Montag, 12. September 2011

Gentechnik

Gentechnik-Seilschaften: Newsletter am 9.9.2011

************www.biotech-seilschaften.de.vu**************
DARF GERNE WEITERGELEITET WERDEN ... GANZ ODER TEXTWEISE
*************Verfasst von: Jörg Bergstedt***************


Hallo,
das deutsche Haupttreffen der Gentechnik-Seilschaften
(InnoPlanta-Forum) ist vorbei. Es war begleitet von recht bunten
Protesten, die aber - das bleibt ein zentrales Problem - weitgehend
"nur" von unabhängigen Aktiven und kaum bis gar nicht von Verbänden,
Parteien usw. getragen wurden. Immer noch ist da offenbar Monsanto
das Hassbild, während die deutschen Konzerne und noch mehr die
deutschen Unis und Regierungen geschont werden. Umso schöner, dass
zumindest eine Zeitlang der Zugang blockiert werden konnte - eine
Symbolik, die mehr ist als Begleitfolklore zum Unverhinderbaren.
Berichte aus dem InnoPlanta-Treffen weisen darauf hin, dass die
Stimmung dort verbissen-pessimistisch ist: Hass auf
FeldbefreierInnen (die wieder sehr effektiv die Zahl der Felder
reduziert hatten), Hass auf bayrische BäuerInnen. Wer steigt ein in
diese Runde der Hassobjekte deutscher Gentechnik-SeilschafterInnen???

Bilder und ein paar Berichte finden sich unter
http://de.indymedia.org/2011/09/315621.shtml. Keine Frage:
Widerstandskultur gibt es in diesem Land nicht so recht. Große Demos
an sonnigen Wochenenden weit ab von den Konfliktorten, lange
Unterschriftenlisten und gigantische Spendeneingänge bei Verbänden
und den emporschießenden Bewegungsagenturen sind eine Seite des
Protestes. Scheu vor Konflikten und Zurückhaltung dort, wo es
brennt, die andere. Hier bleibt Luft nach oben - und trotzdem ein
bisschen Freude über immerhin zwei gelungene Kleinblockaden am Tag
des InnoPlanta-Forums: Eine sitzend und stehend auf der Straße und
eine mit raffinierter technischer Unterstützung durch ein tragbares
Dreibein (siehe Fotos unter dem angegebenen Link). So deutete da,
was geschehen ist, an, was möglich wäre ...
Finde ich und grüße alle aus der Projektwerkstatt, Jörg B.


NEUIGKEITEN

Zitate aus dem InnoPlanta-Forum (Teil 1, Minutenangaben stammen aus
Mitschnitten)
Es gibt Tonbänder von fast allen Teilen der Tagung ... wir schreiben
die Stück für Stück ab. Hier gibt es also den ersten Schwung
ausgewählter Sprüche. Sie stammen aus der Pressekonferenz (6.9. kurz
nach Mittag) und der anschließenden Preisverleihung.
Statement von Karl-Friedrich Kaufmann, AGIL
"Mir hat heute morgen einer gesagt: "Der Pollen fliegt 25km". Ich
sage, dass ist ein Glück, dass er soweit fliegt für die Menschheit
bisher gewesen. Das soll auch in Zukunft so bleiben, das wollen wir
nicht unterbinden.
Politiker ... fordern gentechnisch freie Zonen. Die gibts nicht. ...
man kann das eigentlich von vorneherein abschminken.
Forderungen an die Politik in Brüssel und in Deutschland: ...
Fortführung der Sicherheitsforschung, aber dann eine
uneingeschränkte Akzeptanz der Ergebnisse ...
4. Einführung praktikabler Schwellenwerte für Saatgut auch im
ökologischen Landbau.
5. Zwingendes Nachdenken in den Verbänden des ökologischen Landbaus,
um auch dort alle Züchtungsmethoden hoffähig zu machen.
6. Staatliche Förderung der Pflanzenzüchtung im Interesse der
Biodiversität."

Klaus Ammann als Schlusswort: "Greenpeace und Friends of the Earth,
die einfach Quatsch erzählen und das beinflusst die Leute. Warum
beeinflusst das die Leute? Weil sie ... genetisch darauf
programmiert sind, Ängste auszustehen und durchzumachen. In unserem
Leben fehlen uns die Angst und die wirklichen Besorgnisse. Und
deshalb sind wir auch bereit, Ereignisse wie das Waldsterben und das
Global Warming usw. als derart große Besorgnis wahrzunehmen - und
insbesondere auch ... dass wir einfach besorgnisbereit sind und
jeden Quatsch glauben."

