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Justiz und Gesetz im Dienst der Kriegsführungsfähigkeit der Bundeswehr
9.4.2010, Michael Haid
"Im Übrigen ist die Militärjustiz in allen Fällen von Übel: nicht nur,
weil sie vom Militär kommt, sondern weil sie sich als Justiz gibt, was
sie niemals sein kann." (Kurt Tucholsky)
Nach der Herstellung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr müsse nun die
zivile Justiz in Deutschland, der auch die Bundeswehrangehörigen
unterworfen sind, nach der Auffassung des Parlamentarischen
Geschäftsführers der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen, "im Ausland
einsatzfähig gemacht"[1] werden. Das Vorhaben einer "einsatzfähigen
Justiz" korrespondiert eng mit der Änderung des anzuwendenden Rechts bei
Straftaten, die deutschen Soldaten im Auslandseinsatz vorgeworfen
werden. Aus Anlass des Luftangriffs nahe Kundus vom 4. September 2009
findet voraussichtlich nicht mehr das nationale Strafrecht Anwendung,
sondern es wird das am 30. Juni 2002 in Kraft getretene
Völkerstrafgesetzbuch herangezogen. Dieses räumt der
Kriegsführungsfähigkeit der Bundeswehr einen weit größeren Spielraum
hinsichtlich der in der Aufstandsbekämpfung getöteten Zivilisten (die
sog. zivilen Begleitschäden) ein. Den Konsequenzen dieser beiden
Entwicklungen widmet sich dieser Beitrag.
Die Sonderstaatsanwaltschaft
In der Vergangenheit kam in den Auslandseinsätzen der Bundeswehr die
Tötung von an Kampfhandlungen unbeteiligten Zivilpersonen immer wieder
vor. Nach Warnschüssen erschoss am 21. Januar 1994 ein deutscher
Wachtposten einen von zwei Somalis, die im Begriff waren, in das Depot
des Bundeswehrlagers bei Belet Huen einzudringen. Der Somali war der
erste durch Bundeswehrsoldaten getötete Zivilist in einem
Auslandseinsatz. Seit die Bundeswehr im Ausland interveniert, wurden 140
Fälle strafrechtlich relevanten Verhaltens gezählt, allein 20 davon im
Jahr 2009. Zu Anklagen oder gar Verurteilungen kam es bisher in keinem
Fall.[2] Die zuständige Staatsanwaltschaft in Deutschland stellte nach
Vorermittlungen das Verfahren jeweils ein, da sie davon überzeugt war,
dass die Soldaten sich in einem tatsächlichen oder angenommenen
Selbstschutz verteidigten oder ihren Irrtum nicht vermeiden konnten.
Trotzdem fordern die Militärs für ihr Tun Rechts- und
Handlungssicherheit. Insbesondere durch die Verschärfung des
Kriegseinsatzes in Afghanistan verrichtet die Bundeswehr dort zunehmend
militärisch "täglich Drecksarbeit".[3] Diese soll deshalb nicht mehr
zeitlich langwierigen, den einzelnen Soldaten wie die Bundeswehr
insgesamt psychisch stark belastenden staatsanwaltlichen Untersuchungen
ausgesetzt sein, die zudem immer stärker die Gefahr eines unsicheren
bzw. negativen Ausgangs in sich bergen.
