Donnerstag, 23. März 2023
[IMI-List] [0631] Neue Texte (Drohnen, Zielbild Marine, Westsahara, …) / Portrait des neuen GI Breuer
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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0631 .......... 26. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos)........ https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste/
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List finden sich
1.) Hinweise auf zahlreiche neue IMI-Texte;
2.) ein Portrait des neuen Generalinspekteurs der Bundeswehr, Carsten
Breuer.
1.) Neue Beiträge auf der IMI-Homepage
IMI-Analyse 2023/15
Zielbilder für Großmachtkriege
Die neuen Streitkräfteplanungen von Heer und Marine
https://www.imi-online.de/2023/03/20/zielbilder-fuer-grossmachtkriege/
Jürgen Wagner (20. März 2023)
IMI-Standpunkt 2023/012
Wo ist eigentlich die „Combat Cloud“?
In der KI-gestützten Gefechstführung fallen immer mehr Daten an. Wo
werden sie verarbeitet?
https://www.imi-online.de/2023/03/20/wo-ist-eigentlich-die-combat-cloud/
Christoph Marischka (20. März 2023)
IMI-Analyse 2023/13
Drohnen als Massenware im Abnutzungskrieg
Der Ukrainekrieg als Testfeld und Katalysator
https://www.imi-online.de/2023/03/16/drohnen-als-massenware-im-abnutzungskrieg/
Christoph Marischka (16. März 2023)
IMI-Standpunkt 2023/011
Gegen Partei, Bevölkerung und Völkerrecht
Spanischer Ministerpräsident bekräftigt Marokkos Souveränität über
Westsahara. Parlament geht mit Staatsbürgerschaft für Sahrauis in die
andere Richtung.
https://www.imi-online.de/2023/03/15/gegen-partei-bevoelkerung-und-voelkerrecht/
Pablo Flock (15. März 2023)
IMI-Standpunkt 2023/010
Rezension: Die Grünen. Von der Protestpartei zum Kriegsakteur
https://www.imi-online.de/2023/03/13/rezension-die-gruenen-von-der-protestpartei-zum-kriegsakteur/
Yasmina Dahm und Pablo Flock (13. März 2023)
2.) IMI-Analyse: Portrait des neuen GI Breuer
IMI-Analyse 2023/12
Krisenprofiteur wird Generalinspekteur
Wer ist der neue Mann an der Spitze der Bundeswehr?
https://www.imi-online.de/2023/03/16/krisenprofiteur-wird-generalinspekteur/
Martin Kirsch (16. März 2023)
Bereits seit Tagen war darüber berichtet worden. Seit dem 15. März 2023
ist es offiziell. General Carsten Breuer wird neuer Generalinspekteur
der Bundeswehr und damit „militärischer Berater der Bundesregierung“,
„höchster militärischer Repräsentant der Bundeswehr“ und „Teil der
Leitung des Verteidigungsministeriums“.[1] Er löst den scheidenden
Generalinspekteur Eberhard Zorn ab, der bereits vor fünf Jahren, noch
unter Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, ins Amt berufen wurde.
Doch wie kam der ausgebildete Heeresflugabwehrsoldat, studierte Pädagoge
und zwischenzeitige Jugendoffizier[2] Breuer zu seinem neuen
Spitzenposten? Noch vor wenigen Jahren war diese steile Karriere kaum
absehbar. Damals mit zwei Sternen auf der Schulter wechselte Breuer 2018
aus der dritten Reihe des Kommandos Heer auf den Kommandeursposten des
damals eher zweitrangigen Kommandos Territoriale Aufgaben der Bundeswehr
in Berlin.[3] Dann kam die Corona-Pandemie und Breuers Kommando stand
plötzlich im Mittelpunkt der Unterstützung der Bundeswehr für diverse
zivile Bereiche – einem der größten Inlandseinsätze in der Geschichte
der Bundeswehr.
Krisen als Karrieresprünge
Die zentrale Rolle in der Koordination der Corona-Einsätze der
Bundeswehr führte kurz nach der Bundestagswahl im September 2021 zu
Breuers erstem Stritt auf die ganz große Bühne. Noch bevor die neue
Bundesregierung vereidigt war, wurde Breuer zum Leiter des neu
einberufenen Corona-Krisenstabes im Bundeskanzleramt berufen.[4] Die bis
dahin stockende bundesweite Impfkampagne sollte von einem General der
Bundeswehr auf das politisch gewünschte Tempo gebracht werden. Allen
bisherigen politischen Gepflogenheiten zum Trotz wurde ein Militär auf
einen politischen und damit eigentlich zivilen Spitzenposten gehoben.
