Dienstag, 8. Juni 2021
Absurdes Urteil: Wursthersteller kein Fleisch-Betrieb!?
Skandal-Urteil Fleisch-Industrie | Frontberichte: Diakonie. BM Logistic. Thalia.
Newsletter | Köln, 2. Juni 2021
Liebe Leserinnen und Leser!
Es stand zu Erwarten, das die Fleischindustrie mit allen Mitteln versuchen würde, das Verbot von Werkvertrags- und Leiharbeit zu umgehen.
Jetzt bekommt die Fleischbranche Schützenhilfe durch das Finanzgericht Hamburg:
In einem Eilverfahren beschied der 4. Senat auf Antrag eines Wurstherstellers, dass der überwiegende Teil der Beschäftigten nicht unmittelbar mit Fleisch zu tun habe, sondern in Verwaltung, Marketing, Lager und anderen Abteilungen arbeite. Deshalb sei der Wursthersteller gar nicht der Fleischindustrie zuzuordnen. Das entsprechende Verbot im "Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft" (GSA Fleisch) greife daher nicht (Az.4 V 33/21).
Schöne neue Welt... Wir sind am Ende alle nur noch Dienstleister_innen. Keine Arbeiter oder Angestellten mehr. Die maximale Zergliederung und Automatisierung der Produktion führt am Ende dazu, dass sich eine Industrie wie die Fleisch-Industrie offenbar in Luft auflöst. Zumindest in der kruden Sichtweise des Hamburger Finanzgerichts.
Apropos Finanzen: Durch eine obskure Holding-Struktur mit Sitz u.a. in Dänemark verflüchtigt sich ein Milliarden-Konzern wie Tönnies auch gegenüber der Steuer. Am Ende bleibt nur Luft. Am Elend der Arbeiter*innen und ihrer Zahl ändert sich trotzdem nichts.
Dieses ahnungslose oder realitätsferne Urteil hilft branchenspezifische Vorschriften, Mindestlöhne und Tarife zu unterlaufen. Es müsste zu weiteren Gesetzesverschärfungen führen.
Dabei ist die Fleischindustrie als Laboratorium zu sehen. Tönnies war ein Vorreiter beim Missbrauch von Werkverträgen als verdeckter Leiharbeit.
Das Hamburger Urteil bedroht daher auch andere Branchen: Wie klein ist der Anteil der Beschäftigten im Einzelhandel, die wirklich "im Laden stehen" im Verhältnis zu allen anderen Beschäftigten? Welche vollautomatisierte Brauerei hat heute noch mehr Brauer als Vertriebsmitarbeiter?
Im Kölner Büro diskutieren wir, ob wir nicht solche und ähnliche skandalöse Gerichtsentscheidungen zum Schwerpunkt unseres nächsten Aktionstags #FREITAG13 machen sollten.
Was meinen Sie:
Wären Urteile, wie sie das Finanzgericht Hamburg fällte, ein Thema für Freitag, den 13. August?
Welche weiteren Skandalurteile fallen Ihnen ein?
Sollten wir gemeinsam vor Gerichten protestieren?
Mit besten Grüßen
Jessica Reisner | büro köln
PS:
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