Infolgedessen übernahm die neue Bundesregierung die bereits lang
erhobene Forderung der Bundeswehrführung und ihr nahe stehender
Politiker nach einem "neu zu definierenden Rechtsstatus für unsere
Soldatinnen und Soldaten im Kampfeinsatz."[4] Schon länger werden die
Kosten für die strafrechtliche Verteidigung bei allen Bundesbediensteten
übernommen, die wegen einer dienstlichen Tätigkeit im Ausland einer
Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit beschuldigt
oder verdächtigt werden.[5] Das Vorhaben der Bundesregierung geht aber
weit darüber hinaus.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Außenminister
Guido Westerwelle (FDP) haben in ihren Reden vor dem Deutschen Bundestag
am 19. November 2009 bzw. am 10. Februar 2010 - in Abkehr von der
Auffassung der bisherigen Bundesregierungen - den Krieg in Afghanistan
übereinstimmend als "nicht internationalen bewaffneten Konflikt im Sinne
des humanitären Völkerrechts" bezeichnet. Rechtlich ist diese Bewertung
der Bundesminister ohne Bedeutung, da ausschließlich die Feststellung
durch die Bundesanwaltschaft, die in einer Presseerklärung von Mitte
März 2010 dieselbe Einschätzung teilt, ausschlaggebend ist. Politisch
ist sie durchaus folgenreich. Denn diese Neubewertung müsse, so die
Schlussfolgerung der beiden Politiker, Konsequenzen für die
Handlungsbefugnisse der Soldaten, für die Befehlsgebung und für die
Beurteilung des Verhaltens von Soldaten in strafrechtlicher Hinsicht
haben.[6]
Deshalb soll laut Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP "eine zentrale
Zuständigkeit der Justiz für die Verfolgung von Straftaten von Soldaten,
die diesen in Ausübung ihres Dienstes im Ausland vorgeworfen werden"[7]
geschaffen werden. Wie diese Zuständigkeit genau ausgestaltet werden
soll, ist noch nicht endgültig geklärt. Es besteht aber die Absicht,
durch die Konzentration von örtlichen Zuständigkeiten eine zentral
zuständige Staatsanwaltschaft, die eine Spezialisierung innerhalb der
allgemeinen Strafgerichtsbarkeit ermöglichen soll, zu errichten.[8] Das
würde dazu führen, dass aufgrund des Sitzes des Einsatzführungskommandos
in Geltow regelmäßig die Staatsanwaltschaft des Landgerichts in Potsdam
zuständig wäre (§ 143 I GVG). Diese zentrale Zuständigkeit soll die
schon bestehende Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe für
Delikte nach dem Völkerstrafgesetzbuch ergänzen (§ 120 I Nr. 8 GVG i. V.
m. § 142a I GVG).
Dieses Vorhaben ist, um Missverständnissen vorzubeugen, kein Plan zur
Einrichtung einer eigenen Wehrgerichtsbarkeit für Soldaten im
Auslandseinsatz. Diese Möglichkeit existiert zwar in Artikel 96 II GG,
soll aber nicht umgesetzt werden. Danach könnten Wehrstrafgerichte als
Bundesgerichte eingerichtet werden, welche die Strafgerichtsbarkeit nur
im Verteidigungsfalle sowie über Angehörige der Streitkräfte, die in das
Ausland entsandt oder an Bord von Kriegsschiffen eingeschifft sind,
ausüben könnten. Von einer eigenen Militärgerichtsbarkeit gar wurde nach
der Neuaufstellung der Bundeswehr 1956 aufgrund der historischen
Erfahrungen mit dem Reichsmilitärgericht des Kaiserreichs ab 1871 und
der NS-Militärjustiz von 1935 bis 1945 abgesehen. Ein Militärgericht ist
ein Gericht, das aus Militärrichtern besteht und die
Strafgerichtsbarkeit über Militärangehörige ausübt. Eine solche
Möglichkeit wird auch nicht durch Artikel 96 II GG eröffnet. Deshalb
gilt weiterhin der Grundsatz, dass Bundeswehrangehörige, auch bei
militärischen Straftaten, der zivilen (ordentlichen) Gerichtsbarkeit
unterstehen. Dennoch wird die erklärte Intention, mit der
Sonderstaatsanwaltschaft die Voraussetzungen für eine schnelle und vor
allem reibungslose Behandlung von Strafbarkeitsvorwürfen zu etablieren,
voraussichtlich vollständig erreicht, da damit das Militär "der Gefahr
einen Riegel vorschieben [kann], dass militärisches Unrecht, das man
ohnehin lieber unter den Teppich gekehrt sehen möchte, juristisch
aufgeklärt wird." Denn der nach der Rechts- und Handlungssicherheit
verlangenden Generalität und Regierung geht es "letztlich und
unmissverständlich um die Ausstellung eines Freibriefs für künftige
Bombardierungen."[9]
Somit ist aus Sicht der Bundeswehrführung eine eigene
Militärgerichtsbarkeit auch gar nicht notwendig, da deren Zweck in der
Zeit des Kaiserreichs und des Nationalsozialismus in ihrer bestrafenden
und disziplinierenden Wirkung (bspw. bei Desertionen) zu sehen ist. Das
hier vorgesehene Verfahren dient eher dem Schutz und der Absicherung der
oben erwähnten "täglichen Drecksarbeit."