Zudem zog das Kanzleramt unter Bundeskanzler Scholz die innerhalb des
komplexen Gefüges der föderalen Strukturen eigentlich bei den
Bundesländern liegende Verantwortung für die Impfkampagne an sich und
gab sie Breuer in die Hand.[5]
Im Krisenstab im Kanzleramt erhielt Breuer seinen dritten Stern und
arbeitete bis zur Auflösung des Corona-Krisenstabes im Mai 2022 wohl
nicht nur gemessen an den blanken Ergebnissen zur Zufriedenheit von
Kanzler Scholz. Im Juni 2022 folgte dann die politische Ankündigung, ein
neues Territoriales Führungskommando der Bundeswehr aufzustellen.[6] Das
neue Kommando wechselte aus der bisher zergliederten
Bundeswehrhierarchie auf die gleiche Ebene mit dem für alle
Auslandseinsätze zuständigen Einsatzführungskommando – angesiedelt
direkt unter dem Generalinspekteur und damit außerhalb bzw. in konkreten
Einsatzaufgaben im Inland sogar oberhalb der Teilstreitkräfte.[7]
Vorerst als Leiter des Aufbaustabes wurde Carsten Breuer dann Ende
September 2022 feierlich zum ersten Kommandeur des neuen Territorialen
Führungskommandos ernannt.[8]
Direkter Draht zu Scholz
Nachdem Breuer Kanzler Scholz bereits als Leiter des Krisenstabes im
Kanzleramt persönlich kennengelernt hatte, nutzte er auch seinen neuen
Posten und hielt regelmäßig Kontakt. Am 25. August 2022 besuchte Kanzler
Scholz die Ausbildung von künftigen ukrainischen Gepard-Besatzungen auf
dem Luftbodenschießplatz der Bundeswehr im holsteinischen Putlos.[9]
Führen ließ er sich vom ausgebildeten Heeresflugabwehrsoldaten Breuer.
Ende Februar 2023 besuchte Kanzler Scholz dann Breuers neues
Territoriales Führungskommando.[10] Würde dieser Text als Klatschkolumne
erscheinen, würde das auf dem Twitter-Kanal von Scholz verbreitete
Bild,[11] auf dem Kanzler und General gemeinsam lachen, wohl mit
Kommentaren wie „Läuft da was?“ untermalt werden. Was Breuer und Scholz
bei ihrem Zusammentreffen hinter verschlossenen Türen besprachen, ist
nicht bekannt. Es liegt aber nahe, dass auch die Option von Breuers
Aufstieg zum Generalinspekteur zur Sprache kam. Die persönliche
Beziehung zu Kanzler Scholz ist allerdings nicht die einzige
Qualifikation des künftigen Generalinspekteurs.
Medienaffin und machthungrig
Spätestens seit seinem Amt als Chef des Corona-Krisenstabes im
Kanzleramt rückte General Breuer als Erklärer der Impfkampagne in den
Fokus der medialen Aufmerksamkeit. Mit dem Wechsel aus dem Kanzleramt
zurück in die Bundeswehrhierarchie verfiel er aber nicht wieder in das
Schweigen, das sonst von vielen Generälen bekannt ist. Er gab Interviews
und äußerte sich auch zu eher heiklen politischen Themen, bei denen sich
andere Generäle gern auf die Zunge beißen.
Auch wenn der scheidende Generalinspekteure Zorn nach Beginn des
aktuellen Krieges in der Ukraine deutlich häufiger in den Medien zu
sehen war, als zuvor, merkte man ihm an, dass es sich dabei eher um
einen Akt der Pflichterfüllung handelte. Breuer hingegen mag das
Rampenlicht.
