Sonntag, 16. August 2015
KKE-Generalsekretär Nikos Zachariadis rehabilitiert
Von mh (Schweiz)
Kommunisten-ch vom 6.10.2011 – Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) hat ihren historischen Parteiführer Nikolaos Zachariadis vollumfänglich rehabilitiert.1 Am 2. Oktober fand in Athen eine Veranstaltung zu Ehren Zachariadis’ statt. Eine Delegation des Zentralkomitees der KKE unter der Leitung von Aleka Papariga legte einen Kranz am Grab von Zachariadis nieder. Anwesend war auch der Sohn des langjährigenKKE-Generalsekretärs. Aufgrund von jahrelangen Untersuchungen des Archivmaterials ist die KKE zum Schluss gekommen, dass Zachariadis ein kompromissloser Volksführer und Vertreter der Sache der Arbeiterklasse war, und dass die seinerzeit gegen ihn erhobenen Vorwürfe haltlos sind.
Zachariadis wurde 1903 in Edirne (Adrianopel) geboren. In Istanbul schloss er sich der KP der Türkei an. Nach Studien an der Kommunistischen Universität für die Arbeiter des Ostens in Moskau ging er 1924 nach Griechenland, arbeitete in der Leitung der Kommunistischen Jugendorganisation und in der Partei. 1931 wurde er Sekretär der KKE und war 1935-1956 ihr Generalsekretär. In der Metaxas-Diktatur (1936-41) lebte Zachariadis als Gefangener in Arbeitslagern. 1941 wurde er den deutschen Besatzern ausgeliefert und von der Gestapo ins Konzentrationslager Dachau gebracht, von wo er im Mai 1945 zurückkehrte. Im Abkommen von Variza (12.2.45) hatte die zwischenzeitlich von Georgios Siantos geführte KKE in die einseitige Entwaffnung der Griechischen Volksbefreiungsarmee ELAS eingewilligt, die bis Herbst 1944 etwa 90 Prozent des Landes von den deutschen Besatzern befreit hatte. Zachariadis kritisierte dieses Abkommen als Kapitulation vor den monarcho-faschistischen Kräften und den Engländern. Die Engländer liessen den faschistischen Todesschwadronen freie Bahn zur Verfolgung der entwaffneten Demokraten.
Nach der Niederlage im Griechischen Bürgerkrieg (1946-49) emigrierte Zachariadis in die Sowjetunion, wo sich eine grosse griechische Kolonie bildete. Kurz nach Stalins Tod begann die Chruschtschow/Mikojan-Clique, massiven Druck auf die KKE auszuüben, die sich in der Sowjetunion reorganisiert hatte. Die Chruschtschowianer verlangten von Zachariadis vor allem drei Dinge: (1.) die Anerkennung Tito-Jugoslawiens als sozialistischer Staat, (2.) die Abfassung von Prawda-Artikeln zur Verurteilung des sogenannten Personenkultes, (3.) die Zustimmung zur Auflösung der Kominform. Zachariadis lehnte in allen Punkten ab. An einem Treffen der Parteikader in Taschkent rief er aus: “Genossen, verschiedene Redner haben Gen. Demetriou angegriffen und betrachten diesen mehr oder weniger als Führer der Revisionisten. Aber Demetriou ist bloss das Schwanzende eines schlecht verborgenen Elefants. Unsere ernste und historische Aufgabe ist es, an diesem Schwanz zu ziehen, damit die ganze Welt den Elefanten sieht: Chruschtschow.”
Im September 1955 schlug die revisionistische Führung der Sowjetunion gegen die KKE zu. In Taschkent, der Hauptstadt der Usbekischen Sozialistischen Sowjetrepublik, wurde eine Protestkundgebung von rund 200 gedungenen griechischen Kommunisten gegen die eigene Parteiführung organisiert. Diese überfielen KKE-Parteibüros und griechische Buchhandlungen, wobei sie es besonders auf die Werke von Zachariadis abgesehen hatten. Aber die griechischen Exilkommunisten, die nach dem Bürgerkrieg zu Tausenden in Usbekistan Exil gefunden hatten, eilten in grossen Massen herbei, um die KKE gegen diese Provokateure zu verteidigen. Es kam zu Strassenschlachten zwischen Griechen beider Gruppen. Die sowjetische Polizei machte Hunderte von Festnahmen und lieferte unbeugsame Verteidiger der KKE-Führung dem Justizapparat aus. Im Februar 1956, während des 20. Parteitages der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), begannen in Taschkent Schauprozesse gegen griechische Kommunisten. Männer, darunter solche, die ein Jahrzehnt bewaffneter Kämpfe hinter sich hatten wie General Giorgos Kalianesis, wurden zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt. Die Parteiführung liess sich durch die Taschkenter Vorfälle nicht beirren und schloss die dortige Fraktion aus der KKE aus. Erdrückende Mehrheiten der griechischen Exilkommunisten in Taschkent selbst, in ganz Usbekistan und in den anderen Sowjetrepubliken standen auf Seiten ihrer Parteiführung. Ein Grossteil der Aktivisten der KKE, ihres Apparates und ihrer zentralen Strukturen befanden sich allerdings auf sowjetischem Territorium, und dies gab dem Staats- und Parteiapparat der Sowjetunion, die als sozialistischen Führungsmacht und als Gastland ohnehin hoch geschätzt war, einen gewaltigen Einfluss und Druckmöglichkeiten.
Am 20. Parteitag der KPdSU liess Chruschtschow eine “Internationale Kommission” aus Vertretern der Kommunistischen Parteien Bulgariens, Polens, Rumäniens, Ungarns, der Sowjetunion und der Tschechoslowakei einsetzen, angeblich um die Spannungen innerhalb der KKE zu lösen. Dieser Kommission gelang es, einen Kongress von willfährigen Griechen (darunter ausgeschlossene KKE-Mitglieder) einberufen und diesen im Namen der KKE die Absetzung von Zachariadis beschliessen zu lassen. Die aus diesem Putsch hervorgegangene KKE-Führung übernahm die revisionistischen Thesen des 20. Parteitags der KPdSU und schloss Tausende von widerspenstigen Genossen aus der Partei aus. Zachariadis wurde als Parteifeind, Agent des Imperialismus und Anti-Internationalist hingestellt, der die Grundsätze der innerparteilichen Demokratie verletzt habe. Um sich gegen die Vorwürfe zu wehren, versuchte Zachariadis in den 1960er Jahren, aus der Sowjetunion auszureisen, wurde aber gewaltsam dort festgehalten und nach Sibirien verbannt, wo er 1973 unter ungeklärten Umständen starb. Eine Kurzmeldung der Nachrichtenagentur TASSsprach von einem Selbstmord.
Der von Nikos Zachariadis geführten KP Griechenlands gebührt das Verdienst, sich als erste Kommunistische Partei offen gegen den Chruschtschow-Revisionismus gestellt zu haben. Ebenso wie andere internationale Parteiführer (Gottwald, Bierut, Thorez und Togliatti)2 hatte Zachariadis für seine Haltung einen hohen Preis zu bezahlen.
(6.10.2011/mh)
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