Zudem bestehen hinsichtlich der Errichtung der geplanten
Sonderstaatsanwaltschaft verfassungsrechtliche Bedenken, da eine solche
Regelung gegen die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern
verstoßen könnte.[10]
Der Bock wird zum Gärtner gemacht
Aufschlussreich ist, wie die Ermittlungspraxis dieser für Kriege
"einsatzfähigen Justiz" nach den Vorstellungen des Vorsitzenden des
Bundeswehrverbands, Ulrich Kirsch, aussehen soll. Er versteht darunter
die vorübergehende Unterstellung der sich im Einsatzland befindlichen
Bundeswehrjuristen unter das Dach des Bundesjustizministeriums und der
Feldjäger unter das Dach des Bundesinnenministeriums. Eine
grundsätzliche Zuständigkeit sieht der Bundeswehrverband weiterhin bei
der Bundesanwaltschaft mit Hauptsitz in Karlsruhe.[11]
Vorausgesetzt, dieser Vorschlag würde tatsächlich umgesetzt werden,
würde dies einen sehr geringen eigenständigen Ermittlungsspielraum für
die Staatsanwaltschaft bedeuten. Die Überlegung eines, zugegebenermaßen
häufig schwierigen, Rechtshilfeverfahrens wie auch der Einsatz von
eigenen staatsanwaltschaftlichen Hilfsbeamten wird zumindest nirgends
erwähnt. Folglich bleibt die Staatsanwaltschaft für Untersuchungen vor
Ort auf die Rechtsberater und die Feldjäger der Bundeswehr angewiesen,
was übrigens seit 1994 gängige Praxis ist. Bisher durfte sie diesen
keinerlei Weisungen erteilen, da sie nicht zu den Hilfsbeamten der
Staatsanwaltschaft zählen und weiterhin dem Verteidigungsministerium
unterstellt sind, was sich allerdings nach Kirschs Vorstellung
vorübergehend ändern würde. Anhaltspunkte, dass dieses Verfahren zu
bundeswehrfreundlichen Ergebnissen führen könnte, gebe es laut
Verteidigungsministerium nicht.[12]
In der Konsequenz ermitteln Bundeswehrangehörige gegen
Bundeswehrangehörige in Bundeswehrangelegenheiten. Ein unabhängiges und
rechtsstaatlich einwandfreies Verfahren kann so keinesfalls als
gesichert gelten. Oder auf den Punkt gebracht: Der Bock wird zum Gärtner
gemacht.
Der Präzedenzfall des Luftangriffs nahe Kundus vom 4. September 2009
Die Bedeutung des Kundus-Luftangriffs im Zusammenhang mit der geplanten
Sonderstaatsanwaltschaft wie mit der erstmaligen Anwendung des
Völkerstrafgesetzbuchs kann als nicht folgenreich genug eingeschätzt
werden und muss auch im gesellschaftlichen Kontext gesehen werden. Die
Motivation dieses Angriffs beruhte nicht auf Gründen eines angenommenen
Selbstschutzes der betroffenen Soldaten. Die Anforderung der
US-Kampfflugzeuge geschah im Rahmen einer Operation zur gezielten Tötung
Aufständischer durch die Task Force 47 bzw. des zur Hälfte aus ihr
bestehenden Kommandos Spezialkräfte (KSK). Neben einigen der
Aufständischen wurde billigend die Tötung der anwesenden lokalen
Zivilbevölkerung in Kauf genommen. Insgesamt kamen 142 Menschen in
dieser Nacht ums Leben. Darunter waren auch Kinder.
