Dienstag, 8. Juni 2021
Zu wenig Geld für so viel Arbeitskraft: Lloyd-Werft & Co. – Die Entlassungen kommen
Die Meldungen mehren sich: Stellenabbau hier, Stellenabbau dort. An unterschiedlichen Orten der Produktion und „Dienstleistung“ wird in Bremen die Kündigung von Arbeitern vorbereitet. Gleichzeitig wird seit Beginn der Krise hauptsächlich in den „Dienstleistungsberufen“ das Arbeitspensum enorm erhöht. Unsere Schuld? Nein? Corona seine Schuld? Kaum. Ein guter Geschäftsmann, sagen die Kapitalisten, muss wissen, wann und wo er sparen muss. Jetzt ist der Zeitpunkt wieder gekommen, wo es viel mehr zu kaufen und zu bezahlen gibt, als gekauft und bezahlt werden kann: Eine Überproduktionskrise. Wer die Schäden davon für sein Unternehmen gering halten will, muss hier und jetzt sparen. Also die „überflüssigen“ Arbeiter nicht mehr arbeiten lassen und dem Rest sagen, er soll höhere Leistung und mehr Arbeit verrichten.
Nachdem letztes Jahr lange Zeit der große geplante Stellenabbau bei Airbus im Zuge der Krise Thema war, kamen gegen Ende 2020 neue Meldungen von Beck‘s und dem Bremer Thyssen-Krupp-Standort. Der Bierbrauer will 30 bis 60 Stellen streichen – Teile des „Customer Service“ sollen in „Länder mit geringerem Lohnniveau verlagert werden“, d.h. hauptsächlich in unterdrückte Nationen, wo das InBev-Unternehmen seine Angestellten mehr ausbeuten kann. Der Anlagenbau von ThyssenKrupp für die Autoindustrie ist zunehmend weniger gefragt, weshalb bis Ende März wieder Entlassungen abgewickelt werden sollen, wodurch der Bremer Standort insgesamt 300 Mitarbeitern in einem Jahr gekündigt hat. Dieses Jahr hat u.a. mit den angekündigten Entlassungen beim Verbrennungsanlagenhersteller Saacke begonnen, ein „mittelständisches Bremer Familienunternehmen“, d.h. ein typischer Kandidat, den diese Krise kaputtmachen kann. Und auch die Geno (Gesundheit Nord) will Stellen einsparen – es sei nicht anders möglich! Dass das für den Profit der Kapitalisten nicht anders möglich ist, ist ein geradezu trauriger Beweis für die Zersetzung dieses Gesundheitssystems. Besonders im Angesicht der Pandemie und des Personals, das seit nun einem Jahr Tag und Nacht schuftet und den Laden irgendwie am Laufen halten muss.
Die Rolle der Kurzarbeit
Warum es trotz einem Jahr schwerer Krise noch vergleichsweise so wenig Entlassungen gegeben hat, ist großer Verdienst der Kurzarbeit und den billigen Krediten, die zeitgleich aufgenommen werden, wodurch Unternehmen, die keinen Gewinn mehr machen und längst fällig sind, noch am Leben gehalten werden – die Krise wird aufgeschoben. Die Kurzarbeit bedeutet dabei, dass weniger bezahlt werden muss, dabei aber kein Verlust an nutzbarer Arbeitskraft gemacht wird, da eh zu viel produziert wird, d.h. sich mit einem Teil der Arbeit kein Profit mehr machen lässt. So ist die Kurzarbeit nicht nur für kleine und mittlere Unternehmen, die die Krise hart trifft, sondern auch für die großen, die jetzt z.T. expandieren ein wichtiges Mittel, um zu sparen. Erst kürzlich steckte beispielsweise das Bremer Daimler-Werk wieder wegen ausbleibender Lieferungen eine Reihe an Arbeitern für eine Woche in Kurzarbeit. Die viele Kurzarbeit bei Mercedes im letzten Jahr konnte eine starke Gewinnsteigerung nicht verhindern, sondern hat sie gefördert. Denn während teils weniger Produkte verkauft werden, wächst der Konzern, lässt mehr an „billigeren“ Orten produzieren und spart zugleich Bezahlung für überflüssige Arbeit ein. Und auch Lebensmittel-Riese Mondelez will in Bremen trotz Rekordzahlen im letzten Jahr 70 Mitarbeiter entlassen. Mit dem Vorwand Corona, der sie überhaupt nicht beeinträchtigt hat.
