Montag, 27. Juni 2011

Der Fall Jorge Hank Rhon

Mexiko: Verhaftet, freigelassen und wieder verhaftet.
Andreas Knobloch
Die mexikanische Justiz hat in den vergangenen Jahren nicht gerade durch hohe Effizienz von sich reden gemacht. Gerade einmal 15 Prozent der während der vergangenen vier Jahre im sogenannten Drogenkrieg verhafteten mutmaßlichen Verbrecher sind auch verurteilt worden. Doch der Fall des ehemaligen Bürgermeisters der nordmexikanischen Millionenstadt Tijuana, Jorge Hank Rhon, ist sogar für mexikanische Verhältnisse ungewöhnlich. Hank wurde am am 4. Juni wegen illegalen Waffenbesitzes und Beteiligung an drei Morden festgenommenen. Elf Tage später, am Dienstag, wurde er aus der Haft entlassen, dann wieder verhaftet, um schließlich erneut auf freien Fuß gesetzt zu werden. Das Ganze vollzog sich innerhalb von zwölf Stunden.

Am Morgen hatte ein Bundesrichter die Freilassung Hanks angeordnet, da nicht ausreichend Beweise für illegalen Waffenbesitz vorlägen. Auf Geheiß der Staatsanwaltschaft wurde er nur wenige Stunden später wieder festgesetzt, um, kaum im Gefängnis, erneut entlassen zu werden. Ein Gericht im Bundesstaates Baja California hatte die Entscheidung der Staatsanwaltschaft außer Kraft gesetzt. In dem Bericht der Armee zur Festnahme Hanks habe es »Widersprüche« beim zeitlichen Ablauf, zu Distanzen und Örtlichkeiten gegeben, so die Begründung.

Hank ist Mitglied der ehemaligen Staatspartei PRI (Revolutionäre Institutionelle Partei), Kasinobesitzer und einer der reichsten Männer Tijuanas. Sein Geschäftsimperium umfaßt Rennbahnen, Hotels, Shopping Malls und Kasinos in ganz Mexiko. 2004 ist er zum Bürgermeister von Tijuana gewählt worden. 2006 gab er sein Amt auf, um bei den Gouverneurswahlen anzutreten, bei denen er jedoch unterlag.

An drei Morden soll er nach Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft beteiligt gewesen sein. Bei seiner Festnahme am 4. Juni wurden die Tatwaffen in seinem Haus sichergestellt, gemeinsam mit 88 Pistolen und Gewehren, mehr als 9000 Patronen und einer Gasgranate. Hank beteuerte seine Unschuld und erklärte, die Waffen seien in seinem Haus »plaziert« worden. Von seiner Verteidigung vorgelegte Überwachungsvideos zeigen, daß die an der Festnahme beteiligten Soldaten mehrere Minuten auf dem Gelände sind, bevor sie in das Haus eindringen.

Die PRI wittert politische Motive. Die stünden im Zusammenhang mit den Gouverneurswahlen im Bundesstaat Estado de México Anfang Juli, die als wegweisend für die Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr gelten. Der PRI, die Mexiko von 1929 bis 2000 ununterbrochen regierte, werden gute Chancen eingeräumt, die Partei der Nationalen Aktion von Präsident Felipe Calderón, die auch den Gouverneur von Baja California stellt, zu entmachten.

Die Freilassung und vor allem die von der zuständigen Richterin monierten »Unregelmäßigkeiten« bei der Festnahme sind ein schwerer Schlag für die Staatsanwaltschaft. Erst Anfang April hatte Präsident Calderón den Generalstaatsanwalt ausgetauscht. In der Vergangenheit waren bereits eine Reihe von Verfahren gegen Bürgermeister wegen Verbindungen zur organisierten Kriminalität gescheitert, viele auch mit ähnlichen politischen und wahltechnischen Implikationen wie beim Fall Hank.

URL: http://www.jungewelt.de/2011/06-17/028.php

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