zeit bei
vielen durch Werbetafeln und ähnliches wieder präsent geworden sein
dürfte. Dies ist Teil eines Versuches, die Zahl der Soldat*innen wieder
zu erhöhen, der aber mehr oder weniger wirkungslos bleibt. Denn die Zahl
der aktiven Soldat*innen bleibt dennoch rückläufig. Aus diesem Grund
wirbt das Verteidigungsministerium unter anderem mit Serien auf Youtube,
Veranstaltungen und auf Instagram, Snapchat und Facebook. Auch ein
Wiederaufnehmen der Schulbesuche von Soldat*innen in Baden-Württemberg
wurde von der CDU (in Baden-Württemberg Regierungspartei) gefordert. Zum
Konzept der Bundeswehr gehört aber nach wie vor auch noch das Werben in
Papierform, in Form des Magazins „BE Strong“, wobei das E in BE durch
ein quer gelegtes W dargestellt wird und so die Abkürzung BW
(Bundes-Wehr) darstellt.
Was ist „BE Strong“?
Das erstmals 1977 (Damals noch unter dem Titel „Infopost“)
herausgegebene, sogenannte „Jugendmagazin“ der Bundeswehr, richtet sich
vor allem an Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 20
Jahren und versucht diese für eine berufliche Laufbahn innerhalb der
Bundeswehr zu begeistern. Dabei versucht es, seine Zielgruppe mit
optisch ansprechendem Design, einfachen Texten und zusätzlicher
Vernetzung in verschiedenen sozialen Medien zu gewinnen. Es erscheint
vierteljährlich seit 2016 unter dem Titel „BE Strong“ kostenlos, in
einer Auflage von etwa einer halben Million Stück (zuvor in ähnlicher
Auflage unter dem alten Titel „Infopost“) und kostete die deutschen
Steuerzahler*innen im Jahr 2020 rund 70.000€. Herausgegeben wird das
Magazin vom Bundesministerium für Verteidigung. Die Texte werden hierbei
offiziell nach Thema der jeweiligen Ausgabe ausgewählt, zielen im
Allgemeinen jedoch darauf ab, eine breite Akzeptanz für die Bundeswehr
innerhalb der Bevölkerung zu schaffen und junge Menschen eine Karriere
als Soldat*in als alltäglichen und attraktiven Arbeitsplatz zu vermitteln.
Aktuelle Ausgabe
Im Mittelpunkt der aktuellen Ausgabe von „BE Strong“ steht der Krieg in
der Ukraine und damit das Sondervermögen der Bundeswehr und die
verschiedenen Bereiche, in denen dieses Investiert wird, um die
allgemeine Wehrbereitschaft zu vergrößern und Deutschland und die Nato
für Kriege aufzurüsten. Gleichzeitig werden verschiedene
Aufgabenbereiche der Bundeswehr vorgestellt und als berufliche Option
angepriesen.
Minderjährige Zielgruppe
Nach offizieller Aussage der Bundeswehr zum erstmaligen Erscheinen von
„BE Strong“ richtet sich das Magazin an eine Zielgruppe im Alter
zwischen 14 und 20 Jahren. Im Jahr 2021 lag das Durchschnittsalter der
Abonnent*innen dementsprechend zwischen 14 und 23 Jahren. Dass dieses
sogenannte „Jugendmarketing“ der Bundeswehr für einen Beruf, in dem es
darum geht zu töten, extrem problematisch ist, ist wohl offensichtlich.
Doch es kommt hinzu, dass das Magazin sich in Gestaltung und Inhalt
offensichtlich an sozial verunsicherte Jugendliche wendet und versucht,
ihnen ein Gemeinschafts- und Zugehörigkeitsgefühl, sowie Wertschätzung
zu vermitteln, um sie für den Dienst an der Waffe zu gewinnen (dazu
unten mehr). Kaum ein rhetorisches oder stilistisches Mittel bleibt für
diesen Zweck ungenutzt.
Mit welchen Tricks wird geworben?
In seiner aktuellen Ausgabe versucht das Magazin durch das Berichten von
verschiedenen persönlichen Erfahrungen von Soldat*innen, Jugendliche zu
gewinnen, indem es ihnen Identifikationspersonen und Vorbilder in
verschiedenen Bereichen der Bundeswehr liefert. Beispielsweise den
19-Jährigen „Heimatschützer“ Conor Lee H., die quer eingestiegene erste
Korvettenkapitänin Bianca S. (39) oder den Oberstabsgefreiten Hakan A.
