Sonntag, 5. Januar 2014
Neue Artikel auf der IMI-Homepage
Neue Artikel auf der IMI-Homepage
Neben dem Schwung an neuen Artikel im neuen AUSDRUCK (s.u.) sind auch
noch folgende Texte kürzlich veröffentlicht worden:
IMI-Standpunkt 2013/070 - in: Neues Deutschland 12.12.2013
Für Stabilität im Sinne der EU
http://www.imi-online.de/2013/12/13/fuer-stabilitaet-im-sinne-der-eu/
Tobias Pflüger (13. Dezember 2013)
IMI-Analyse 2013/034 - in: AUSDRUCK (Dezember 2013)
Vorauseilender Gehorsam
Keine Strafverfolgung von Drohnenangriff durch Bundesanwaltschaft
http://www.imi-online.de/2013/12/12/vorauseilender-gehorsam/
Andreas Schüller, ECCHR (12. Dezember 2013)
IMI-Analyse 2013/033
Was passiert mit der verlassenen NATO-Militärbase in Neapel?
Zur anstehenden Konversion eines Ortes der Kriegskoordination
http://www.imi-online.de/2013/12/10/was-passiert-mit-der-verlassenen-nato-militaerbase-in-neapel/
Jacqueline Andres (10. Dezember 2013)
IMI-Standpunkt 2013/069 - in: Rote Fahne 50/2013
„Der Koalitionsvertrag bedeutet eine neue Stufe der Militarisierung
bundesdeutscher Außenpolitik“
http://www.imi-online.de/2013/12/13/der-koalitionsvertrag-bedeutet-eine-neue-stufe-der-militarisierung-bundesdeutscher-aussenpolitik/
Tobias Pflüger / Rote Fahne (13. Dezember 2013)
IMI-Studie 2013/12
Global Power Europe
The hidden imperial Agenda behind the European Council, 19./20. December
2013
http://www.imi-online.de/2013/12/10/global-power-europe/
Sabine Lösing / Jürgen Wagner (10. Dezember 2013)
2) AUSDRUCK (Dezember 2013)
Komplette Ausgabe: http://www.imi-online.de/download/dezember2013klein.pdf
SCHULTERSCHLUSS DGB UND BUNDESWEHR
-- Sicherheitspolitischer Workshop des DGB: Ein Schlag ins Gesicht der
Friedens- und Antikriegsbewegung (Christoph Marischka / Jürgen Wagner)
http://www.imi-online.de/download/dezember2013Wagner_Marischka.pdf
-- … die Diskussion so führen, dass sie zielführend ist (Bernhard Klaus)
http://www.imi-online.de/download/dezember2013klaus.pdf
DEUTSCHLAND UND DIE BUNDESWEHR
-- Verantwortung zum Krieg: Schwarz-Rote Weltmachtambitionen (Jürgen Wagner)
http://www.imi-online.de/download/dezember2013wagner.pdf
-- Die Bevölkerung auf Kriegskurs bringen (Michael Schulze von Glaßer)
http://www.imi-online.de/download/dezember2013glasser.pdf
-- Schuleinsatz der Bundeswehr: Ideologiekritische Lektionen (Christian
Stache)
http://www.imi-online.de/download/dezember2013stache.pdf
-- Krieg um die Köpfe: Das Feld der Ehre (Frank Brendle)
http://www.imi-online.de/download/dezember2013brendle.pdf
-- Die SWP im Krieg: Die „Stiftung Wissenschaft und Politik“ und der
Syrien-Konflikt (Michael Schulze von Gasser)
http://www.imi-online.de/download/dezember2013Glasser2.pdf
ZIVILKLAUSEL
-- Forschung in „überwiegend militärischem Interesse“ trotz
Zivilklausel? (Christoph Marischka)
http://www.imi-online.de/download/dezember2013marischka.pdf
DROHNEN
-- Der US-Drohnenkrieg und die Rolle Deutschlands (Thomas Mickan)
http://www.imi-online.de/download/dezember2013mickan.pdf
-- Vorauseilender Gehorsam. Keine Strafverfolgung von Drohnenangriff
durch Bundesanwaltschaft (Andreas Schüller)
http://www.imi-online.de/download/dezember2013schueller.pdf
IMI-KONGRESSBERICHT 2013
Krieg um die Köpfe – Über die Mobilisierung von Zustimmung und die
Demobilisierung von Protest
http://www.imi-online.de/download/dezember2013Kongressbericht.pdf
3) Artikel: Ehrenmäler und Heldenkult bei der Bundeswehr
IMI-Analyse 2013/034 - in: AUSDRUCK (Dezember 2013)
Krieg um die Köpfe: Das Feld der Ehre
http://www.imi-online.de/2013/12/13/krieg-um-die-koepfe-das-feld-der-ehre/
Frank Brendle (13. Dezember 2013)
Besonders „anfällig“ ist Kriegspolitik dort, wo sie sich ihrem Kern
nähert: Wo sie Tote und Verletzte produziert. Hier muss sie begründen,
warum der Krieg „trotzdem“ oder „erst recht“ sinnvoll sei. Dies
geschieht in beträchtlichem Ausmaß mit symbolischen Mitteln:
Bundesregierung und Militärs suchen nach geeigneten Zeichen, die dem
Töten und Sterben einen (scheinbaren) Sinn verleihen sollen. Prozesse
einer solchen Remilitarisierung von Militär und Gesellschaft lassen sich
dementsprechend bei Ordensverleihungen, Ehrenmälern und Totenritualen
feststellen.
