Montag, 3. Juni 2024
Das Sylt-Video und der deutsche Chauvinismus
Das chauvinistische sogenannte Sylt-Video, dass derzeit in den sozialen Medien kursiert, stellt einen Eklat dar und steht im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit. Ähnliche Vorfälle und die Reaktionen der bürgerlichen Politik zeigen jedoch sehr klar, wie tief der Chauvinismus in diesem System verankert ist und entblößen die Doppelmoral der vermeintlichen Distanzierungen.
Im folgenden Video tanzen mehrere Leute auf der Bonzeninsel Sylt und grölen dabei zu der Melodie des Liedes „L'Amour Toujours“ die Parole „Deutschland den deutschen Ausländer raus". Das Video verbreitete sich schnell in den sozialen Medien und viele Menschen zeigten sich zurecht davon angeekelt. Nachdem das Video für einige Tage das Top-Thema in der BRD wurde, bekamen auch zahlreiche weitere Videos und Vorfälle Aufmerksamkeit, wo ähnliches geschah. So ist beispielsweise ein Video aus Nagold präsent, in welchem zu sehen ist wie mehrere Männer beim Fahren eines Maiwagens dieselben chauvinistischen Slogans rufen. Auch in Stuttgart, Furtwangen, Tuttlingen, Alheim, Löningen, Emden, Cloppenburg, Saarbrücken, Gübi, Schwerin, Banzkow, Hamburg, Annaberg-Buchholz, im Burgenlandkreis und an weiteren Orten kam es zu ähnlichen Vorfällen. Unter anderem sogar in einer Geflüchtetenunterkunft in Suhl, wo Security Mitarbeiter ebenfalls lauthals „Deutschland den Deutschen Ausländer raus“ sangen. Viele Städte und Veranstalter von Festen und Partys reagieren nun darauf, indem sie das Lied „L'Amour Toujours“ aus ihren Playlists nehmen, um weitere solche Fälle zu verhindern. An den Einstellungen in den Köpfen der Menschen ändert dies jedoch nichts.
Chauvinistische Ansichten sind ohne Frage tief in dieser Gesellschaft verankert. Doch warum? Karl Marx analysierte bereits im neunzehnten Jahrhundert die Unterdrückung der irischen Arbeiter, welche als Arbeitsmigranten aus einer Kolonie nach Großbritannien kamen. Marx zeigte die verstärkte Ausbeutung der irischen Arbeiter im Vergleich zu den britischen Arbeitern. Er zeigte aber vielmehr auch auf, wie diese den britischen Kapitalisten dazu dient, die Arbeiterklasse untereinander zu spalten. So schreibt er in einem Brief an Siegfried Meyer und August Vogt:
„Und das Wichtigste! Alle industriellen und kommerziellen Zentren Englands besitzen jetzt eine Arbeiterklasse, die in zwei feindliche Lager gespalten ist, englische proletarians und irische proletarians. Der gewöhnliche englische Arbeiter haßt den irischen Arbeiter als einen Konkurrenten, welcher den standard of life [Lebensstandard] herabdrückt. Er fühlt sich ihm gegenüber als Glied der herrschenden Nation und macht sich eben deswegen zum Werkzeug seiner Aristokraten und Kapitalisten gegen Irland, befestigt damit deren Herrschaft über sich selbst. Er hegt religiöse, soziale und nationale Vorurteile gegen ihn. Er verhält sich ungefähr zu ihm wie die poor white [armen Weißen] zu den niggers in den ehemaligen Sklavenstaaten der amerikanischen Union. Der Irländer pays him back with interest in his own money [zahlt ihm mit gleicher Münze zurück]. Er sieht zugleich in dem englischen Arbeiter den Mitschuldigen und das stupide Werkzeug
der englischen Herrschaft in Irland.
Dieser Antagonismus wird künstlich wachgehalten und gesteigert durch die Presse, die Kanzel, die Witzblätter, kurz, alle den herrschenden Klassen zu Gebot stehenden Mittel. Dieser Antagonismus ist das Geheimnis der Ohnmacht der englischen Arbeiterklasse, trotz ihrer Organisation. Er ist das Geheimnis der Machterhaltung der Kapitalistenklasse. Letztre ist sich dessen völlig bewußt.“
Was Marx damals über die Unterdrückung der irischen Migranten und der Spaltung der Arbeiterklasse schrieb, gilt bis heute weiter. Das wird deutlich, wenn man sich die aktuelle Situation von Migranten und Flüchtlingen in der BRD, aber auch in anderen imperialistischen Ländern ansieht.
Die herrschenden Kapitalisten brauchen die Spaltung der Klasse, um ihre Macht zu erhalten. Entsprechend war auch die Reaktion der führenden Politiker zu dem Sylt Video. Ganz offen machte es die dominierende Regierungspartei SPD, die als Reaktion erst einmal in die „Deutschland den Deutschen“ rufe einstimmte, indem sie ein Bild mit dem chauvinistischen Slogan „Deutschland den Deutschen posteten, was dann lediglich so weit verändert war, dass das anschließende „... Ausländer raus!“ durch den Satz „ ... die unsere Demokratie verteidigen“ ersetzt wurde.
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Mit Chauvinismus gegen Chauvinismus
Mitlerweile gelöschter Post der SPD auf Instagramm
Die Folge war eine welle öffentlicher Empörung, die sich gegen die SPD richtete, wodurch sie sich gezwungen sahen, diesen Post zu löschen. Um dem gegenzusteuern wird sich nun etwas melodramatisch gegen Rassismus ausgesprochen. Doch so sehr sich die liberalen Teile der Bourgeoisie jetzt vor dem „Sylt Eklat“ distanzieren und den vermeintlichen Kampf gegen „Menschenfeindlichkeit“ propagieren, so sehr brauchen sie doch auch diese chauvinistischen Eklate und ihre Menschenfeindlichkeit. Das zeigt sich auch in der Politik, denn während offene Reaktionäre lauthals „Ausländer raus“ brüllen, ist es die Politik der liberalen Ampelregierung, welche mit massenhaften Abschiebungen Menschen in Elend und Tod deportiert und mit dem Ausbau der Festung Europa den Massenmord im Mittelmeer fortführt.
Tittelbild: Ausschnitte aus dem sogenannten Sylt-Video
Bildquelle: Bild.de
Geschrieben von upad
29. Mai 2024
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