Die Schließung der Lloyd-Werft
Ende Dezember letzten Jahres verbreitete sich die Nachricht, dass die Bremerhavener Lloyd-Werft gegen Ende dieses Jahres dicht machen soll. Rund 350 Arbeiter sollen vor die Tür gesetzt werden. Die vor über 160 Jahren vom Norddeutschen Lloyd gegründete Werft wurde 2015 an die Gruppe Genting Hong Kong verkauft, welche einige mittelgroße Werften in Norddeutschland unter einem Hut zusammenfassen und neu organisieren wollte. Doch Genting Hong Kong, ein Tourismusunternehmen mit Spezialisierung auf Kreuzfahrten, schlidderte letztes Jahr in tiefe rote Zahlen (3,4 Milliarden US-Dollar Schulden). Im August stellte Genting die Rückzahlung allen geliehen Kapitals ein. Die Gruppe kämpft um ihre Existenz, darum muss jetzt die Lloyd-Werft, bei der bis jetzt die Krise keine besonderen Probleme verursachte, um ihre eigene Existenz bangen. So ist das eben in diesem System – es scheint normal zu laufen, und dann wird dir von oben plötzlich gesagt: „Deine Arbeitskraft wird nicht mehr gebraucht!“ In der Krise offenbart der Imperialismus, zu welchem Schaden die unzählbaren Verflechtungen des Kapitals führen können – ein Problem an einer völlig anderen Stelle führt dazu, dass Arbeiter in einer ganz anderen Ecke der Welt ihren Job verlieren. Letztendlich werden die Arbeiter an der Lloyd-Werft entlassen – von Genting.
Auch in der Bremer Bürgerschaft wurde die Lloyd-Werft Thema für eine Debatte. Natürlich wollen alle die „traditionsreiche“ Werft behalten. Zumal sie ja auch eine Stütze für die über die Jahre zurückgegangene Hafenindustrie ist. Bremerhaven ist schließlich auf Grundlage dieser entstanden und besonders durch ihren Rückgang eine der ärmsten Städte Deutschlands – laut aktuellen bürgerlichen Studien die mit der höchsten Armutsquote – geworden. Zwar hat die Stadt immer noch den zweitgrößten Hafen des Landes, die angesiedelten Unternehmen sind aber größtenteils nicht in Händen großer „Player“ wie zu Hochzeiten z.B. des Norddeutschen Lloyd. Die haben ihre Produktion heute weitestgehend in China und anderen Teilen Ostasiens angesiedelt, und wenn in Europa, dann hauptsächlich in Rotterdam und Antwerpen. Dass unsichere Jobs und Kündigungen an „wirtschaftlich schwachen Standorten“ wie Bremerhaven in Zeiten der Krise stark zunehmen, zeigt auch der Stellenabbau des Bremer Containerterminalbetreibers „Eurogate“ – mehrere Hundert geplante Kündigungen in Hamburg und besonders Bremerhaven. Der offen genannte Anspruch: Die Arbeiter an den Containern sollen „mehr und schneller arbeiten“. Auch Eurogate ist ein Kandidat, der als mittelgroßes Unternehmen mit hoher Wahrscheinlichkeit starken Schaden in der Krise nehmen wird. Dazu hat z.B. der Gesamthafenbetriebsverein (GHBV) mit 1300 Hafenarbeitern Insolvenz angemeldet. Und je mehr angeschlagener Unternehmen am Hafen, desto überflüssiger die ganze Stadt Bremerhaven für den deutschen Imperialismus. Dann kommen kaum noch Gelder mehr für Infrastruktur, Bauprojekte usw. – so wird eine ganze Gegend fallen gelassen und noch ärmer. Natürlich möchte das keiner in der Bremer Bürgerschaft, so wird um Hilfe beim Bund für die Lloyd-Werft gebettelt. Aber der deutsche Imperialismus hat dringendere Probleme. Die hauptsächliche Hoffnung beruht für die Regierungskoalition und die CDU auf der Heinrich-Rönner-Gruppe aus Bremerhaven, die deutlich kleiner ist als die Genting und Interesse an einer Übernahme haben soll. Eine stabile Perspektive ist das nicht für die Lloyd-Werft und die Belegschaft. Die Lokalpolitik stellt sich mal wieder hilflos daneben – man tue ja das, was man tun kann, und muss jetzt auf Bund und Rönner hoffen.
Weg mit den Verrätern der Arbeiter!
Heuchlerische Aussagen wie die der Bremer Lokalpolitiker hört man auch von den gelben Gewerkschaften. In Frage der Hafenwirtschaft ist es in der Hauptsache die IG Metall, die angeblich für die ökonomischen Interessen der Arbeiter kämpft. Sie zeigen sich „wütend“ oder „besorgt“ über das Verhalten der Betriebe und beklagen ein paar Punkte, in denen man uns ungerecht behandelt hat. Etwas daran ändern tun sie aber auch nicht. Das ist kein Wunder, nachdem sie jahrelang den Kampf der Arbeiter versucht haben zu mäßigen und für schlechte Abmachungen mit den Unternehmen zu verraten. Mit dem Ergebnis, dass die Arbeitsbedingungen oft verschlechtert werden und der Kampf dagegen ins nichts führt. Jetzt, wo die Massenentlassungen vor der Tür stehen, ist es Aufgabe der Revolutionäre, die Rolle der gelben Gewerkschaften vor der breiten Masse an Arbeitern zu entlarven. Dieses Jahr steht die Bundestagswahl an, und mit den bürgerlichen Parteien werden auch die gelben Gewerkschaften sich wieder präsentieren müssen. Während der Wahlboykott entfaltet wird, muss deutlich gemacht werden, dass es nur einen Weg aus dieser Krise gibt: Revolution!
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