Dabei handelt es sich (in der heute vorherrschenden Praxis) kaum um
Phänomene, die mit dem Begriff des „banalen Militarismus“ zu fassen
sind. Anders als im Kaiserreich sind Orden und Ehrenmäler heute fast
ausschließlich „von oben“ angestiftete Symbole, die „von unten“ kaum
rezipiert werden. Es fehlt ihnen die für den „banalen Militarismus“
wichtige Veralltäglichung.[1] Es handelt sich daher in erster Linie um
eine durchaus klassische – damit nicht weniger harmlose – Form des
Militarismus.
Postheroisch
Drei Aspekte sind für die Bundeswehr bei der Schlacht auf dem Feld der
Ehre von Bedeutung:
1. SoldatInnen haben das Gefühl – Umfragen hin oder her – nicht genügend
anerkannt zu werden. Soldatenzeitschriften sind voller Klagen, als
Soldat werde man überall „diffamiert und ausgegrenzt“; in den letzten
Monaten wird z.B. immer wieder der Aachener Friedenspreis angeführt, der
den Soldaten ein echter Schlag in die Magengrube, wenn nicht ein
Dolchstoß war.
2. Niemand, weder Zivilbevölkerung noch die eigenen SoldatInnen, haben
eine Antwort auf die Frage, wofür Soldaten töten oder getötet werden
sollen. Auch das steht offen in Soldatenzeitschriften: „Die Bundeswehr“
(10/2013) befragte den Bruder eines „Gefallenen“: „Würden Sie, als
Soldat, sagen: Ich weiß, wofür mein Bruder gestorben ist?“ Antwort:
„…ich finde keine Antwort … er kannte die Risiken, … aber wofür setzte
er sein Leben ein?“
3. Es mangelt an Opferbereitschaft: Die Bereitschaft, den Tod von
SoldatInnen als begrüßenswertes Opfer für andere zu begreifen, ist
heutzutage nur gering ausgeprägt.
Das ist Ausdruck dessen, was nach Herfried Münkler[2] eine
„postheroische Gesellschaft“ ausmacht. Das Konzept kann hier nicht
umfassend vorgestellt werden. Was Postheroismus in unserem Zusammenhang
bedeutet, kann aber nachfolgendes Zitat illustrieren:
Der Bruder eines Gefallenen schreibt an seine Mutter:
„Ist unser geliebter Walter nicht den schönsten, herrlichsten Tod
gestorben, den man sich denken kann? Herrgott, wie ich ihn beneide … wie
ich mich danach sehne … auch fürs heißgeliebte Vaterland … bluten zu
dürfen.“
Das ist natürlich kein aktuelles Zitat. Es stammt aus einer Sammlung von
Feldpostbriefen aus dem Ersten Weltkrieg, die vom Generalstab vertrieben
worden war. Damals konnte man solche – heroischen – Sprüche noch als
Propagandamaterial einsetzen.
Ähnliches galt auch für die Befreiungskriege 1813/1814, als Theodor
Körner dichten konnte: „Drauf, wackres Volk! Was kümmern dich die Hügel
deiner Leichen?“[3]
Heute könnte eine solche Propaganda nicht funktionieren, derartige
Sprüche würden als menschenverachtend abgelehnt. Fürs Vaterland/für
Freiheit/für Menschenrechte mag niemand sein Leben geben, und nur die
wenigsten wollen, dass für diese Werte Menschen sterben. Das
Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr hat diese mangelnde
Opferbereitschaft schon vor Jahren als „casualty shyness“ bezeichnet,
als zu niedrige „Toleranzschwelle für die Opfer von militärischen
Einsätzen“.
An diesen Problemen laboriert die Bundeswehr seit Beginn ihrer
Auslandseinsätze herum.
