Sonntag, 10. Mai 2015

Stimme aus dem Kerker

Kolumne für Mumia Abu-Jamal Von Sabine Kebir Quelle: e-mail an die Redaktion In der vergangenen Woche hat das FBI selbstkritisch bekannt, dass es jahrzehntelang forensische Berichte in Prozessen zu Schwerstverbrechen gefälscht habe – und zwar mit dem Ziel, die Argumente der Anklage zu stützen. Dabei sei es womöglich auch zu falschen Todesurteilen gekommen, von denen ein Teil widerrechtlich vollstreckt worden sein könnte. Auch die Anwälte des 1982 wegen Polizistenmords zum Tode verurteilten Journalisten Mumia Abu-Jamal haben immer wieder darauf hingewiesen, dass die Ermittlungen schlampig gemacht worden seien und etliche Ungereimtheiten enthielten, insbesondere was die Untersuchung der ballistischen Bahn der Kugeln betraf, die Officer Daniel Faulkner das Leben kosteten. Dass auch Abu-Jamal lebensgefährlich verletzt worden war, spielte im Verfahren ebenfalls keine Rolle, obwohl der Polizist diese Schüsse ja nicht abgegeben haben kann, nachdem er schon tot war. Die jahrzehntelangen weltweiten Protestaktionen gegen das Urteil haben immerhin bewirkt, dass die Justiz 2011 den ursprünglichen Prozess für juristisch unsauber erklären und die Todesstrafe aufheben musste. Aber anstatt ein neues, faires Verfahren anzustrengen, wurde sie in eine lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt. Und seitdem sind immer wieder Versuche bekanntgeworden, Mumia Abu-Jamal, der weiterhin im Prison Radio und auch in der Presse journalistisch tätig ist, zum Schweigen zu bringen. Zunächst hatte seine neue Zelle, die nicht mehr in einem Todestrakt lag, keine Steckdose, wo er seine elektrische Schreibmaschine hätte anschließen können. Ende 2014 erließ der Gouverneur von Pennsylvania ein Gesetz, das – angeblich aus Gründen des Opferschutzes – es Gefangenen erschwert, über ihren Fall in den Medien zu sprechen. Obwohl das Abu-Jamal weitaus weniger als die meisten Häftlinge tangiert, denn er beschäftigt sich journalistisch prinzipiell nicht mit seinem Fall, sondern mit politischen Problemen, steht er an der Spitze einer Gruppe von Intellektuellen und Politikern, die gegen dieses Gesetz Klage beim Obersten Gerichtshof eingereicht hat. Die Chancen sind gut, dass es dort kassiert wird. Noch ist das Gesetz in Pennsylvania in Kraft und möglicherweise hatte sich die Gefängnisverwaltung davon erhofft, dass Nachrichten über den schweren Diabetes Typ 2, unter dem Abu-Jamal seit einigen Monaten leidet, gar nicht oder spät an die Öffentlichkeit dringen. Diabetes Typ 2 ist heute eine leicht erkennbare und behandelbare Krankheit. Aber dass Abu-Jamal 40 Kilo abgenommen hatte, am 30. März einen diabetischen Schock erlitt und einer Notfallbehandlung schließlich auch außerhalb des Gefängnisses zugeführt werden musste, deutet darauf, dass hier womöglich jahrelang eine eklatante medizinische Unterversorgung vorlag. Und dass das Mahanoy-Gefängnis bislang kaum etwas zu ändern gedenkt, offenbarte sich daran, dass Abu-Jamal dort weiterhin keine adäquate Behandlung und nicht einmal eine angemessene Diät erhält. Skandalös ist auch, dass er, während er in Todesgefahr schwebte, keinen Kontakt zu seiner Anwältin haben konnte und der zu seiner Familie äußerst eingeschränkt war. Auch dies zeigt, dass die Gefängnisverwaltung wohl bemüht war, möglichst wenig über Abu-Jamals besorgniserregenden Gesundheitszustand nach außen dringen zu lassen. Das ist nicht gelungen. Obwohl die internationale Solidaritätsbewegung für Abu-Jamal seit der Aufhebung des Todesurteils geschwächt ist, hat es viele Proteste gegen den fahrlässigen Umgang mit seiner Erkrankung gegeben. Das deutsche PEN-Zentrum, das im Oktober 2014 erreichte, dass der Internationale PEN eine Resolution für die Freilassung Abu-Jamals verabschiedete, hat nun beim Botschafter der Vereinigten Staaten wegen der »Pannen« während der Krankheit protestiert. Einen offenen Brief internationaler Intellektueller an Gouverneur Thomas Wolf und die Gefängnisverwaltung, in dem Abu-Jamals Behandlung durch unabhängige Ärzte verlangt wird, haben u. a. der ehemalige Bischof Desmond Tutu und Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek unterzeichnet. Sabine Kebir ist Autorin und Vorstandsmitglied des deutschen PEN-Zentrums

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