Bei der Preisverleihung
Horst Rehberger (FDP, InnoPlanta-Beirat und -Jury,
Ex-Wirtschaftsminister Sachsen-Anhalt): "Das InnoPlanta-Forum ist
etwas Phantastisches ... Ungewöhnlich war auch letzten Endes, dass
nicht ein Beitrag oder Beiträge in aktuellen Tageszeitungen oder
Journalen ausgewählt wurde, sondern seine Leserbriefe. Herr Szibor
hat sehr, sehr viele Leserbriefe verfasst und setzt sich mit den
Geschehnissen der grünen Gentechnik auseinander. ... Noch etwas, was
offensichtlich bemerkenswert war: Er hat immer den richtigen Ton
getroffen." (Anmerkung: Szibor bezeichnete Gentechnikkritik in
Leserbriefen als "terrorismusfördernden Hasskampagnen" und strickte
an den Nazivergleichen mit.
Andreas Sentker (Zeit, Preisträger): "Eine große Ehre, eine große
Freude - und den Staub vom Schaugarten noch an den Füßen, das ist
genau der richtige Ort"
Reinhard Szibor (Uni Magdeburg, Preisträger): "Ich bin stolz, zumal
der Preis in der Vergangenheit und auch heute an Persönlichkeiten
verliehen wurde, die ich sehr schätze."

Pro-Gentechnik-Demo mit null TeilnehmerInnen
Vor dem InnoPlanta-Forum veranstaltete das Forum Grüne Vernunft eine
Demo pro Gentechnik. Diesmal kauften sie keine Leute. Das Ergebnis:
Außer Veranstalter Jens Harnisch war niemand da. Und als der dann
auch noch ging, hätte die Demo eigentlich zu Ende sein müssen. Doch
Versammlungsbehörde und Polizei sahen das anders und prügelten
Menschen von der verwaisten Flächen. Es war ganz klar: Diese
Pseudo-Demo diente nur dazu, KritikerInnen auf Distanz zu halten.
Damit das nicht wieder passiert, reichte einer derer, die
verscheucht wurden, Verwaltungsklage ein. Wer sich für sowas
interessiert: Sie ist zu finden unter
www.projektwerkstatt.de/gen/2011/farm/fortsetzungsklage100909.pdf …
mal sehen – von 2010 sind da auch noch zwei andere Verfahren
anhängig, weil schon damals kritische Demonstrationen von den
Hilfstruppen der Mächtigen eingeschränkt wurden.


Verfassungsklage gegen Saarbrücker Urteil zur Kritik der
Gentechnikseilschaften
Erinnert Ihr Euch noch? Im Sommer 2009 startete das Trio Horst
Rehberger, Uwe Schrader und Kerstin Schmidt - also keine ganz
Geringen in den Netzwerken - den Versuch, meine Kritik gerichtlich
verbieten zu lassen. Dafür suchten sie sich ein Gericht aus, mit dem
offensichtlich Vorabsprachen oder eine andere Beziehung bestand, um
das Ding ohne jegliche Prüfung durchzuwinken. Das Urteil enthält
spektakuläre Absurditäten, z.B. das Verbot, Üplingen als
Propagandaprojekt zu bezeichnen, weil das Wort "Propaganda" in
Demokratien nicht gebräuchlich sei usw. Offenbar rechnete das Trio
aber nicht mit unserer Zähigkeit - und verlor auf der nächsthöheren
Instanz, und zwar komplett.
Doch Ruhe gaben sie nicht, sondern reichten jetzt Verfassungsklage
ein: Die Ehre eines Landtagsabgeordneten müsse doch höher gewertet
werden als die Meinungsfreiheit! Wer das nachlesen will, kann das
unter
www.projektwerkstatt.de/gen/filz/unterlassung/101020bverfklage.pdf,
meine Antwort auf
www.projektwerkstatt.de/gen/filz/unterlassung/stellungnahme110907bverfg.pdf


Berufungsprozess zur Gatersleben-Feldbefreiung beendet
Drei der sechs AktivistInnen waren trotz des relativ milden Urteils
des Amtsgerichts Aschersleben in Berufung gegangen, um weiter dafür
zu streiten, dass der Ge­nehmigungsbescheid für die Freisetzung in
unmittelbarer Nähe zur Genbank in Gatersleben hinterfragt wird. Die
ersten drei Verhandlungstage waren geprägt von der Zeugenvernehmung.
Die Versuchsleiterin Dr. Weschke musste einige Unregelmäßigkeiten
und Verstöße gegen einen angemessenen Umgang mit einer
Risiko­technologie zugeben.
Am 22.Juli fand nun der letzte Verhandlungstag statt. Die
Angeklagten und ihre VerteidigerInnen hatten etliche Beweisanträge
vorbereitet um dem Gericht (durch die Ladung von Sachverständigen
und Gutachtern) zu verdeutlichen, dass der Genehmigungsbescheid
nichtig und höchst gefährlich gewesen ist. Doch die Kammer ließ sich
auf eine Beschäftigung mit der Brisanz des Falles nicht ein. Fehler,
Schlampereien und die Ignoranz der Vorsorgepflicht interes­sierte
das Gericht nicht. Dies sei für die zu fällende Entscheidung der
Kammer nicht relevant: Für Sachbeschädigung reiche die
Substanzverletzung aus, auf deren Brauchbarkeit, Sinnhaftigkeit oder
gar Gefährlichkeit komme es nicht an. Der Versuch war genehmigt –
und weiter braucht niemand nachzudenken. Eini­ge Beweisanträge
wurden abgelehnt, weil die Feststellung von möglichen Ge­fahren
nicht von Belang seien. „Die Tat war (...) erkennbar nicht geeignet,
eine unterstellte konkrete Gefahr abzuwenden, da die Angeklagten
unter gewollter Einbeziehung eines das Feld ausleuchtenden
Kamerateams begangen haben, so dass von vornherein feststand, dass
die Angeklagten alsbald bei der Tat an­getroffen und eine
vollständige Zerstörung aller Pflanzen verhindert wird.“
Vor der Urteilsverkündung war es für die leider nicht sehr
zahlreichen Anwe­senden noch einmal spannend geworden, als die
Feldbefreier und ihre Verteidi­gerInnen ihre Plädoyers vor trugen.
Wie die Ablehnung der Beweisanträge wurde dann letztendlich auch das
Urteil begründet, welches den Spruch aus der 1.Instanz bestätigte
und die Berufung verwarf. Sowieso sei das Gericht nicht dazu
berufen, über die Gentechnik zu entscheiden. (Quelle:
www.gendreck-weg.de)