Wie sehr der künftige Generalinspekteur nicht nur die Kameras, sondern
auch die Macht genießt, wird in einem von der Bundeswehr selbst
produzierten Youtube-Interviewformat von Juli 2022 deutlich. Dort führt
Breuer, in der Rolle des Leiters des Krisenstabes, den sichtlich
überraschten Moderator des „Führungsfahrzeugs“ auf die Terrasse des
Kanzleramtes und zeigt ihm stolz den Ausblick über das Regierungsviertel
in Berlin.[12]
Das dort sichtbare Streben nach Macht zeigte Breuer auch auf seinen
letzten Karriereschritten. Mit dem neuen Posten als Kommandeur des
Territorialen Führungskommandos zog Breuer nicht nur an seinem
ehemaligen Chef, dem Inspekteur der Streitkräftebasis General Schelleis,
vorbei, sondern nahm ihm auf dem Weg gleich noch zentrale
Entscheidungskompetenzen und unterstellte Dienstellen ab – schwächte
damit sogar seine bisherige militärische Heimat, die Streitkräftebasis
so sehr, dass sie vermutlich bald aufgelöst werden wird.[13]
Breuer ist sich nicht zu schade auch höheren Generälen auf die Füße zu
treten, wenn er es für die Erfüllung seiner Aufgabe und sein
persönliches Vorankommen für nötig hält. Diese Fähigkeit, gepaart mit
seinen Erfahrungen mit militärischen Transformations- und politischen
Entscheidungsprozessen[14] machen ihn zu dem Kandidaten, dem der von der
Bundesregierung angemahnte Umbau der Bundeswehr, von einer Mischung aus
Friedensdienst in Deutschland und Einsätzen im Ausland hin zur
allgemeinen Kriegsbereitschaft, anscheinend zugetraut wird.
Wie tickt Carsten Breuer?
Wenn die Aufgabe ruft ist Breuer gern bereit, über komplexe Strukturen,
Machtgefüge und bisherige politische Tabus hinwegzugehen. Als Vorbild
beruft er sich dabei auf niemand geringeren als Helmut Schmid. Bei einem
Appell in der Umbauphase zum Territorialen Führungskommando stellte sich
Breuer vor seine Untergebenen ans Rednerpult und tauchte in die
Geschichte des Bundeswehreinsatzes während der Sturmflut in Hamburg 1962
ein: „Damals, 1962, hatte der Hamburger Innensenator Helmut Schmid an
allen Instanzen vorbei telefonisch die Bundeswehr angefordert. Gegen
geltendes Recht, aber ziemlich effektiv und im Rückblick richtig. Und
damit hat er ein Beispiel auch für uns in unserer Zeit gegeben. Auch wir
müssen immer wieder die Frage nach der Zweckmäßigkeit von Verfahren, von
Verordnungen und Vorschriften stellen – immer jeden Tag in unserem
täglichen Dienst.“ Damit schwor er seine Mitarbeiter*innen darauf ein,
es mit dem Recht – zur größten Not wohl auch dem Verfassungsrecht – im
Sinne der militärisch effizienten Auftragserfüllung nicht zu ernst zu
nehmen.[15]
Das nimmt sich der Chef selbst auch zu Herzen. Als bisheriger Mann der
Heimatfront waren es das vermeidliche Dickicht föderaler Strukturen, die
der Bekämpfung der Corona-Pandemie im Weg standen sowie die
schwergängige Zusammenarbeit zwischen Polizei und Bundeswehr in der
inländischen Terrorbekämpfung, an die Breuer die Axt anlegte.[16] In
beiden Fällen Strukturen, die in der Gründungsphase der Bundesrepublik
bewusst angelegt wurden, um als Lehre aus dem Nationalsozialismus eine
zu große Machtkonzentration bei Zentralstaat und Militär zu vermeiden.
Im Anbetracht des Krieges in der Ukraine und der Konfrontation der NATO
mit Russland gab Breuer als Chef für alle Inlandsaufgaben der Bundeswehr
Interviews, in denen er sein Aufgabenfeld umriss: „Wir stellen uns hier
im Kommando vor allem auf hybride Bedrohungen ein. Das ist der Zustand
zwischen nicht mehr ganz Frieden, aber auch noch nicht richtig Krieg“,
sagte Breuer gegenüber dem Spiegel. „Jede Umspannstation, jedes
Kraftwerk, jede Pipeline kann attackiert werden, kann ein mögliches Ziel
sein“, ließ er die Bild am Sonntag wissen. Die größte Bedrohung in
Deutschland sieht er in „Einflussnahmen, mit Anschlägen auf
Infrastruktur und mit Cyberangriffen, oder zum Beispiel Aufklärungsflüge
mit Drohnen über Kasernen. Also Nadelstiche, die in der Bevölkerung, die
bei uns Verunsicherung schüren und das Vertrauen in unseren Staat
erschüttern sollen.“ Für die Bundeswehr ist der Weg laut dem künftigen
Generalinspekteur damit klar vorgezeichnet. „Der Krieg Russlands hat
dazu geführt, dass unser Schwerpunkt wieder auf der Landes- und
Bündnisverteidigung liegt. Dem ganzen Land ist klar geworden: Krieg in
Europa ist wieder möglich.“[17]
Und das habe auch Konsequenzen für den Bürger, der sich klar werden
solle, „dass er sein individuelles Verhalten ändern sollte“. Neben der
mentalen Kriegsbereitschaft zählt Breuer dazu auch praktische Schritte,
wie die Anschaffung von Taschenlampen, Radios und genügend Batterien, um
sich individuell auf den Krisen- oder Kriegsfall vorzubereiten. Dieser
Mann der Kriegsbereitschaft und damit auch der Stunde wird künftig auf
dem Stuhl des Generalinspekteurs nicht nur die Bundeswehr führen,
sondern auch „seinen“ Bürgern erklären, wie sie sich kriegsbereit zu
halten haben.