Gezielte Tötungen sind weder mit dem Wortlaut des am 26. Februar 2010
neu verabschiedeten ISAF-Mandats noch nach Aussage des Mitglieds im
Verteidigungsausschuss des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), mit
"dem Geist der Bundestagsmandate (...) vereinbar."[13] Mit dem
Kundus-Luftangriff hat die Bundeswehr nach der Meinung von Hans J.
Gießmann, Direktor des Berghof Conflict Research in Berlin, und Armin
Wagner, Military Fellow am Institut für Friedensforschung und
Sicherheitspolitik der Universität Hamburg, einen "zweiten Rubikon"
überschritten, hin zu "Kampfeinsätzen mit all ihren Konsequenzen."[14]
Demzufolge werde nach Ulrich Kirsch das Jahr 2009 als "Schicksalsjahr"
in die Geschichte der Bundeswehr eingehen, da es einen "Wendepunkt"[15]
in der deutschen Sicherheits- und Außenpolitik markiere. Darunter ist in
Afghanistan die Verschärfung der Aufstandsbekämpfung
("Counter-Insurgency") durch die Änderung der sog. Taschenkarte ("Rules
of Engagement") vom Juni 2009, also die erhebliche Lockerung des
Einsatzes von militärischer Gewalt, zu verstehen. Wohl auch, wie der
Präzedenzfall des Kundus-Luftangriffs zeigt, unter Inkaufnahme von sog.
zivilen Begleitschäden, was nur durchführbar ist, wenn die rechtlichen
Voraussetzungen hierfür bestehen.
Diese Entwicklung geschieht vor dem Hintergrund, dass die Öffentlichkeit
Kampfeinsätze der Bundeswehr mit einer glasklaren Mehrheit ablehnt.[16]
Insbesondere hinsichtlich des Afghanistanmandats sprechen sich laut
einer Meinungsumfrage der ARD vom Januar 2010 71% für einen
schnellstmöglichen Abzug der Bundeswehr aus und sogar 83% der Befragten
sind strikt gegen die Aufstockung des dortigen Kontingents um weitere
850 Soldaten,[17] wie es der Bundestag nach der jüngsten
Afghanistankonferenz am 26. Februar 2010 unter Ignorierung der
öffentlichen Meinung beschloss.
Die öffentliche Ablehnung wird von Militärbefürwortern deutlich als
Achillesferse dieser militarisierten Außen- und Sicherheitspolitik
erkannt, da "die Bekämpfung von Aufständen (...) in der Regel nicht
militärisch, sondern politisch verloren werden, wenn die Unterstützung
zur Fortführung der Operation in den Heimatländern und bei der
Bevölkerung im Einsatzland schwindet. Dies ist aus politischer Sicht
sicherlich der strategische Schwachpunkt der deutschen Beteiligung an
der ISAF-Operation."[18] So lautete die Einschätzung von Vertretern der
die Bundesregierung beratenden Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).
Diese Diskrepanz von öffentlicher Meinung und politischer Praxis, die
getrost als interfraktioneller Kriegskonsens bezeichnet werden kann,
benennt der scheidende Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages,
Reinhold Robbe (SPD), als "schizophrene Situation", da der Bundestag "in
der Regel den Mandaten mit breiter Mehrheit zugestimmt [hat]. (...)