Je blutiger die Kriege, desto bunter die Orden
Das Bedürfnis bzw. die politische Notwendigkeit, allen „tapferen
Helden“, die in einem Krieg zu Tode kommen, Anerkennung zu zollen,
entstand zu Beginn des „heroischen“ Zeitalters, in Deutschland also mit
den Befreiungskriegen und dem Entstehen erster Formen der Wehrpflicht.
1813 wurde mit dem Eisernen Kreuz der erste Orden gestiftet, der nicht
nur an Generale, sondern auch an einfache Soldaten verliehen werden
konnte. In abgewandelter Form ist dieses Zeichen heute noch in Gebrauch.
In der Weimarer Republik war die Verleihung von Orden und Ehrenzeichen
ausdrücklich verboten (Artikel 109,4 der Reichsverfassung). Mit dieser
republikanischen Neuerung haben die Nazis gebrochen, und die BRD hat
sich an letzteren orientiert.
Bis 1996 gab es in der Bundeswehr als zentralen Orden nur das
Ehrenzeichen (in der Form des Eisernen Kreuzes) in Bronze, Silber, Gold,
je nach Dienstzeit, es genügte die bloße Zugehörigkeit zur Truppe.
Veränderte militärische Lagen erfordern veränderte Symbole:
Nachdem die Bundeswehr mit den Auslandseinsätzen begann, wurde 1996
zunächst die Einsatzmedaille gestiftet. Die wurde wiederum je nach
Einsatzdauer in Gold, Silber oder Bronze verliehen, wobei die konkrete
Verwendung im Einsatz keine Rolle spielte. In den letzten 12 Jahren sind
rund 200.000 dieser Medaillen verliehen worden, was ihren Wert natürlich
schmälert.
Als sich die Einsätze, insbesondere in Afghanistan, zunehmend als
gefährlich erwiesen, wurde diese Einheitsmedaille als nicht mehr adäquat
angesehen. Es wurde mit zwei Orden nachgerüstet:
Zum einen mit dem „Ehrenkreuz für Tapferkeit“, das im Juli 2009 erstmals
von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundeskanzleramt mit
Presseanwesenheit verliehen wurde. „Helden geehrt“, hieß es damals auf
3sat. Kriterium für die Verleihung ist „ein moralisch gutes,
außergewöhnlich tapferes oder besonders engagiertes Verhalten“.
2010 wurde erstmals die ebenfalls neue „Einsatzmedaille Gefecht“ für die
„aktive Teilnahme an Gefechtshandlungen oder Erleiden von
terroristischer oder militärischer Gewalt unter hoher persönlicher
Gefährdung“ verliehen.
Mit diesen beiden Medaillen hatten also Soldaten, die ihren
Auslandseinsatz nicht nur innerhalb geschützter Feldlager verbrachten,
ihre eigenen Zeichen („Drinnies“ vs. „Draußies“). Dabei zeigt sich
allerdings ein eklatantes Missverhältnis: Die Gefechtsmedaille wurde
schon im ersten Jahr über 4.000 Mal verliehen – da reicht bereits ein
„bewährtes“ Verhalten bei gewalttätigen Demos im Kosovo. Das
Tapferkeitskreuz gab es hingegen im gesamten Zeitraum seit 2009 bis
Oktober 2013 nur ganze 26 Mal, es ist also relativ exklusiv. Man könnte,
legte man auf solche soldatischen „Tugenden“ überhaupt Wert,
feststellen, dass offenbar sehr viele Bundeswehrsoldaten in Gefechte
verwickelt werden, sich dabei aber fast keiner „tapfer“ schlägt.
Detlev Bald hat zur Einführung des Tapferkeitskreuzes ausgeführt, es
werde mit ihm „das kriegerische Element und der alte Kriegerkult im
Militär hofiert“. Relativ gering ist allerdings ihr Beitrag zur
Militarisierung der Gesellschaft. Abgesehen von der erstmaligen
Verleihung des Tapferkeitskreuzes nimmt von den Ordensverleihungen fast
niemand Notiz, sie vollziehen sich unbeachtet in einer Kantine des
Bundesverteidigungsministeriums.
Soldaten als Opfer – wovon oder wofür?
Anders sieht es mit der Ritualisierung des „Gefallenentodes“ aus.
An dieser Stelle sei ein kurzer Exkurs zum Opferbegriff erlaubt. Dieser
ist in der deutschen Sprache bekanntlich doppelt besetzt: Opfer meint
zum einen das victima, also das Zum-Opfer-Fallen, das Erleiden von
Gewalt, zum anderen das sacrificium im Sinne des aktiven
(Selbst-)Aufopferns für Andere bzw. für bestimmte Werte.
