Laut einem ehemaligen Soldaten soll die Umweltaktivistin Berta Cáceres vom honduranischen Militär umgebracht worden sein. Foto (Zuschnitt): Comisión Interamericana de Derechos Humanos, CC BY 2.0.
Der Mordfall an der honduranischen Umweltaktivisten Berta Cáceres hat eine Aufsehen erregende Wendung genommen. Nach Angaben eines ehemaligen Soldaten, wurde die Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten vom Militär getötet. Dies berichtete Rodrigo Cruz der britischen Tageszeitung "The Guardian" in einem Interview. Cáceres sowie zahlreiche andere Aktivisten hätten bereits Monate vor dem Mord an der 44-Jährigen auf einer Abschussliste gestanden, die an zwei Elite- Einheiten des Militärs weitergegeben wurden. Der eindeutige Befehl lautete diese Menschen zu töten.
Ein politisch motivierter Mord?
Cruz selber sei Mitglied einer diese Einheiten gewesen, die angeblich von den Vereinigten Staaten (USA) finanziert werden, und habe bei der Bekanntgabe dieser Auftragsmorde gemeinsam mit seinem Kommandanten desertiert. Zurzeit befindet er sich im Ausland. "Wenn ich in meine Heimat zurückkehre, werde ich getötet", sagte der 20-Jährige dem Guardian. Zehn seiner ehemaligen Kollegen würden derzeit vermisst und er geht davon aus, dass sie tot sind. Er sei sich zu 100 Prozent sicher, dass Cáceres vom Militär umgebracht wurde.
Der Mord an Berta Cáceres hatte sowohl in Honduras als auch international für große Bestürzung gesorgt. Cáceres ist eines der Gründungsmitglieder des Honduranischen Indigenenrats (COPINH) gewesen und setzte sich, unter anderem, gegen eine großes Staudamm-Projekt in ihrer Heimat ein. Bereits kurz nachdem sie am 03. März dieses Jahres in ihrem Haus erschossen wurde, gingen ihre Angehörigen von einem Auftragsmord aus. Kurze Zeit später gab es mehrere Festnahmen darunter war auch der Sicherheitschef der Baufirma Desa, die den Staudamm errichten soll. Cáceres selber hatte in einem Interview vor drei Jahren gesagt, dass sie auf einer Abschussliste des honduranischen Militärs stehe und dass es jederzeit passieren könnte, dass sie umgebracht wird. (aj)
Lehrerstreik in Mexiko unter Beschuss; Codigo DH betreut Repressionsopfer
21/06/2016 Im September 2014 verschwanden 43 Lehramtsstudenten von Ayotzinapa in Iguala, Guerrero, spurlos. Ihre Angehörigen gehen davon aus, dass sie mit der Beihilfe des Militärs ermordet wurden. Bis heute ist ihr Verschwinden ungeklärt. Ihr Vergehen war es, den Töchtern und Söhnen der Bauernfamilien Lesen und Schreiben, kritisches Wissen und solidarisches Bewusstsein beibringen zu wollen. Auch entschied die Regierung Mexikos neoliberale Reformen im Bildungswesen zu erzwingen, ohne dies mit den LehrerInnen abzustimmen, geschweige denn zu diskuteren. Nun ist die Lehrergewerkschaft CNTE gegen diese Reformen auf die Strasse gegangen. Kern der Reform ist ein Bewertungssystem von Lehrkräften, das zu einer scharfen Selektion führen soll. Gerade die Lehrkräfte aus ländlichen Gebieten befürchten dadurch, mit ihrer an die Bedürfnisse der Bauernkinder adaptierten Unterrichtsweise den Ansprüchen nicht zu genügen und durch regimetreue Lehrkräfte ersetzt zu werden, die diesen Kindern schon früh die Freude am Lernen verderben und einem schleichenden Ausschluss der Armen aus dem Bildungssystem Vorschub leisten werden
Das hat LehrerInnen und die Eltern der Schulkinder mobilisiert. In Oaxaca brennen die Städte, die Repression von Seiten der Polizei wird immer härter. Allein am vergangenen Wochenende wurden acht Menschen im Städtchen Nochixtlán und ein jugendlicher Demonstrant in der Hauptstadt erschossen und über 100 Personen verletzt, obwohl die Polizei verleugnet, scharf zu schiessen. Die Toten weisen Schussverletzungen an Kopf und Oberkörper auf. Eine Ärztebrigade ist unterwegs, um die Todesursache der Opfer festzustellen und Bilder von den Erschossenen zu machen. Denn sie befürchten, dass der mexikanische Staat einmal mehr behaupten wird, die Ermordeten seien an einem Herzinfarkt verstorben. Auch in Chiapas, Guerrero, Michoacán und Mexico-Stadt gehen die Leute auf die Strasse. Allein, die Regierung Peña verweigerte bisher jeglichen Dialog mit den Protestierenden.
