Donnerstag, 27. Mai 2010

Gründer des autonomen Bezirks San Juan Copala ermordet

Die ausführlichere Version eines Artikels, der morgen (22.05.2010) auf
amerika21.de erscheint.


Philipp Gerber, Oaxaca

In der Region der Triqui-Indigenen regiert weiterhin die Gewalt. Drei
Wochen nach dem Angriff auf eine Menschenrechtskarawane in der
abgelegenen Region Oaxacas wurden am 20. Mai Timoteo Alejandro Ramírez
(46) und seine Ehefrau Cleriberta Castro (36) erschossen. Ramírez galt
als „natürliche Autorität" seiner Gemeinde Yosoyuxi sowie Gründer und
„politisches Hirn" des autonomen Bezirks San Juan Copala.

Die Angreifer tarnten sich als Verkäufer und schossen das Ehepaar in
dessen Lebensmittelladen nieder. Fünf Kinder wurden zu Vollwaisen. Die
Attentäter konnten in ihrem Lastwagen fliehen. Augenzeugen erkannten sie
jedoch, sie sollen nicht-indigene, bezahlte Mörder aus dem Nachbarbezirk
Putla Villa de Guerrero sein. Dennoch macht MULTI die indigene
Organisation MULT für den Doppelmord verantwortlich. Von MULT hat sich
MULTI 2006 abgespalten und den autonomen Bezirk mit Sitz in San Juan
Copala aufgebaut. MULT seinerseits bezeichnet Timoteo Alejandro Ramírez
als verantwortlich für das Verschwindenlassen von zwei jungen Frauen im
Jahre 2007, was dieser bestritt. Eine seriöse Abklärung der Vorwürfe
durch die Behörden fand wie meist nicht statt.

Gleichzeitig mit dem Angriff in Yosoyuxi wurde auch San Juan Copala
beschossen. San Juan Copala wird seit sechs Monaten von Anhängern der
bewaffneten Organisationen MULT und UBISORT belagert. Vergangenes
Wochenende wurden 35 Frauen und Kinder, welche sich in der Bezirksstadt
Santiago Juxtlahuaca mit Lebensmitteln eindeckten, auf dem Rückweg von
Paramilitärs der UBISORT abgefangen. Einige konnten fliehen, aber 13
Frauen und Kinder wurden entführt und eine Nacht lang misshandelt. Dabei
wurden die Triqui-Frauen erst von 300 Polizisten und Vertretern der
Regierung zusammen mit dem Chef der UBISORT, Rufino Juárez Hernández,
„zurück begleitet". Aber nicht nach San Juan Copala, sondern in das weit
entfernte Yosoyuxi, worauf sich die Frauen alleine auf das letzte und
gefährlichste Wegstück machen mussten – und prompt überfallen wurden.

Jorge Albino Ortiz, Sprecher des zapatistisch inspirierten autonomen
Bezirks, hält am Aufruf für die Menschenrechtskarawane „Alberta Cariño
Trujillo y Jyri Antero Jaakkola" fest, welche den Namen der beiden am
27. April ermordeten AktivistInnen trägt. Die neuen Morde lassen jedoch
grosse Zweifel aufkommen über die Machbarkeit der neuen Karawane vom 8.
Juni, solange die Mörder weiterhin auf freiem Fuss sind und offen mit
der Regierung kollaborieren. Zudem stellt sich die Frage, welche
Konsequenzen die Ermordung von Timoteo Alejandro Ramírez auf den
aktuellen Kriegszustand in der Triqui-Zone hat.

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