In Bezug auf den Soldatentod war in Deutschland (Stichwort: heroische
Gesellschaft) bis zum Zweiten Weltkrieg das Opfer eindeutig als
sacrificium besetzt. Deutsche Soldaten haben sich für das Vaterland usw.
aufgeopfert.
Der heroische Extremismus der Nazis hat allerdings für einen Bruch
gesorgt. Das zeigt sich in der offiziösen Gedenkformel der BRD „Für die
Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ ebenso wie in jener der DDR für
„Opfer von Faschismus und Militarismus“. Beide Formeln wurden auf ganz
unterschiedliche Weise ideologisch aufgeladen, aber beide waren sich
darin gleich: Deutsche Soldaten haben keine Opfer für irgendetwas
Positives gebracht, sondern sie wurden, sofern sie nicht gar Täter
waren, Opfer von Gewalt.[4] Das ist kein Ansporn, es ihnen nachzutun und
in neue Kriege zu ziehen.
Entsprechend sensibel reagiert die deutsche Öffentlichkeit noch heute
auf das Sterben von Soldaten. Über Jahre hinweg waren die
unterschiedlichen Bundesregierungen sehr daran interessiert, die
Auslandseinsätze als im Wesentlichen ungefährliche Humanitätsmissionen
zu beschreiben, bei denen das größte Risiko darin bestand, dass ein
Soldat in einen selbstgebohrten Brunnen fallen könnte. Seitdem das durch
die Eskalation im Afghanistan-Krieg nicht mehr möglich ist, wurden die
Überführungen der toten Soldaten vom Hindukusch Schritt für Schritt
politisch aufgeladen, so dass sie heute gleichsam Manifestationen der
Kriegsbefürwortung sind.
Bis 2008 fanden die Trauerfeiern für jene Soldaten noch eher
improvisiert in Flugzeughangars statt, seither werden Kirchen bevorzugt,
also Orte, die prinzipiell öffentlich zugänglich sind. Stets werden
Reden von hochrangigen PolitikerInnen gehalten (meist Bundeskanzlerin
oder Verteidigungsminister), die – ebenfalls seit 2008 – die Soldaten
nicht mehr als „aus dem Leben gerissen“ bezeichnen, sondern als
„Gefallene“. Dieser Euphemismus aus heroischen Zeiten, der für den
Opfer/sacrificium-Begriff steht, feiert seither auch in den Medien ein
Wiederauferstehen.
Was die Instrumentalisierung des Soldatentodes für eine
kriegsbefürwortende Politik angeht, hat der damalige
Verteidigungsminister zu Guttenberg im April 2010 den Vogel
abgeschossen, als er kurz hintereinander gleich zwei Trauerfeiern
abzuhalten hatte: „Sie sind für unser Land gefallen“, behauptete er, und
weiter: Die Toten „starben nicht allein für eine zerstörte Hoffnung,
sondern für die Gewissheit, ihre und unsere Freiheit, das Leben unserer
geborenen wie ungeborenen Kinder, unserer Familien zu schützen..“
„Es mögen im 21. Jahrhundert immer noch Viele nicht hören, aber es
stimmt: Dass in Afghanistan für unser Land, für dessen Menschen, also
für jeden von uns, gekämpft und gestorben wird.“[5]
Auf diese Art und Weise werden Soldaten in die Nähe von Märtyrern
gerückt. Mit dem Anspruch der Angehörigen auf Trauer um ihren
Bruder/Vater/Sohn hat das nichts zu tun. Der Tod des Soldaten wird von
der Politik als Bestätigung des Krieges, ja als Aufruf zu dessen
Fortsetzung instrumentalisiert.[6]
Ehrenmäler: Stein gewordene Kriegspropaganda
Zeitgleich mit dem Eisernen Kreuz 1813 entstanden auf königliches Geheiß
in den Kirchengemeinden Tafeln mit den Namen aller Gefallenen und dem
Zusatz, sie „starben für König und Vaterland“. Diese zwei Funktionen,
individuelle Namensnennung und Sinngebung bzw. Legitimation für den
Soldatentod, haben Kriegerdenkmäler seither beibehalten.
Ihre Gestaltung ist dabei unterschiedlich, im Kaiserreich dominierten
Siegesdenkmäler, nach dem Ersten Weltkrieg wurde mangels Siegen eher
„stolze Trauer“ ausgedrückt, der Heldenmut der Toten gepriesen und offen
zu Rache und Revanche aufgerufen. Besonders deutlich bringt dies das
Denkmal für die „Gefallenen“ des Königin Augusta
Garde-Grenadier-Regiments von 1926 auf dem Berliner Garnisonsfriedhof
zum Ausdruck: Die Gestalt des toten Soldaten reckt unter dem Leichentuch
hervor die geballte Faust nach oben, auf dem Grabstein wird beschworen:
„Ein Rächer mag erstehen einst aus meinen Gebeinen“.[7]
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Bedingungen für solche „heroischen“
Denkmale denkbar ungeeignet. Die Bundeswehr sucht seit nunmehr zehn
Jahren nach Symbolisierungen, die einen „opferreichen“ Krieg wie in
Afghanistan als „sinnvoll“ legitimieren könnten.