Zugleich zeigen alle Umfragen, dass der überwiegende Teil der
Bevölkerung die Mandate nicht mitträgt."[19]
Das Völkerstrafgesetzbuch
Durch die Einordnung des Afghanistankriegs als "nicht internationaler
bewaffneter Konflikt" ist für die strafrechtliche Beurteilung nicht mehr
das Strafgesetzbuch (StGB), sondern das Völkerstrafgesetzbuch (VStGB)
einschlägig. Dies hat wesentliche Auswirkungen auf die
Kriegsführungsfähigkeit der Bundeswehr, auch was die Inkaufnahme von
sog. zivilen Begleitschäden betrifft. Mit anderen Worten: können
Soldaten erwarten, im Normalfall nicht strafrechtlich für ihre
Handlungen belangt zu werden, auch wenn sie dabei voraussichtlich
Zivilisten töten, so erhöht sich ungemein die Wahrscheinlichkeit solcher
Aktionen. Der Göttinger Strafrechtsprofessor, Kai Ambos, bringt dies
folgendermaßen auf den Punkt: "Die Annahme eines bewaffneten Konflikts
hat für das Militär den Vorteil, dass es Dinge tun darf, die im Frieden
untersagt sind."[20] Der Kölner Völkerrechtsprofessor Claus Kreß
konkretisiert dies: "Wenn die Regeln des bewaffneten Konflikts gelten,
dann sind die Eingriffsbefugnisse deutscher Soldaten zu Lasten
feindlicher Kämpfer beträchtlicher - sowohl in zeitlicher Hinsicht als
auch in der Frage, was zivile Begleitschäden angeht."[21]
Im Hinblick auf das nun anzuwendende Völkerstrafgesetzbuch bedeutet dies
Folgendes: Bisher zog aller Wahrscheinlichkeit nach der Vorwurf der
Tötung von Zivilpersonen für den betreffenden Soldaten eine Ermittlung
der Staatsanwaltschaft wegen Totschlags (§ 212 I StGB) nach sich. Diese
Norm sieht im Falle einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe von nicht
unter fünf Jahren vor. Die entscheidende Voraussetzung zur Bejahung der
Strafbarkeit wegen Totschlags ist, dass die Tötung nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) mit dem hier ausreichenden
Eventualvorsatz geschah. Dabei muss der Täter die Tötung der
Zivilpersonen für möglich halten und billigend in Kauf genommen haben.[22]
Diese Definition beispielsweise auf den Fall des Luftschlags nahe Kundus
angewandt, würde demnach voraussichtlich zu einer Verurteilung des
Betreffenden führen. Betrachtet man diesen Fall im Licht des
Völkerstrafgesetzbuchs, könnte das Ergebnis gänzlich anders aussehen.
Der Wortlaut des wohl hier einschlägigen § 11 I Nr. 3 VStGB lautet: "Wer
in Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen
bewaffneten Konflikt (...) mit militärischen Mitteln einen Angriff
durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff die Tötung
oder Verletzung von Zivilpersonen (...) in einem Ausmaß verursachen
wird, das außer Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und
unmittelbaren militärischen Vorteil steht, (...) wird mit
Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft." Die Voraussetzungen
der Norm sehen hierbei hinsichtlich der Vorsatzform direkten Vorsatz
vor, da die Tötung von Zivilpersonen als sicher erwartet werden muss.
Zweitens wird zudem noch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung gefordert. Im
Ergebnis bestehen also höhere Hürden für eine Verurteilung nach dem
Völkerstrafgesetzbuch als nach dem Strafgesetzbuch. Dies bestätigt auch
eine Pressemitteilung der Generalbundesanwaltschaft vom 6. November 2009
bezüglich des Kundus-Luftschlags: "Nach vorläufiger Bewertung der
Erkenntnisse aus allgemein zugänglichen Quellen ergeben sich bisher
keine tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat
deutscher Soldaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch."
In der Bundeswehr wird der Umgang mit dem den Kundus-Luftschlag
anfordernden Oberst Klein als ein Symbol für den Rückhalt der Politik
für die Truppe insgesamt gesehen.[23] Bedauernswerterweise wird
voraussichtlich von der Generalstaatsanwaltschaft dieser Rückhalt
geliefert werden und damit eine brutalere Aufstandsbekämpfung in
Afghanistan mit häufigen sog. zivilen Begleitschäden ermöglicht.
