Sonntag, 10. Mai 2015
Deutschlands erster Muslim-Terrorist
Er fing mit dem Bombenlegen an, als die RAF damit aufhörte. Bernhard Falk galt in den 1990er-Jahren als linksradikal. Dabei berief er sich schon damals auf den Koran. Seinen Ideen ist Deutschlands erster islamistischer Terrorist bis heute treu geblieben. Von Ludwigshafen aus macht er für sie Propaganda. Aber er achtet darauf, sich nicht mehr strafbar zu machen.
LUDWIGSHAFEN. Zischend saust eine grüne Fahne herab, bohrt sich von oben in die Weltkugel. Dann erscheint ein bärtiger Mann im Armeeparka auf dem Bildschirm. Grimmigen Blickes wendet er sich an die Bundesregierung, verliest 35 Minuten lang eine drohende Botschaft. Und sticht immer wieder mit seinem Kugelschreiber in Richtung der Kamera.
Die Richter des Düsseldorfer Oberlandesgerichts hat Bernhard Falk im Herbst 1997 mehrere Stunden lang mit einer Erklärung gequält. Damals war er 30 Jahre alt und galt als Linksextremist. Er hatte mit dem Bombenlegen angefangen, weil die RAF damit aufgehört hatte. Seine „Antiimperialistische Zelle“ (AIZ) attackierte ab 1992 öffentliche Gebäude, die Häuser von Abgeordneten, die Wohnung der Eltern eines Polizisten. Anfangs waren diese Attentate eher symbolisch, später bekannte sich die AIZ auch zu „potenziell tödlichen Aktionen“.
Heute gibt Falk den radikalen Islamisten, seinen ältesten Sohn hat er Muhammad Usama genannt. Der zweijährige Bub und seine beiden Geschwister leben bei ihrer Mutter in Nordrhein-Westfalen, ihren Vater sehen sie alle paar Wochen. Denn er hat seinen offiziellen Wohnsitz bei seiner Zweitfrau in Ludwigshafen. Bei ihr hat er mehr Ruhe, also bereitet er dort seine Videobotschaften vor. Doch vor allem reist er durch Deutschland, pilgert zu Islamisten-Prozessen.
Dort bringt er Gesinnungsgenossen bei, wie sie dem deutschen Staat zeigen, was sie von ihm halten. Zum Beispiel, indem sie noch vor Verhandlungsbeginn von den Zuschauerbänken aufstehen. Falks Logik: Wer sitzenbleibt, wenn die Richter hereinkommen, wird wegen Respektlosigkeit rausgeworfen. Wer schon steht, muss sich nicht mehr erheben, um ihnen die Ehre zu erweisen. Ein Frankfurter Richter hat ihm außerdem gerade bescheinigt, dass er „versucht, das Aussageverhalten von Zeugen und Angeklagten zu beeinflussen“.
Vor allem aber will Falk den Gefangenen zeigen, dass sie Rückhalt haben. Schließlich weiß er selbst nur zu gut, wie sich Knast für einen selbst ernannten Märtyrer anfühlt, wenn sich keiner für ihn interessiert. 13 Jahre hatten ihm die Richter für seine Anschläge aufgebrummt. Dabei hatte er noch Glück, denn wie durch ein Wunder hatte er nur Sachschäden angerichtet. Selbst eine Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung blieb ihm erspart.
Denn die besteht aus mindestens drei Personen, so steht es im Gesetz. Die AIZ war zumindest am Ende nur ein Zwei-Mann-Trüppchen. Zu weiteren Komplizen schweigt der Wahl-Ludwigshafener bis heute. Damals sagten Sprachanalysten: An den ersten Bekennerbriefen müssen mehrere Leute mitgeschrieben haben. Auch gegen einen Ansgar Falk wurde damals ermittelt. Der ist heute katholischer Priester – „und engagiert sich für die vom Imperialismus ausgebeuteten Menschen in Lateinamerika“, wie sein Bruder Bernhard lobend feststellt. Als Messdiener hat er selbst lange das Weihrauchfass geschwungen. Aus der Kirche trieben ihn scheinheilige Katholiken. Und Papst Johannes Paul II., der sich zu gut mit der US-Regierung verstand. Jedenfalls für Falks Geschmack. Mittlerweile trägt der Alt-Revolutionär einen arabischen Beinamen: Muntasir bi-llah. Übersetzt: derjenige, der versucht, für Allah einen Sieg zu erringen. Muslim sei er im Gefängnis geworden, wird oft über Falk behauptet.