Ehrenmal der Bundeswehr
Das Ehrenmal der Bundeswehr wurde im September 2009 auf dem Gelände des
Berliner Bendlerblocks eingeweiht, also im gleichen zeitlichen wie
politischen Kontext wie das öffentliche Zelebrieren des
„Gefallenentodes“ und der neuen Orden.
Das Ehrenmal soll, so hat es der damalige Verteidigungsminister
Franz-Josef Jung erläutert, die Anerkennung des soldatischen Opfers
durch die Gesellschaft ausdrücken. Es ist der erste bauliche Versuch
seit 1945, das Sterben deutscher Soldaten als sinnvolles
Opfer/sacrificium darzustellen.
Auf eine Darstellung der Entstehungsgeschichte und der verwendeten
Symbolik wird hier verzichtet.[8] Es sei nur kurz ausgeführt, dass sich
die Gestaltung weitgehend an traditionellen Formen anlehnt, insbesondere
an der Neuen Wache, wie sie 1931 beschaffen war (Oberlicht, abgedunkelte
„cella“, Opferstein bzw. -platte).
Das Ehrenmal soll, wie jedes Kriegerdenkmal, die Frage beantworten,
wofür Soldaten sterben und wofür sie töten sollen. Diese Frage muss
beantwortet werden können, weil aus ihr sonst möglicherweise eine
Anklage wird. Damit wird auch im Ehrenmal der Soldatentod
instrumentalisiert – hier wird ihm als höherer Sinn „Frieden, Recht und
Freiheit“ zugeschrieben. Auch das Ehrenmal ist damit – entgegen der
offiziellen Behauptung – kein Ort für private Trauer, sondern ein vom
Staat gesetztes Zeichen, das die Kriegspolitik des Staates begründen soll.
Festzustellen ist: Das Ehrenmal wird kaum angenommen. Es kommen fast nur
Delegationen etwa des Deutschen Bundeswehrverbandes oder Staatsgäste mit
Protokollterminen. Für Angehörige ist es nicht nur wegen seiner
offenkundigen politischen Instrumentalisierung unattraktiv: Es wurde
zwar, nach einigen Diskussionen, beschlossen, die Namen aller im Dienst
ums Leben gekommenen Bundeswehrangehörigen sichtbar zu machen, sie
werden jeweils einzeln mittels LED-Technik durch lichtdurchlässigen
Beton gleichsam an die Wand „projiziert“. Aber: Die Namen erscheinen
einzeln, nacheinander, jeweils für nur acht Sekunden, ehe der Name
ausgedimmt wird und der nächste erscheint. Bei derzeit über 3.200 Namen
dauert ein Durchlauf gegenwärtig fast neun Stunden, so dass Angehörige
keine Chance haben, den Namen „ihres“ betrauerten Menschen zu sehen zu
kriegen – und selbst wenn, würde er sich als so offenkundig flüchtig
erweisen, dass die mit seiner Nennung ja eigentlich suggerierte
Unsterblichkeit ad absurdum geführt wird.
Soldatenverbände kritisierten zudem von Anfang an, der Standort sei zu
abgelegen. Sie fordern ein Denkmal möglichst im Stadtzentrum, bevorzugt
am Reichstagsgebäude.
Neues Ehrenmal am Reichstagsgebäude?
Das Ehrenmal ist das erste seiner Art, das speziell den Tod von
Bundeswehrsoldaten glorifizieren soll, aber es wird mit Sicherheit nicht
das letzte sein.
Aktuell entsteht auf dem Areal des Einsatzführungskommandos bei Potsdam
ein sogenannter „Wald der Erinnerung“. Dort werden die Ehrenhaine,
Ehrenmale, Gedenktafeln usw., die in den letzten Jahren in den
Feldlagern in Afghanistan entstanden sind und die Stein für Stein
abgebaut wurden bzw. noch werden, wieder aufgestellt. Schon diese
Überführung der Erinnerungsorte an sich symbolisiert das Scheitern des
Kriegseinsatzes: Die Bundeswehr traut dem von ihr angeblich am
Hindukusch stabilisierten Frieden nicht und fürchtet, die Gedenkorte
würden nach ihrem Abzug sofort „geschändet“.