Anmerkungen:
[1] Jörg van Essen: Soldaten brauchen Rechtssicherheit, in:
http://www.morgenpost.de, 07.12.2008.
[2] Vgl. Ursula Welter, Rolf Clement, Christiane Wirtz: Aufklärung in
Raten. Eine Ereignischronologie des Luftangriffs von Kundus, in:
http://www.dradio.de, 26.11.2009.
[3] Jürg Dedial: Dämmert es am Hindukusch?, in: http://www.nzz.ch,
30.12.2009.
[4] Ulrich Kirsch: Wir erwarten viel von Regierung und Parlament, in:
Die Bundeswehr, 10/2009, http://www.bundeswehrverband.de, 01.10.2009.
[5] Vgl. Jörg van Essen: Zivile Justiz einsatzfähig machen, S. 32-33,
in: Homeland Security, 2/2009, S. 33.
[6] Vgl. Guido Westerwelle: Rede vor dem Deutschen Bundestag,
10.02.2010, in: http://www.auswaertiges-amt.de
[7] Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP: Wachstum, Bildung,
Zusammenhalt. Berlin, 26. Oktober 2009,
http://www.cdu.de/doc/pdfc/091026-koalitionsvertrag-cducsu-fdp.pdf, S.126.
[8] Vgl. F. Arndt/ S. Fischer: Gerichtsorganisation und Auslandseinsätze
der Bundeswehr, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages,
Aktueller Begriff Nr. 102/09 (20. November 2009).
[9] Helmut Kramer: Kriegsjustiz durch die Hintertür, S. 5-8, in: Blätter
für deutsche und internationale Politik, 2/2010, S. 6.
[10] Vgl. F. Arndt/ S. Fischer, ebd.
[11] Vgl. Ulrich Kirsch: Interview "Eine Debatte, die im Parlament hätte
geführt werden müssen", in: http://www.dradio.de, 13.02.2010.
[12] Vgl. Christiane Wolters: Auslandseinsatz in der Gesetzeslücke, in:
http://www.spiegel.de, 08.04.2004.
[13] Henning Bartels, zitiert nach: Bombardement bei Kundus soll Taliban
gegolten haben, in: http://www.nzz.ch, 12.12.2009.
[14] Gießmann, Hans J./ Wagner, Armin: Auslandseinsätze der Bundeswehr,
S. 3-9, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 48/2009, S. 6.
[15] Ulrich Kirsch: Rechtssicherheit statt endloser Debatte, in: Die
Bundeswehr, 1/2010, http://www.bundeswehrverband.de, 1.1.2010.
[16] Vgl. Gießman, Hans J./ Wagner, Armin, ebd., S. 4, 7.
[17] Vgl. ARD-DeutschlandTrend Januar 2010, in:
http://www.infratest-dimap.de, 05.02.2010.
[18] Timo Noetzel/ Benjamin Schreer: Ende einer Illusion. Keine
"Friedensdividende", nirgends: Die sicherheitspolitische Debatte macht
einen großen Bogen um die Wirklichkeit, S. 96-101, in: Internationale
Politik, Januar 2008, S. 99.
[19] Reinhold Robbe: Interview, in: http://www.tagesspiegel.de, 30.01.2010.
[20] Kai Ambos, in:
http://www.department-ambos.uni-goettingen.de/index.php/News/interview-dpa.html,
06.11.2009.
[21] Claus Kreß, in: Ursula Welter, Rolf Clement, Christiane Wirtz, ebd.
[22] Vgl. Johannes Wessels/ Werner Beulke: Strafrecht. Allgemeiner Teil,
33. Auflage, Heidelberg 2003, Rn. 214 ff.
[23] Vgl. Thomas Steinmann: Justiz in Zeiten des Krieges, in:
http://www.ftd.de, 25.03.2010.
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