Gibt es Demorecht an den bundeseigenen Versuchsflächen?
Es ist schon einige Zeit her und schloss sich an eine Feldbesetzung
an. Die Stadt Braunschweig, deren Spitze selbst in die
Gentechnik-Seilschaften verflochten ist, verbot Demonstration auf
dem großen Gelände an der Bundesallee 50, wo mehrere Bundesbehörden
(z.B. vTI, JKI und BVL) sitzen und ein Genversuchsfeld geplant war.
Ein Eilantrag an das Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht nützte
nichts. Die Polizei baute eine absurde Barrikade vor dem Eingang auf
und so endete die Demo an der Kreuzung davor.
Nun läuft das Hauptverfahren an – und es hat Bedeutung über die eine
Fläche hinaus. Darf sich der Staat auf riesigen Flächen verschanzen
und dort das Versammlungsrecht außer Kraft setzen? Mit einiger
Sicherheit dürfte das Verfahren bis zum Verfassungsgericht gehen –
und dann wird es ähnlich spannend wie bei der Entscheidung, ob in
einem Flughafen, der überwiegend dem Staat gehört, demonstriert
werden darf. Das Verfassungsgericht bejahte das vor einigen Monaten.
Mal sehen, wie es hier ausgeht. Den Auftakt bildet jedenfalls eine
Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig (Am Wendentor 7,
Sitzungssaal 1) am Donnerstag, den 6.10. um 11.30 Uhr.


TERMINE

Donnerstag, 29.9. um 19.30 Uhr in der WERKSTATT Mainz-Mombach,
Strunkgasse 11: Ton-Bilder-Schau "Monsanto auf Deutsch -
Seilschaften zwischen Behörden, Forschung und Gentechnikkonzernen"

Donnerstag, 6.10., im Verwaltungsgericht Braunschweig (Sitzungssaal
1): Mündliche Verhandlung zum Demonstrationsverbot auf dem Gelände
des vTI an der Bundesallee. Geklagt hat der Demoanmelder (Jörg
Bergstedt). Er will, dass das bundeseigene Gelände für
Demonstrationen betreten werden darf - sonst könnten sich ja
wichtige Bundesbehörden sowie z.B. Genversuchsfelder einem
öffentlichen Protest entziehen. Die Verhandlung ist öffentlich!


Und damit erstmal wieder ein herzliches „Tschüß“ - für ein freches
Restjahr … Jörg

P.S. Wie immer das Nachwort: Von der Broschüre „Organisierte
Unveranwortlichkeit“ und dem Buch „Monsanto auf Deutsch“ sind noch
genügend Bestände vorhanden. Bestellungen über das Infoformular auf
unserer Internetseite www.biotech-seilschaften.de.vu, unter
www.aktionsversand.de.vu oder in der Projektwerkstatt. Da andere
Verlage – teilweise mit erstaunlich widerlichen Unhöflichkeiten –
die brisanten Botschaften nicht verlegen wollten, wird „Monsanto auf
Deutsch“ wohl erstmal die einzige Enzyklopädie der
Agrogentechnik“mafia“ bleiben.

--
Verfasst in der
Projektwerkstatt Saasen, 06401/90328-3, Fax -5, 01522-8728353
Ludwigstr. 11, 35447 Reiskirchen-Saasen (20 km östlich Giessen)
www.projektwerkstatt.de/saasen
++ Tagungshaus ++ politische Werkstätten ++ Archive und
Bibliotheken ++ Direct-Action-Plattform ++ Bahnanschluß ++
ReferentInnenangebote ++ Sachspenden gesucht: Was gerade fehlt,
steht immer unter www.projektwerkstatt.de/gesucht ++

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