Diese Orte scheinen in Afghanistan selbst von den Soldaten – im
Unterschied zum Berliner Ehrenmal – einigermaßen angenommen worden zu
sein. Überhaupt deutet einiges darauf hin, dass SoldatInnen, wenn sie um
ihresgleichen trauern, dies weit weniger politisch aufladen als
PolitikerInnen: Die Mahnmale in Afghanistan appellieren eher an
sogenannte soldatische „Werte“, also: Tapferkeit, Disziplin,
Kameradschaft, wohingegen die Berufung auf „Frieden, Recht und Freiheit“
eine weit geringere Rolle spielt.
Der „Wald der Erinnerung“ soll zum Volkstrauertag 2014 eingeweiht
werden. Angehörige sollen dort die Möglichkeit haben, persönliche
Erinnerungsstücke an die Bäume zu nageln, und auch sonstigen
ZivilistInnen soll ein kontrollierter Zutritt gestattet werden. Dennoch
ist klar, dass dieser Erinnerungsort ein militärisches Binnen-Denkmal
sein wird, das wenig Rückwirkung auf die zivile Gesellschaft entfalten kann.
Standort Reichstag?
Anders dagegen wäre es mit einem neuen „Gefallenen-Denkmal“ vor dem
Reichstag, über das seit Jahren, allerdings nur auf Sparflamme,
diskutiert wird.
Das bisherige Ehrenmal ist ja allen Bundeswehrangehörigen inklusive
Zivilbeschäftigten gewidmet, die „in Ausübung ihres Dienstes“ zu Tode
kamen. Wie bereits erwähnt, stößt dies bis heute auf Kritik von
Soldatenverbänden, die einen Standort nahe am Reichstagsgebäude fordern,
der auch von zivilem Publikum häufig frequentiert wird und nicht, wie
das jetzige Ehrenmal, unbeachtet in einer stillen Nebenstraße liegt.
Der Verteidigungsausschuss des Bundestages hat im März 2013
vorgeschlagen, neben einer Gedenkminute im Bundestagsplenum eine
Erinnerungsstätte in der Nähe des Sitzungssaals einzurichten. „Weiterhin
soll ein Ideenwettbewerb für eine öffentliche Erinnerungsstätte im
Außenbereich des Deutschen Bundestages ins Leben gerufen werden.“ Der
Charakter einer solchen Stätte, heißt es in einem von Vertretern aller
Fraktionen unterschriebenen Brief vom 14. März 2013 an
Bundestagspräsident Norbert Lammert, sei allerdings noch „zu
diskutieren“. Dieser Vorbehalt geht auf die Linksfraktion zurück. Deren
Arbeitsgruppe Sicherheitspolitik hat angekündigt, „sich weiterhin an der
Diskussion über eine Gedenkstätte für die bei den Auslandseinsätzen
Umgekommenen im Rahmen des Bundestages zu beteiligen.“ Dabei solle neben
den Soldaten auch der „Opfer des Krieges in den Einsatzländern“ gedacht
werden. Andere Abgeordnete der Linksfraktion wiesen dagegen diese
Haltung zurück: Die „Institutionalisierung des herausgehobenen Gedenkens
an gefallene deutsche Soldaten“ sei „ein weiterer Schritt zur
Normalisierung von Auslandseinsätzen“, erklärten sie ein einer
Stellungnahme.[9]
In gewisser Weise lässt sich ein gemeinsames Ehrenmal für SoldatInnen
und ZivilistInnen als durchaus passender Ausdruck für eine Gesellschaft
interpretieren, in der zivil-militärische Zusammenarbeit immer wichtiger
wird. Die Frage für AntimilitaristInnen ist nur: Wollen wir das?
Egal wie die Antwort ausfällt: Besondere Eile legen die PolitikerInnen
nicht an den Tag. Die damalige Ausschussvorsitzende Susanne Kastner
(SPD) betonte im März 2013 selbst, dass die Umsetzung ihrer Pläne,
zumindest einer Gedenkstätte außerhalb des Parlaments, eine ganze Weile
dauern werde. Der Haken daran ist ja auch: Man will eben nicht gern in
aller Öffentlichkeit ausposaunen, dass schon Dutzende von SoldatInnen im
Ausland „gefallen“ sind, weil man ja noch nicht einmal weiß, wie man
diese Tode eigentlich legitimieren soll.
Militarisierung von unten? Die Gelbe Schleife
Soviel erst einmal zu Orden, Ehrenmälern und Totenritualen. Das sind
Militarisierungsformen, die derzeit nicht nur vom Staat gesetzt, sondern
mehr oder weniger ausschließlich von ihm rezipiert werden. Wie schon
eingangs erwähnt, spielen diese Dinge im Alltag der BürgerInnen, im
Sinne des „banalen Militarismus“, kaum eine Rolle. Was das angeht, wäre
die spannendere Frage, inwiefern es solche Militarisierungsinitiativen
auf dem Feld der Ehre „von unten“ gibt.
