Freitag, 28. April 2023
Urteilsverkündung im Antifa-Ost-Verfahren erneut aufgeschoben
Zunächst sah es so aus, als würde er bald zu Ende gehen, der über 90 Verhandlungstage und mehr als 2 ½ Jahre andauernde Gerichtsprozess, in dem Lina und drei weitere angeklagte Antifaschisten bezichtigt werden eine „kriminelle Vereinigung“ gebildet zu haben. Nun zieht sich das Verfahren weiter in die Länge, da dass Gericht diese Woche die Abschlussplädoyers der Verteidigung unterbrach und erneut die Beweisaufnahme eröffnete. Der Grund: Der „Kronzeuge“ des LKAs widersprach seiner eigenen Aussage in einem anderen Prozess und machte so einen wichtigen Punkt der Anklage ungültig.
Die Farce, welche das juristische Verfahren des Staates gegen die vier Angeklagten im Antifa-Ost-Prozess ist, hat diese Woche ein neue Seite im Buch aufgeschlagen. Nach 91. Prozesstagen war die Beweisaufnahme im Verfahren eigentlich schon am 29. März abgeschlossen und es folgten die Schlussplädoyers der Staatsanwaltschaft am 5. April, Linas Verteidigung am Mittwoch und der Nebenangeklagten am gestrigen Donnerstag. Das Gericht unterbrach jedoch die gestrige Darlegung des Plädoyers und musste eine Wiedereröffnung der Beweisaufnahme einleiten, nachdem klar wurde, dass der „Kronzeuge“ im Prozess offenbar in einem zentralen Anklagepunkt gelogen hat, um die vier Antifaschisten gezielt zu belasten.
Noch Anfang April forderte die Bundesanwaltschaft in ihrem Plädoyer 8 Jahre Haft für Lina E. und bis zu drei Jahre und 9 Monate Haft für ihre Mitangeklagten, da diese angeblich eine kriminelle Vereinigung nach §129 gebildet und mehrere gezielte Angriffe auf Faschisten im Osten Deutschlands durchgeführt haben sollen. Konkrete Beweise für die meisten der Vorwürfe konnte die Staatsanwaltschaft aber bis heute nicht in ihrem Mammutprozess produzieren. Daher stützt sie sich unter anderem sehr auf die Aussagen ihres „Kronzeugen“, einer Person, die wegen drohenden Konsequenzen nach Vorwürfen sexueller Gewalt erst nach Polen floh und sich dann im Austausch für ein Schutzprogramm in den Dienst des Staates stellte und als vom LKA Sachsen und Verfassungsschutz geführter Denunziant auftritt. So behauptete er unter anderem, dass der gemeinsame Sport in Leipzig 2019 – von der Polizei observiert – ein „Szenario-Training“ mit dem Ziel der Erprobung von Angriffen auf politische Gegner gewesen sei, was die Staatsanwaltschaft im Prozess entsprechend als systematische Vorbereitung zur Ausübung von Straftaten auslegte. In einem anderen Prozess, wo er selbst Angeklagter ist, behauptete er allerdings – um seine „Vergangenheit“ zu relativieren – das diese lediglich „Sport, Spaß, sozialen Kontakten“ gedient hätten.
Mit dieser Aussage, die im Rahmen des Plädoyers der Verteidigung der Mitangeklagten, ihren Weg in den Prozess fand, sah sich das Gericht jetzt gestern dazu gezwungen, die Plädoyers zu unterbrechen und erneut in die Beweisaufnahme überzugehen. Für den nächsten Termin werden der entsprechende Richter und Staatsanwalt aus dem Verfahren gegen den „Kronzeugen“ als Zeugen vorgeladen sein. Damit ist eine zeitnahe Urteilsverkündung weiterhin nicht zu erwarten.
Gleichzeitig wurde ein weiteres Mal der Antrag auf Aussetzung der Untersuchungshaft verweigert. Damit sitzt Lina jetzt über 2 ½ Jahre im Gefängnis, ohne für irgendeine Straftat verurteilt zu sein, und wird es auch vorerst bleiben, denn 13 weitere Prozesstage bis Ende Juni sind bereits angesetzt. Inzwischen geht die Farce vor dem Gereicht in Dresden sogar soweit, dass selbst erste Stimmen in der bürgerlichen Presse den Antifa-Ost-Prozess als „unwürdig“ bezeichnen, von „Feindstrafrecht“ gegen politische Aktivisten sprechen und „Freiheit und Entschädigung“ für Lina fordern.
Geschrieben von ukol
21. April 2023
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