Unsere Projektpartner vor Ort befürchten eine weitere Eskalation der Repression bis hin zur Ausrufung des Ausnahmezustandes, was dem Terror von Seiten des Staates Tür und Tor öffnen würde. Die KollegInnen von Codigo DH betreuen die Familienangehörigen der Repressionsopfer. Einen ersten Erfolg kann Codigo DH vermelden: Sie berieten juristisch Angehörige der 20 Gefangenen von Nochixtlán, die arbiträr inhaftiert wurden und nach zweieinhalb Tagen freikamen. Ausserdem ist das Team von Codigo DH in diesem ersten Moment vor Ort, um unabhängige Zeugenaufnahmen zu machen und abzuklären, was wirklich geschah. Auf Antrag von Codigo DH ist auch die Nationale Menschenrechtskommission CNDH in Nochixtlán, um Menschrenrechtsverletzungen zu dokumentieren und erste Schritte gegen die Täter einzuleiten.
Die gewaltsamen Ereignisse, insbesondere das Massaker im indigenen Städtchen Nochixtlán, hat den politischen Preis für die Kriminalisierung der LehrerInnen sehr hoch getrieben. Am Mittwoch den 22. Juni, nach vielen Monaten des Protests, fand ein erstes Treffen zwischen der Gewerkschaft und der Regierung statt. Gleichzeitig breitet sich eine Welle der Empörung im Land aus, ähnlich den Monaten nach dem Verschwinden der Studenten von Ayotzinapa. medico international schweiz wird die Ereignisse in Südmexiko weiterhin genau verfolgen und die Partnerorganisation nach Möglichkeiten in ihrer Arbeit unterstützen. Wir zählen dabei auch auf Ihre Solidarität mit der widerständigen Bevölkerung!
June 26th marks 41 years since the long summer day when three young men were killed at the home of the Jumping Bull family, near Oglala, during a firefight in which I and dozens of others participated. While I did not shoot (and therefore did not kill) FBI agents Ronald Williams and Jack Coler, I nevertheless have great remorse for the loss of their young lives, the loss of my friend Joe Stuntz, and for the grieving of their loved ones. I would guess that, like me, many of my brothers and sisters who were there that day wish that somehow they could have done something to change what happened and avoid the tragic outcome of the shootout.
This is not something I have thought about casually and then moved on. It’s something I think about every day. As I look back, I remember the expressions of both fear and courage on the faces of my brothers and sisters as we were being attacked. We thought we were going to be killed! We defended our elders and children as they scattered for protection and to escape. Native people have experienced such assaults for centuries, and the historical trauma of the generations was carried by the people that day -- and in the communities that suffered further trauma in the days that followed the shootout, as the authorities searched for those of us who had escaped the Jumping Bull property.
As the First Peoples of Turtle Island, we live with daily reminders of the centuries of efforts to terminate our nations, eliminate our cultures, and destroy our relatives and families. To this day, everywhere we go there are reminders -- souvenirs and monuments of the near extermination of a glorious population of Indigenous Peoples. Native Peoples as mascots, the disproportionately high incarceration of our relatives, the appropriation of our culture, the never-ending efforts to take even more of Native Peoples’ land, and the poisoning of that land all serve as reminders of our history as survivors of a massive genocide. We live with this trauma every day. We breathe, eat and drink it. We pass it on to our children. And we struggle to overcome it.
Like so many Native children, I was ripped away from my family at the age of 9 or so and taken away to get the “Indian” out of me at a boarding school. At that time, Native Peoples were not able to speak our own languages for fear of being beaten or worse. Our men’s long hair, which is an important part of our spiritual life, was forcibly cut off in an effort to shame us. Our traditional names were replaced by new European-American names. These efforts to force our assimilation continue today. Not long ago, I remember, a Menominee girl was punished and banned from playing on the school's basketball team because she taught a classmate how to say "hello" and "I love you" in her Native language. We hear stories all the time about athletes and graduates who face opposition to wearing their hair long or having a feather in their cap.