Es gibt da zunächst gescheiterte Versuche, durch Appelle die Gesellschaf
auf Trab zu bringen. Dafür steht etwa der „Runde Tisch Solidarität mit
Soldaten“, den der frühere Wehrbeauftragte Reinhold Robbe 2010 gegründet
hat; von dort kamen Ansinnen wie jenes, der DGB möge am 1. Mai und der
DFB bei jedem Fußballspiel Gedenkminuten für die Gefallenen abhalten;
ein Vorschlag, der natürlich völlig verpuffte. Dem „Runden Tisch“
gehören eine Menge Initiativen an, aber sie sind nahezu allesamt
Initiativen aus dem engeren militärischen Kreis, angefangen vom
Bundeswehrverband bis zum Verband Deutscher Veteranen usw., aber keine
Vertreter ziviler Organisationen. Die letzte größere Aktion des Runden
Tisches war ein Aufruf an die Bundestagsabgeordneten, den SoldatInnen in
den Einsatzgebieten Weihnachtsgrüße zukommen zu lassen – es ist wohl
fraglich, ob die gerade darauf tatsächlich scharf sind.
Dagegen ist die Gelbe Schleife eines der bekannteren Symbole, mit denen
die Verbundenheit der Gesellschaft mit SoldatInnen zum Ausdruck gebracht
werden soll. Sie wird von mehreren Verbänden und NGOs vertrieben.
Grundidee dieses Symbols ist es, „die Solidarität der Gesellschaft für
unsere Soldatinnen, Soldaten und Reservisten“ zu stärken. Das Besondere
daran ist, dass mit diesem Solidaritätsbekenntnis in der Regel keine
Forderung danach verbunden ist, auch dem jeweiligen konkreten
Bundeswehreinsatz zuzustimmen. Unter dem Logo der Gelben Schleife solle
„sich jede Bürgerin und jeder Bürger unabhängig von politischen,
religiösen und anderen Strömungen“ einbringen können.[10]
Die Gelbe Schleife ist derzeit weit davon entfernt, eine Ikone zu werden
wie etwa die Rote Schleife. Sie ist noch sehr auf den eher engen Kreis
der direkt Betroffenen (SoldatInnen und ihre Angehörigen) begrenzt.
Mitunter findet sie sich auf der Homepage von Gemeindeverwaltungen
(bevorzugt von Garnisonsstädten).
Das liegt zum Teil daran, dass die Schleife eben nicht „für sich“
spricht, sondern in Teilen bedeutungsoffen ist. Einige Initiativen, die
sie vertreiben, verbinden dies mit ausdrücklich politischen
Bekenntnissen zum jeweiligen Auftrag der Bundeswehr. Die Initiatoren von
Gelbe-Schleife.de beklagen sich darüber, dass ihr „Original“ durch
„einzelne Gruppierungen verändert und umgedeutet“ werde. Weil viele
Organisationen die Schleife durch eigene Sinnsprüche ergänzt haben, habe
dies zu einem „ungewollten Außenseitertum dieser Gruppen und zu einer
Erosion der grundsätzlichen Idee geführt.“
Aus antimilitaristischer Sicht ist das natürlich hoch erfreulich – denn
an sich hätte die Gelbe Schleife womöglich einiges Potential.
Zwar wird sie kaum eine Revision der postheroischen Gesellschaft hin zu
einer Gesellschaft bewirken, die den Tod für Vaterland/Recht und
Freiheit wieder freudig als sacrificium deutet. Aber das ist ja nur ein
(aus heutiger Sicht) Extrem. Postheroisch bedeutet schließlich nicht
antimilitaristisch. Gerade weil die Gelbe Schleife nicht martialisch
oder in Olivgrün daherkommt, gerade weil sie sich scheinbar unpolitisch
gibt und nur „das Menschliche“ betont, macht sie es auch KritikerInnen
der Bundeswehreinsätze potentiell möglich, sich „solidarisch“ mit Dienst
tuenden SoldatInnen zu zeigen. Damit wären wir dann wieder beim Thema
des banalen Militarismus.
Schlussfolgerung
Die Bundesregierung sucht nach überzeugenden Antworten auf die Frage,
warum deutsche SoldatInnen töten und getötet werden sollen. Sie hat
bislang keine solche Antwort gefunden. Nach Lage der Dinge wird ihr dies
auch in Zukunft sehr schwer fallen: Kein Mensch glaubt daran, dass in
den Kriegen der Gegenwart tatsächlich ureigene Interessen der hier
lebenden Bevölkerung verteidigt würden.
