Arbeitszwang, Leistungsdruck, Naziterror und soziale Ausgrenzung überwinden!
Gedenkdemo anlässlich des 10. Todestages von Dieter Eich
Am 25.Mai 2000 ermordeten vier jugendliche Neonazis Dieter Eich in seiner Wohnung im Berliner Stadtteil Pankow-Buch. Vor Gericht gaben sie später an, sie hätten den 60-jährigen Sozialhilfeempfänger umgebracht, weil sie einen "Assi klatschen" wollten.
Zehn Jahre nach diesem Mord soll mit einer Gedenkdemonstration und weiteren Veranstaltungen sowohl die Erinnerung an die Tat wach gehalten werden, als auch die gesellschaftlichen Hintergründe aufgezeigt werden, die diese Tat erst ermöglichten.
Die Voraussetzungen für solch einen Mord schaffen nicht in erster Linie gewaltbereite Neonazis, sondern auch ein tief in der Mehrheitsgesellschaft verwurzelter Arbeitsethos, der die Würde von Menschen größtenteils anhand ihrer Verwertbarkeit für den Kapitalismus misst. Die aktuelle Debatte um Hartz IV zeigt den staatlichen Ausdruck der Entwürdigung Erwerbsloser in diesem System. So empfahl beispielsweise Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin Hartz IV-Empfänger_innen öfter kalt zu duschen. Dies schmälere nicht nur die Staatsausgaben, sondern bringe auch die Körper der vermeintlich "Arbeitsscheuen" in Form. Roland Koch legte nach und forderte den sofortigen Arbeitszwang für Erwerbslose. SPD-Vieze Hannelore Kraft hingegen empfahl unter Bezugnahme auf die allgemeine Arbeitsknapppheit, Hartz IV-Bezieher_innen sollten für ein entsprechendes Zubrot im Park Laub harken oder andere Tätigkeiten übernehmen. Was Kraft blumig als „Gemeinwohl-orientierten Arbeitsmarkt“ beschreibt, ist letzten Endes nichts anderes als die Forderung nach der Schaffung eines weiteren Niedriglohnsektors für Erwerbslose. Auf diese Weise wird in der Öffentlichkeit ein alles und jede_n umfassendes Wertesystem gefestigt, das (Lohn)arbeit zum höchsten Gut erhebt und Menschen, die nicht arbeiten können oder wollen von sozialer Teilhabe und dem gesellschaftlichem Reichtum ausschließt. Ohne diesen funktionalen Arbeitsethos wäre die staatliche und gesellschaftliche Ausgrenzung nicht Leistungsfähiger/ -bereiter, die alltägliche Konkurrenz aber auch die daraus resultierende Gewaltbereitschaft gegen sozial Ausgegrenzte nicht denkbar. Im Rahmen dieses mehrheitsgesellschaftlichen Diskurses wird es den Mörder_innen so genannter "Asozialer" ermöglicht und erleichtert, ihr Handeln öffentlich zu legitimieren.
Die Vorstellung, dass mensch um jeden Preis arbeiten müsse, so schlecht die Bedingungen auch sein mögen, hat eine lange Durchsetzungsgeschichte. Über Jahrtausende wurde bereitwillig (oder auch durch Zwang) wechselweise für Gott, Vaterland und zur Erhaltung des nationalen Standorts mühselig schwerste Arbeit verrichtet. Dieses Prinzip ist über eine lange Zeit durch und für Menschen geschaffen und erhalten worden – es zu beseitigen liegt darum in der Hand von jedem_jeder selbst. Es ist die Verantwortung von uns allen, Arbeitszwang, Leistungsdruck und soziale Ausgrenzung zu überwinden. So gilt es also auch mit den eigenen Zwangsvorstellungen zu brechen und dem Staat mit all seinen Schikanen, die er gegen vermeintliche „Sozialschmarotzer“ ausübt, eine klare Absage zu erteilen. Am 23. und 25.Mai wollen wir darum für eine Gesellschaft auf die Straße gehen, die den Anspruch in sich trägt, jegliche Form von Diskriminierung und Unterdrückung Geschichte werden zu lassen.
Der Mord an Dieter Eich steht in einer langen Reihe von Morden und Gewalttaten, die seit dem Mauerfall von Neonazis in Deutschland verübt wurden und reiht sich auch in eine seit Jahren nicht endende Welle rechter Morde in Europa ein. Wir wollen Dieter Eich gedenken, so wie allen anderen Opfern rechter und sozial-chauvinistischer Gewalt.
Niemand ist vergessen!
Kommt zur Demonstration und Kundgebung, um in Buch und Umgebung ein deutlich wahrnehmbares antifaschistisches und antikapitalistisches Zeichen zu setzen!
23. Mai 2010, Berlin
Demo: 14.00 Uhr, S-Bhf. Buch
Konzert: 19.30 Uhr, Kurt-Lade-Club, Grabbeallee 33, Pankow (Live: HipHop & Punk)
25.Mai 2010, Berlin
Gedenken am Wohnhaus von Dieter Eich
Treffpunkt: 17.30 Uhr, S-Bhf. Buch
Kranzniederlegung: 18.00 Uhr, Walter-Friedrich-Straße 52
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