(23) mit türkischem Migrationshintergrund. Die Bundeswehr versucht sich
als vielfältiger, toleranter und bunter Arbeitgeber zu präsentieren.
Ein Thema bleibt dabei jedoch stets außen vor: Das Töten selbst. Das
Wort kommt in der gesamten Ausgabe nicht vor und inhaltlich fragwürdige
Stellen strotzen nur so vor Euphemismen, so wird von „effektivem
Bekämpfen“, „Heimatschutz“ oder der „vielfältigen Zusammenarbeit auf
NATO-Ebene“ gesprochen, wo schlicht Krieg gemeint ist.
Was dafür übermäßig thematisiert wird, sind die „tollen“ Erfahrungen der
einzelnen Bundeswehrmitglieder und das Gemeinschaftsgefühl innerhalb der
Truppe. Conor Lee H. schreibt etwa: „Schon in der Grundausbildung war
das Biwak mein Highlight. Wir waren fünf Tage am Stück unterwegs. So
lange war ich noch nie in der Natur, vor allem nicht nachts.“ Bianca S.
„schwärmt“: „Gerne erinnere ich mich an die Häfen auf den Seychellen
oder in Madagaskar.“ Und es wird über das NATO-Hauptquartier berichtet,
dass es „wie eine große Familie [sei], in der sich alle gegenseitig
unterstützen“.
Auch die alten Steckenpferde der Rekrutierung: Verantwortung und
Anerkennung, kommen zum Tragen.
Diese Methode ist zusätzlich massiv fragwürdig, da sie
selbstverständlich darauf abzielt, Jugendliche, mit Mangel an genau
diesen, anzusprechen und sie in der Hoffnung, beides zu gewinnen, in die
Bundeswehr zu locken. Es ist also nicht Sinn und Zweck, die potenziellen
Rekrut*innen von der Sinnhaftigkeit der Bundeswehrtätigkeit zu
überzeugen, sondern ihnen das Gefühl einer tätigkeitsabhänigigen
Wertschätzung der Gesellschaft ihnen gegenüber zu vermitteln.
Zusätzlich lockt „BE Strong“ mit hohen Karriereaussichten,
Studienplätzen und kostenlosen Bahnfahrten für einen Beruf bei der
Bundeswehr - Dingen, zu denen eigentlich alle Zugang haben sollten. Auch
hier lässt sich wieder klar erkennen, auf welche Zielgruppe „BE Strong“
vor allem abzielt: Nämlich eine solche, die für einen Lebensstandard,
mit dem andere geboren wurden, ihren Kopf hinhalten soll. Wieder werden
Beispiele eingestreut, wie das von Jens F., der es ohne Hochschulreife
zum Hauptmann und Pilot geschafft hat.
Differenziert wird zwischen den verschiedenen Aufgabenbereichen, um die
potenziellen Rekrut*innen mit ihren Leidenschaften zu gewinnen. Um an
Technik interessierte Jugendliche zu gewinnen wird beispielsweise
ausschweifend über das neue System „Infanterist der Zukunft“ berichtet,
für Mediziner*innen über die ärztliche Tätigkeit und für
Seefahrtbegeisterte von der Korvette „Oldenburg“.
Der weitere Weg auf dem Einstig in die Bundeswehr fällt dann, dank der
offensiv am Ende von nahezu jedem Artikel platzierten Links zur
„Karrierekaserne“ der Bundeswehr, nicht schwer.
Rekrutieren mit dem Zeitgeist
Dies gehört auch zum neuen jungen Anstrich, den sich das Magazin geben
will. Neben dem Titel „BE Strong“, der an den Werbeslogan der U.S. Army
„Army Strong“ erinnert, versucht die Bundeswehr ihre Reichweite über
Social-Media-Kanäle wie Snapchat, Instagram, YouTube und Facebook
auszubauen und weist auf diese auch im Magazin hin. Mit interessanten
Gewinnspielen und Faktentafeln, die mit Informationen, wie zum Beispiel
der gefüllt sind, dass das Flugabwehrraketensystem Patriot bis zu 5
Ziele gleichzeitig bekämpfen kann, versucht „BE Strong“ die Leser*innen
dazu einzuladen, sich noch intensiver mit der Bundeswehr und allem, was
mit ihr im Zusammenhang steht, auseinanderzusetzen. Natürlich tauchen in
diesem Geiste auch immer wieder Ränge und Einheitsbezeichnungen auf.
