Donnerstag, 20. Mai 2010

Bibelarbeit mit Putschisten

Kirchentag in München bietet honduranischem Kardinal und Putschisten
Rodríguez Maradiaga ein Podium.
Veranstalter schweigen zu Kritik

Von Harald Neuber

München. Während die EU nach internationalen Protesten eine Einladung an
den De-facto-Präsident von Honduras, Porfirio Lobo, zurückgenommen hat,
wird einem prominenten Fürsprecher des Staatsstreiches in dem
mittelamerikanischen Land in Deutschland ein Forum geboten: Der
honduranische Kardinal Oscar Rodríguez Maradiaga nimmt an dem 2.
Ökumenischen Kirchentag in München teil.

Rodríguez hatte den Militärputsch gegen den letzten demokratisch
gewählten Präsidenten von Honduras, Manuel Zelaya, mehrfach verteidigt
und die tödliche Gewalt gegen Aktivisten der Demokratiebewegung
verharmlost. Laut Programm des Kirchentags wird der Kirchenfunktionär am
Freitag und Samstag an vier Veranstaltungen auf dem Messegelände in
München teilnehmen. So will der Putschist Rodríguez mit den deutschen
Gästen unter anderem "Bibelarbeit" leisten. Menschenrechtsorganisationen
haben dagegen Proteste angekündigt.

Nach dem Putsch am 28. Juni vergangenen Jahres in Honduras habe der
Kardinal den Staatsstreich als "verfassungsmäßige Nachfolge" verteidigt,
heißt es in einem offenen Brief der Menschenrechtsorganisation FIAN
International an das Präsidium des Ökumenischen Kirchentages. Rodríguez
sei damit der Sprachregelung der Putschisten gefolgt. "Die
internationale Gemeinschaft hat den Staatsstreich dagegen einhellig als
solchen verurteilt und die Rückkehr zu Demokratie und verfassungsmäßiger
Ordnung gefordert", erinnert der Zentralamerika-Referent von FIAN
International, Martin Wolpold-Bosien.

"Erhebliche Irritationen" habe das Schweigen des Kardinals zu den
Menschenrechtsverletzungen nach dem Putsch ausgelöst. "Die alarmierenden
Berichte der nationalen und internationalen
Menschenrechtsorganisationen, der Interamerikanischen
Menschenrechtskommission und der UNO wurden von ihm ignoriert", so
Wolpold-Bosien. Selbst als Mitglieder der Kirche wegen ihres Engagements
in der Demokratiebewegung Opfer von Gewalt und Unterdrückung wurden,
habe der Erzbischof geschwiegen. "Vor diesem Hintergrund ist es wichtig,
dass die kirchlichen Partner in Deutschland Kardinal Rodríguez kein
Forum zur Selbstdarstellung bieten. Stattdessen sollten sie ihn zu einem
offenen Dialog auffordern und Rechenschaft verlangen für sein Reden und
Schweigen der vergangenen Monate". Die Einladung "ist aus unserer Sicht
unglücklich und befremdlich", meint FIAN International.

Amerika21.de fragte am Donnerstagvormittag bei der Geschäftsstelle des
Vereins 2. Ökumenischer Kirchentag München 2010 nach, ob die Rolle des
honduranischen Bischofs tatsächlich nicht bekannt war. Bis zum
Freitagabend reagierte der verantwortliche Pressesprecher Dr. Martin
Stauch trotz mehrmaliger Nachfrage nicht. An Überforderung kann es nicht
gelegen haben: Die Geschäftsstelle des Vereins beschäftigt nach eigenen
Angaben 80 hauptamtliche Mitarbeiter.

URL:
http://amerika21.de/nachrichten/inhalt/2010/mai/kirchentag-927484-rodriguez/

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