Donnerstag, 27. Juli 2023
Bremen Heilmittel Vier-Tage-Woche?
Bei seiner diesjährigen 1.Mai-Demonstration in Bremen ließ der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) die Forderung nach einer weitgreifenden Einführung der Vier-Tage-Woche verlauten. Die stellvertretende Chefin des DGB, Elke Hannak, machte sich für die Vier-Tage-Woche für eine bessere „Vereinbarkeit von Familie, Privatleben und Beruf“ stark, der Vorsitzende des Bremer DGB-Verbands, Ernesto Harder, forderte die Einführung im Gesundheitsbereich.
Was als kämpferische Forderung an die Bourgeoisie angesehen werden soll, entpuppt sich schnell als eine Konvergenz zu den Bestrebungen der bürgerlichen Politiker. Denn eine 4-Tage-Woche ist längst Teil der Pläne der Herrschenden, und wie schon 1993, als Volkswagen sich während einer Absatzkrise mit ihrer Einführung einen Namen machte, dient sie zu nichts anderem als einer Steigerung des Profits der Unternehmen. Diskutiert wird die Vier-Tage-Woche deutschlandweit seit Antritt der Ampelkoalition wieder zunehmend. Diese hielt in ihrem Koalitionsvertrag fest:
„Wir erhöhen den Mindestlohn und schaffen ein modernes Arbeitsrecht, das Sicherheit und fair ausgehandelte Flexibilität ermöglicht […] Wir wollen die moderne Arbeitswelt gestalten, dabei berufliche Chancen ermöglichen sowie Sicherheit und Flexibilität in Einklang bringen. […] Um auf die Veränderungen in der Arbeitswelt zu reagieren und die Wünsche von Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmern und Unternehmen nach einer flexibleren Arbeitszeitgestaltung aufzugreifen, wollen wir Gewerkschaften und Arbeitgeber dabei unterstützen, flexible Arbeitszeitmodelle zu ermöglichen.“
und
„Wir halten am Grundsatz des 8-Stunden-Tages im Arbeitszeitgesetz fest […] werden wir es ermöglichen, dass im Rahmen von Tarifverträgen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen und in einzuhaltenden Fristen ihre Arbeitszeit flexibler gestalten können. Außerdem wollen wir eine begrenzte Möglichkeit zur Abweichung von den derzeit bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit schaffen, wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen, auf Grund von Tarifverträgen, dies vorsehen (Experimentierräume). Im Dialog mit den Sozialpartnern prüfen wir, welchen Anpassungsbedarf wir angesichts der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Arbeitszeitrecht sehen.“
Damit ist die Richtlinie schon gegeben. Das schön klingende Wort Flexibilität bedeutet, dass man sich mehr an die Bedürfnisse der Ausbeuter anpasst. Dazu wird erst der Acht-Stunden-Tag hochgehalten und dann enthauptet. Ein Beispiel für „Flexibilität“, denn in einer Vier-Tage-Woche muss natürlich mehr am Tag gearbeitet werden. Die Einflussnahme auf die Gewerkschaften ist auch klar beschrieben, und so wundert es kaum, dass den Forderungen der DGB-Spitze am 1. Mai ein Plädoyer von der SPD-Chefin Saskia Esken ein Plädoyer für die Vier-Tage-Woche am 29. April zuvorgekommen war. Die Chefin des DGB, Yasmin Fahimi – nur nebenbei – ist übrigens eine recht hochrangige Parteikollegin, die 2014 und 2015 Generalsekretärin der SPD und in den darauf folgenden zwei Jahren Staatssekretärin im Bundesministerium für Arbeit und Soziales war.
Auch in Bremen wird die Vier-Tage-Woche als eine Antwort auf den sogenannten Fachkräftemangel betrachtet. Andere Ökonomen und Unternehmer glauben, dass die Sache genau in dieser Frage nach hinten losgeht. Hier wird die „bessere Work-Life-Balance“ gelobt, dort die Leistungsfähigkeit der Arbeiter bei 10 Stunden Arbeit am Tag angezweifelt und die höhere Wahrscheinlichkeit von Arbeitsunfällen betont. Aber der Vorschlag zur Vier-Tage-Woche spielt sich ja im Rahmen der ganzen „Flexibilität“ ab, d.h. die Ausbeuter sollen sagen können, was ihnen besser passt. Eines ist klar – der Vorschlag geht mit einem weiteren Angriff auf den Acht-Stunden-Tag einher, denn in den allermeisten Fällen bleibt es von Monat bis Donnerstag dann nicht mehr bei der alten Arbeitsdauer. Andere Betriebe haben sich z.T. auch Tricks einfallen lassen – zum Beispiel die Einführung des Modells täglich eine halbe Stunde mehr, dafür ist der eh kurze Freitag frei, aber der Urlaub im Jahr vermindert sich von 30 auf nur noch 24 Tage.