Dennoch treibt die Bundesregierung einen, wenn auch langsamen, Prozess
voran, der auf eine Remilitarisierung von Armee und Gesellschaft
hinarbeitet. Wenn schon nicht auf begeisterte Zustimmung, so sollen die
Kriegseinsätze doch zumindest auf ein hohes Maß an Verständnis und
Duldung stoßen. Das Zelebrieren des Heroischen bei Totenritualen und in
Ehrenmälern hat, wie immer beim Militär, auch die Funktion, kritische
Fragen nach dem „Warum“ zu verhindern: In Tempeln diskutiert man nicht.
Münkler nennt diese Funktion des Gedenkens, der Regierung einen
politischen „Dispens“ zu verleihen.
Aus antimilitaristischer Sicht sei deswegen zum einen eine Strategie der
De-Heroisierung geraten. Die kann zum Beispiel darin bestehen, die
Symbole des neu-alten Heroismus aufzugreifen und sie in satirischer
Weise umzudrehen. Uniformen, Ehrenmäler, Orden – all das ist Symbolik,
die auch anders, und zwar kritisch, aufgeladen werden kann. Die
Schändung der heiligen Stätten des Gegners war schon immer ein
bevorzugtes Mittel im Kampf der Kulturen. Als Beispiel sei das „Blutbad“
genannt, das die Berliner DFG-VK anlässlich des Rekrutengelöbnisses am
20. Juli 2013 inszeniert hat.[11]
Nicht zuletzt gilt es, die Bundeswehr an ihrer Schwachstelle zu packen:
Bei der Sinnfrage. Beim Tod. Den Tod provozieren sie, aber sie können
nicht plausibel darlegen, warum und für was. Sie flüchten sich in
Floskeln und Rituale, und genau an dem Punkt müssen wir nachhaken, immer
wieder.
Der Autor ist Landesgeschäftsführer der Deutschen
Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK)
Berlin-Brandenburg.
Anmerkungen
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[1] Vgl. hierzu Tanja Thomas/Fabian Virchow: Banal Militarism. Zur
Veralltäglichung des Militärischen im Zivilen. Bielefeld 2006.
[2] Herfried Münkler ist Politikwissenschaftler an der
Humboldt-Universität Berlin und einer der Apologeten des „asymmetrischen
Krieges“. Er ist Mitglied im Beirat der Bundesakademie für
Sicherheitspolitik und fungiert gewissermaßen als Berater der Bundeswehr
in Angelegenheiten von Ehrenmalen.
[3] Diese und weitere Zitate aus: Klaus Latzel, Vom Sterben im Krieg.
Wandlungen in der Einstellung zum Soldatentod vom Siebenjährigen Krieg
zum II. Weltkrieg, Warendorf 1988.
[4] Ausnahmen bestätigen diese Regel: In der BRD das Opfer/sacrificium
der „Männer des 20. Juli“, in der DDR jenes der Angehörigen des
Nationalkomitees Freies Deutschland.
[5] Vgl. hierzu: Stefanie Hammer/Maik Herold: Zivilreligion in
Deutschland? Transzendenz und Gemeinsinnsstiftung in den Trauerritualen
der Bundeswehr, in: G. Pickel, O. Hidalgo (Hg.): Religion und Politik im
vereinigten Deutschland, Politik und Religion, Wiesbaden 2013, S. 103-136.
[6] Dies setzt freilich die Zustimmung der Angehörigen voraus, die seit
2008 offenbar nur einmal, bei der Trauerfeier für einen im Frühjahr 2013
zu Tode gekommenen KSK-Soldaten, explizit auf einer nicht-öffentlichen
Feier bestanden.
[7] Zu diesem sehenswerten Friedhof seien die Darlegungen und Fotos von
Arndt Beck in dem von ihm und Markus Euskirchen herausgegebenen Buch
empfohlen: Die beerdigte Nation. „Gefallenen“-Gedenken seit 1813, Berlin
2009.
[8] Vgl. hierzu Frank Brendle: „süß ist´s und ehrenvoll…“, in: junge
Welt, 14. 11. 2007; Eugen Januschke: Symbolisches Desaster – das
Ehrenmal der Bundeswehr soll dem Soldatentod mehr Achtung verleihen, in:
junge Welt, 28. 12. 2009; Manfred Hettling, Jörg Echternkamp (Hg.):
Bedingt erinnerungsbereit. Soldatengedenken in der Bundesrepublik,
Göttingen 2008.
[9] Junge Welt vom 15. 5. 2013.
[10] gelbe-schleife.de
[11] Einige Beispiele auf www.bamm.de
--
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