Doch schon in einem AIZ-Bekennerschreiben stand: „Wir haben den Islam als revolutionäre Waffe in voller Schärfe und Schönheit kennenlernen dürfen.“ Der Ludwigshafener war als Attentäter also nicht nur Nachhut, sondern auch Vorreiter: der Erste, der in Deutschland Bomben im Namen Allahs legte. Den Respekt der Islamisten von heute muss er sich trotzdem erarbeiten. Sie klicken sich gern durch bluttriefende IS-Videos. Oder sie rufen Filmchen des Ex-Boxers Pierre Vogel ab. Der salafistische Prediger gibt sich jugendlich-locker, spricht auch über Alltagsthemen wie Masturbation und Pornos. Viele seiner Videos werben mit dem Zusatz „lustig“. Falk bietet seinen Zuschauern die Eingangsszene mit der grünen Fahne, die auf die Erdkugel herabzischt. Danach zeigen seine Videos nur, wie er dasitzt und vor sich hin doziert, 25, 40, sogar 70 Minuten lang. Immerhin hat der Mann ein Einser-Abitur, war Jahrgangsbester in Schleswig-Holstein.
Ob er mit solchen Filmen viel Anklang findet, darüber gehen die Meinungen der Staatsschützer auseinander. Falk selbst sagt: Er erreicht etwa ein Drittel der deutschen Salafisten – jenes Drittel, das den Behörden die größten Sorgen macht. Doch unter den vermeintlichen Brüdern sind auch Feinde. „Geschenk an Berni“ heißt ein Video, das zum 11. September 2014 aufgetaucht ist. Es zeigt, wie ein Schützling des Ludwigshafeners dessen Passwort eingibt und Falk-Videos aus dem Internet löscht.
Vor blutrotem Hintergrund liefert der vermummte junge Mann auch eine Erklärung für seine Attacke. Falk sei gar kein echter Muslim: „Er versucht, seine linken Gedanken mit dem Islam zu vermischen.“ Tatsächlich spricht der 47-Jährige zwar ständig über den Kampf zwischen „Umma“, also der Gemeinschaft der Muslime, und „Kuffar“, also den Ungläubigen. Aber auch von alten Links-Revoluzzer-Vokabeln mag er nicht lassen: „ausgebeutete Volksmassen“ hier, „Imperialisten“ dort.
Und er schätzt längst nicht alles, was unter islamistischer Flagge daherkommt. Die IS-Bande zum Beispiel findet selbst er zu brutal. Die Taliban hingegen haben seiner Meinung nach zwar auch Fehler gemacht, zum Beispiel im Umgang mit Frauen. Aber unterm Strich gehören sie für ihn doch zu den Guten. So wie die Kämpfer der Al-Nusra-Front in Syrien. Die ist ein Al-Qaida-Ableger. Anschläge in Deutschland fände er ebenfalls in Ordnung. Selbst wenn eine Bombe auch ihn erwischen würde. Oder seinen kleinen Muhammad Usama.
Begründung: Die Bundesregierung führe Krieg gegen „die Muslime“. Da müsse sie mit Opfern im eigenen Land rechnen. Doch Falk vermeidet es tunlichst, selbst zu Attentaten aufzurufen. Damit könnte er sich strafbar machen. Und die Behörden warten nur darauf, ihn aus dem Verkehr ziehen zu können. Zuletzt hat die Staatsanwaltschaft Frankenthal gegen ihn ermittelt, weil er Spendengelder veruntreut haben sollte. Das Verfahren wurde ergebnislos wieder eingestellt.
Also kann Falk unbehelligt per Video erklären, wo in Rheinland-Pfalz US-Atomwaffen lagern sollen. Und eine angebliche Sicherheitslücke erwähnen, während ein diabolisches Lächeln über sein Gesicht zu huschen scheint. Eine Tipp für Attentäter? „Das habe ich nur als besorgter Bürger gesagt“, antwortet Falk. Wenn sich am Anfang seiner Videos die grüne Fahne zischend in die Weltkugel gebohrt hat, ertönt ein feines Sirren. So klingt es, wenn ein Schwert aus der Scheide gezogen wird.
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