Dienstag, 8. Juni 2021
[Hoppetosse] Es hagelt Demoverbote auf Autobahnen und anderen großen Straße
Eskalation ums Versammlungsrecht.
Heute wurden mehrere Demos auf Autobahnen und auch welche auf größeren Bundesstraßen verboten. Als Verbotsgründe wird im wesentlich behauptet, dass Fahrräder dort nicht fahren dürfen. Die erste Klage (A39) wird wahrscheinlich heute noch eingereicht. Weitere werden folgen. Wer die Klageschrift haben will für eigene Klagen (zwecks Rauskopieren von allem, was ihr nützlich findet), sollte sich melden. Wir (demoerfahrene Aktivistis aus Gießen und Umgebung, u.a. aus dem Versammlungsrechtsteam beim Danni-Widerstand) können, soweit die Kräfte reichen, auch direkt unterstützen (per Telefon, Texte gegenlesen usw.).
Hier unsere schnelle Presseinfo zum A39-Verbot (auf der A39 sind insgesamt drei Demos angemeldet - zwei sind jetzt verboten, von der 6.6.-Demo ab Lüneburg wissen wir grad nichts):
Alle Fahrraddemos auf Autobahnen verboten
Autos wichtiger als Grundrechte
Am kommenden Samstag, 5. Juni, wollten bis zu 1000 Radfahrende gegen den Weiterbau der A39, das neue Gewerbegebiet Scheppau und die Folgen des Auto- und LKW-Verkehrs insgesamt für Mensch, Umwelt und Klima demonstrieren. Die Versammlungsbehörden haben aber nun die Nutzung von Autobahnen für diese Demos untersagt. Dabei würden ihre Begründungen aber völlig weltfremd wirken, kritisieren Organisator*innen der Versammlungen den Bescheid. So werde in der Verfügung, die das Verbot des Befahrens der A2 und der A39 enthält, behauptet "die Bundesautobahnen sind von ihrem eingeschränkten Widmungszweck her von vornherein demonstrationsfrei". Dieser Satz widerspräche nicht nur der aktuellen Rechtslage, sondern sei auch von jedermensch als Unsinn erkennbar, da andernorts solche Demonstrationen stattfänden. Der Versuch, Autobahnen als demo-freie Zonen zu erklären, erinnere an die wenige Monate zurückliegenden Behauptungen der Versammlungsbehörde in Wolfsburg, Straßen seien generell nicht für Versammlungen da. Weltfremd erscheine auch die Ausführung, nach der auch die Gegenfahrbahn gesperrt werden müsse, weil sonst Gaffer eventuell Unfälle bauen würden. "Autobahn und Autofahrer*innen werden hier als ständige Gefahrenquellen benannt. Wäre das so, müssten alle Autobahnen sofort gesperrt werden!" heißt es von den Demoorganisator*innen. Ebenso unsinnig seien Verweise auf Gefahren, die auf Autobahnen alltäglich sind. "Eine spezifische Gefahr durch die Demo sei nirgends benannt worden".
Die Anmelder wollen noch heute Klage beim Verwaltungsgericht einreichen. "Angesichts von Klimawandel und Unfalltoten sind die ständigen Sonderprivilegien des Autoverkehrs nicht mehr zu ertragen. Spätestens mit dem Klimaurteil des Verfassungsgericht sollte auch in Städten, die bisher dem Autoverkehr sehr viel Vorrang einräumten oder sogar nur deshalb gebaut wurden, die Wichtigkeit der Verkehrswende bekannt sein. Freies Autofahren höher einzuräumen als das Grundrecht auf Versammlung, zeigt erhebliche Lernresistenz".
Gruß aus der Projektwerkstatt, Jörg
P.S. Einer der letzten Absätze im Entwurf für die heute einzureichende Klage lautet:
Die sture Haltung der Versammlungsbehörde erhöht zudem die Gefahr, dass Gegner:innen des Autobahnbaus auch in Zukunft angesichts der Aussichtslosigkeit, das durch die Verfassung verbriefte Recht auf Versammlungen am passenden Ort durchführen zu dürfen, solche Versammlungen nicht anmelden, sondern als Spontandemonstrationen durchführen, wie es bereits mehrfach z.B. als Transpi-Aktionen an Brücken über die Autobahn geschehen ist. Die Reaktion staatlicher Stellen, solche Spontanversammlungen mit dem eigentlich nur als letztes Mittel gedachten Strafrecht zu verfolgen, zeigt den Unwillen sehr deutlich, der Versammlungsfreiheit ihren angemessenen Stellenwert einzuräumen.
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(Bitte lange Zitate beim Antworten abschneiden - spart Daten und Unübersichtlichkeit :-)
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