Anmerkungen
[1] Bundesministerium der Verteidigung: Generalinspekteur wechselt:
Breuer folgt auf Zorn, 15.03.23, bmvg.de.
[2] Bundeswehr: Curriculum Vitae Generalleutnant Carsten Breuer,
o.D., web.archive.org.
[3] Ebd.
[4] IMI-Standpunkt 2021/062, Martin Kirsch: Impfkampagne mit General
– Die Bundeswehr als Krisenmanager im zivilen Katastrophenschutz,
03.12.21, imi-online.de.
[5] Ebd.
[6] RBB: Neues territoriales Führungskommando der Bundeswehr kommt
nach Berlin, 13.06.22, rbb24.de.
[7] IMI-Analyse 2022/32, Martin Kirsch: Neues Territorialkommando –
Truppenaufmarsch, Inlandseinsätze und Reformvorhaben, 23.06.22,
imi-online.de.
[8] Bundeswehr: Curriculum Vitae Generalleutnant Carsten Breuer,
o.D., web.archive.org.
[9] Bundesregierung: Bundeskanzler Scholz in Putlos – Unterstützung
für ukrainische Streitkräfte, 25.08.22, bundesregierung.de.
[10] Bundeswehr: Ausdruck der Zeitenwende: Bundeskanzler Olaf Scholz
besucht das TFK, 28.02.23, bundeswehr.de.
[11] Bundeskanzler Olaf Scholz: Tweet vom 28.02.23, twitter.com.
[12] Cyber Innovation Hub der Bundeswehr: „Wir Soldaten können Krise“
– Corona-General Breuer zu Gast im Führungsfahrzeug, 13.07.22, via:
youtube.com.
[13] Die Auflösung der Streitkräftebasis wurde bereits im 2021 von
Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer und Generalinspekteur Zorn
veröffentlichten Eckpunktepapier für die Bundeswehr vorgeschlagen.
Siehe: IMI-Studie 2021/05, Martin Kirsch: Bundeswehr der Zukunft –
Eckpunkte für den Kalten Krieg 2.0, 26.05.21, imi-online.de.
[14] Als Stellvertreter des Repräsentanten des Supreme Allied
Commander Transformation und Dezernatsleiter Capability
Development/Strategic Plans and Policy im NATO-Hauptquartier und Chef
des Stabes in Brüssel machte Breuer zwischen 2008 und 2010 nicht nur
Erfahrungen in der NATO, sondern auch in deren Unterorganisation, die
für die strategische Entwicklung der militärischen Strukturen des
Bündnisses verantwortlich ist. Als Projektbeauftragter für das Weißbuch
2016 zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr im
Bundesministerium der Verteidigung in Berlin gilt Breuer nicht nur als
Autor des wichtigen Strategiepapiers, sondern machte vermutlich auch
Erfahrungen mit der politischen Aushandlungen innerhalb der
Bundesregierung um den finalen Text des Weißbuchs. Siehe: Bundeswehr:
Curriculum Vitae Generalleutnant Carsten Breuer, o.D., web.archive.org.
[15] IMI-Standpunkt 2022/039, Martin Kirsch: Neues Territorialkommando
– Kommandeur sieht Verfassungsrecht eher flexibel, 28.09.22, imi-online.de.
[16] Bundeswehr: „Polizei schützt – Bundeswehr unterstützt“, 21.10.22,
bundeswehr.de.
[17] Spiegel-Online: Bundeswehrgeneral Breuer warnt vor Angriffen auf
deutsche Infrastruktur, 09.10.22, spiegel.de.
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