Der Vorschlag für die Einführung im Gesundheitsbereich hat auch seine Unstimmigkeiten. Erstmal ist Grundlage für eine flächendeckendere Einführung der Vier-Tage-Woche ein Tarifvertrag. Nun haben wir aber in einigen der letzten RoPo-Ausgaben gesehen, dass die Bremer „Gesundheit Nord“ in den Krankenhäusern zunehmend Helfer einsetzt, die andere Verträge haben. Zum einen „importierte“ Pflegekräfte (hauptsächlich aus Mexiko), zum anderen Zeitarbeitsfirmen, die z.B. im OP unterstützen. Das heißt, in diesem Fall wäre die richtige Forderung die Einführung des Tarifvertrags für ALLE Beschäftigten, gegen die Spaltung der Belegschaft – nicht eine Vier-Tage-Woche.
Auch im Baugewerbe bzw. vielen Handwerksberufen soll die Vier-Tage-Woche ausgeweitet werden, in einigen Fällen wie Montagefahrten ist sie seit langem die Regel. Auszubildende einer Bremer Baufirma berichten, wie dort der Rahmen des erlaubten überschritten wird:
„Wir sind seit Monaten meistens wochenweise auf einer Baustelle in Seevetal bei Hamburg eingesetzt. Also sind wir auf Montage, Montag morgen hin, Freitag zurück, oft aber auch schon Donnerstagabend. Dann haben wir eine Vier-Tage-Woche, aber am Freitag ist man eh nur kaputt. Wir arbeiten oft länger als zehn Stunden am Tag, in den Abend hinein, und kommen dann auch an vier Tagen auf 45 Stunden in der Woche; das dürfen wir überhaupt nicht. Meint ihr, wir kriegen die Überstunden alle ausbezahlt oder gutgeschrieben?“
Der Grund, warum die Vier-Tage-Woche für die Herrschenden eine zunehmend wichtigere Rolle spielt, ist die Wirtschaftskrise, die sich weiter entwickelt. Viele Unternehmen müssen ihre Arbeitsweise umstellen, um effektiver zu werden bzw. den neuen Anforderungen entsprechend weiter standhalten zu können. Und besonders müssen sie, weil es eine Überproduktionskrise ist, Arbeitskraft vernichten, um die Kosten zu senken und den Profit zu steigern (genau so, wie es bei Volkswagen während der Absatzkrise 1993 der Fall war). Sollen es nicht gleich Entlassungen sein, bieten sich Kurzarbeit oder andere Maßnahmen zur Verkürzung der Arbeitszeit an – wie eine Vier-Tage-Woche. Es wird zum Beispiel mit zwei oder drei Stunden weniger in der Woche bei gleichem Monatsgehalt geworben. Doch das setzen erstens längst nicht alle um, und wie man auch in anderen Ländern wie Belgien sieht, wo die Vier-Tage-Woche seit Ende 2022 gesetzlich verankert ist und wo die Beschäftigten ihre wöchentliche Arbeitszeit auch in vier Tagen absolvieren „dürfen“ (was fordert der Betrieb, ist die Frage), aber die Stundenzahl nur gegen Gehaltsabzug verringert werden kann, weiß von „vollen Lohnausgleich“ plötzlich niemand mehr etwas. Zweitens gleicht auch die andauernde „volle Bezahlung“ die Preissteigerungen längst nicht aus. Und in den meisten Bereichen hat es noch gar keine inflationsbezogene Lohnerhöhung gegeben, geschweige denn wurden Arbeitskämpfe dafür geführt. Und die Einführung der Vier-Tage-Woche, wenn sie als große gewerkschaftliche Errungenschaft präsentiert wird, dient natürlich auch dazu, diese Kämpfe erst gar nicht aufkommen zu lassen.
Mit den oben aufgeführten Beispielen sei gezeigt, dass die Vier-Tage-Woche pauschal – ohne weitere Regelungen – keine Vorteile für die Arbeiterklasse mit sich bringt. Natürlich gibt es – wie immer, besonders in den imperialistischen Ländern, einige besser gestellte Arbeiter, für die die Maßnahmen tatsächlich mehr Entspannung und bessere „Work-Life-Balance“ bedeuten, ohne dass dafür ein Preis gezahlt werden muss. Aber für die Mehrheit bringt die Vier-Tage-Woche keinerlei Verbesserung, und sie ist in erster Linie die Forderung einiger Kapitalisten. Die Vier-Tage-Woche ist insofern – zumindest gegenwärtig – keine Forderung der Arbeiterklasse im Kampf um bessere Arbeitsbedingungen. Die Gewerkschaftsspitzen, die diese Forderungen nun als zentralen Kampf hochhalten, sollten für ihre korporativistische Kompromissbereitschaft kritisiert und daran erinnert werden, dass ihre eigentliche Aufgabe es doch sein soll, die Arbeiter im Kampf zu vertreten und nicht die Politik der SPD umzusetzen. Insbesondere die Preissteigerungen treffen die Arbeiterklasse gegenwärtig immens, das wäre ein Thema, was man am 1. Mai hochhalten könnte – so wie es auch von Aktivisten des Roten Bundes in Bremen und Bremerhaven unter der Parole „Gegen die Teuerungswelle und Militarismus!“ getan wurde.
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