Großzügig verteilt das Magazin auch Bundeswehrartikel, wie
beispielsweise Sporttaschen und Trinkflaschen.[1]
So schafft „BE Strong“ eine Gemeinschaft von „Bundeswehrfans“, deren
Alltag sich in allen Bereichen um die Truppe dreht.
Grundlegendes Weltbild
Ein besonders faszinierendes System verwendet das Magazin, wenn es darum
geht, die Leserschaft von umstrittenen politischen Entscheidungen zu
überzeugen. Das wiederkehrende Schema beinhaltet eine
fachvokabularreiche, komplexe und als alternativlos dargestellte
Erklärung für das Vorgehen, die mit einer schlichten und kraftvollen
Parole endet.
So wird gerechtfertigt, die Bundeswehr müsse sich: „konkret wappnen
gegen eine mögliche militärische Bedrohung, mit der Ausrüstung, mit
ihren Fähigkeiten, in der Aufstellung und Einsatzbereitschaft [...]. Für
die Sicherheit Deutschlands – ein großes Ziel: für uns alle.“
Auf dieselbe Art wird die Bündelung verschiedener Entscheidungsbereiche
im „Territorialen Führungskommando“ mit dem schnittigen Slogan
„Landesverteidigung – schnell und effektiv“ den Leser*innen als
logischer, unausweichlicher Entscheid präsentiert.
Neben der Rekrutierung versucht „BE Strong“ nämlich zusätzlich auch
noch, von der ethischen Rechtschaffenheit und Sinnhaftigkeit, sowie
Notwendigkeit der Tätigkeit der Bundeswehr zu überzeugen. Hierfür,
werden zum einen emotionalisierende Bilder eingesetzt, wie etwa direkt
auf der vierten Seite des aktuellen Magazins, die einen schreienden
jungen Soldaten in voller Montur und mit Deutschlandflaggen auf beiden
Schultern mit der Bildunterschrift „Heimatschutz“ zeigt. Aber auch die
Texte rühren an Emotionen, wie Nationalstolz, wenn zum Beispiel davon
berichtet wird, dass die anderen Nationen bei einer Rettungskettenübung
der Nato in Sachen medizinischer Expertise „nur von Deutschland lernen
könnten“, oder dass Deutschland „Führungsnation“ der NATO-Battelgroup in
Litauen sei. Aber auch mit Angst wird gearbeitet. Das
Sicherheitsbedürfnis steht in allen vier abgedruckten Leserbriefen und
dem Vorwort der aktuellen Ausgabe klar im Fokus. Eher unterschwellig ist
hierbei die in Formulierungen, wie: „Die Bundeswehr ist ein elementares
Instrument der Sicherheitspolitik, ohne Verteidigung lässt sich eine
glaubhafte und wirkungsvolle Sicherheitspolitik nicht aufrechterhalten“,
mitschwingende alternativlose Darstellung und Verharmlosung von
Militarisierung, ganz im Geiste von „Krieg ist die bloße Fortsetzung der
Politik mit anderen Mitteln“.
Gesamtziel
Das Magazin zeigt deutlich die Bemühungen des Verteidigungsministeriums,
junge Menschen für die Bundeswehr zu begeistern, die zum großen Teil
noch minderjährig sind. Hierbei werden diese emotionalisiert, ihnen wird
kein vollständiges und transparentes Bild des Soldat*innenalltags
vermittelt und sie werden mit rhetorischen und medialen Mitteln
beeinflusst. Dies ist eine hochproblematische Methode, steht jedoch
keinesfalls kontextlos, sondern im Einklang mit verschiedenen
Öffentlichkeitsarbeitsprogrammen, wie etwa den auf Youtube erscheinenden
Serien der Bundeswehr oder dem Vorschlag der CDU in Baden Württemberg
Soldat*innen wieder regelmäßig an Schulen zu schicken.
Es wäre höchste Zeit, zumindest Jugendliche, die noch nicht einmal
wahlberechtigt sind, nicht mehr bewusst für Kriege und Militär
begeistern zu wollen.
Anmerkung
[1] Für alle „Give Aways“ des Verteidigungsministeriums im Zuge der
Nachwuchswerbung fielen im Jahr 2020 rund 777.000€ Kosten an:
https://dserver.bundestag.de/btd/19/284/1928412.pdf
IMI-List - Der Infoverteiler der
Informationsstelle Militarisierung
Hechingerstr. 203
72072 Tübingen
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