With this little bit of my personal history in mind, I think it is understandable that I would then, as a young person in the 1960’s and 70’s, be active in the Indigenous struggle to affirm our human, civil, and treaty rights. Our movement was a spiritual one to regain our ceremonies and traditions and to exercise our sovereignty as native or tribal nations. For over 100 years some of our most important ceremonies could not be held. We could not sing our songs or dance to our drum. When my contemporaries and I were activists, there were no known sun dances. Any ceremony that took place had to be hidden for fear of reprisals. One of our roles as activists for the welfare of our Peoples was to create space and protection for Native peoples who were trying to reconnect to our ancient cultures and spiritual life. This was dangerous and deadly. It meant putting our lives on the line because people who participated in these ceremonies, and people who stood up for our elders and our traditional way of life, were brutally beaten, killed or disappeared. Paramilitary groups and death squads ruled some reservations and each day was a battle. If an uninvited, unknown or unrecognized vehicle pulled up to your house, the first reaction was that you were being visited by someone who meant to do you harm in some way. This was learned behavior on the reservations. This was excruciatingly true in the 1970’s.
Hey, I don’t want to be all doom and gloom here. I see over the decades that in some important ways, life has improved for our Peoples. President Obama’s extraordinary efforts to forge a strong relationship with our Tribal Nations is good cause for a new sense of optimism that our sovereignty is more secure. By exercising our sovereignty, life for our people might improve. We might begin to heal and start the long journey to move past the trauma of the last 500 years. But what will we do if the next Administration rolls back those gains made over the past 8 years?
I often receive questions in letters from supporters about my health. Yes, this last year has been particularly stressful for me and my family. My health issues still have not been thoroughly addressed, and I still have not gotten the results of the MRI done over a month ago for the abdominal aortic aneurysm.
As the last remaining months of President Obama’s term pass by, my anxiety increases. I believe that this President is my last hope for freedom, and I will surely die here if I am not released by January 20, 2017. So I ask you all again, as this is the most crucial time in the campaign to gain my freedom, please continue to organize public support for my release, and always follow the lead of the International Leonard Peltier Defense Committee.
Thank you for all you have done and continue to do on my behalf.
Grundlegender Wandel zu demokratischem und sozialem Europa nötig
24.06.2016
Die britische Entscheidung für den EU-Austritt sollte ein Weckruf für die führenden Politikerinnen und Politiker Europas sein. Wir haben genug davon, von nicht gewählten Institutionen regiert zu werden, die im Interesse von Konzernen statt der Allgemeinheit handeln. Wir sind es leid, dass das Leben der Menschen in Europa vom Willen der Finanzmärkte diktiert wird.
Das Versäumnis der EU-Institutionen, den demokratischen Forderungen der Menschen in Europa nachzukommen, hat eine in der Geschichte der EU beispiellose Krise ausgelöst. Wenn sich die EU nicht grundlegend und schnell ändert, wird sie zerfallen.
Wir respektieren den Ärger der britischen Bevölkerung und ihre Entscheidung. Wir sind jedoch sehr besorgt, weil die Kampagne für den Austritt von Angstmache, Rassismus und Gewalt durchzogen war. Dies spiegelt den Aufstieg der extremen Rechten in Europa und die zunehmende Gewalt gegen Flüchtlinge und Migrantinnen und Migranten an den Grenzen wider. Wir befürchten, dass die extreme Rechte jetzt durch den Brexit weiteren Auftrieb erhält.
Daher ist es dringend notwendig, dass wir, die wir andere Vorstellungen von Internationalismus, Demokratie und Gleichheit haben, jetzt handeln. Wir teilen die Wut der Menschen in Europa. Die Verwüstungen der Austeritätspolitik, die Erosion der Demokratie und die Zerstörung des öffentlichen Dienstes haben unseren Kontinent in eine Spielwiese für ein Prozent der Bevölkerung verwandelt. Dies ist nicht die Schuld von Migrantinnen und Migranten, sondern der europäischen Eliten.
Wir werden weiterhin gemeinsam mit demokratischen und offenen Basisbewegungen in ganz Europa dafür kämpfen, die Kontrolle über unsere Wirtschaften, unsere Gesellschaften und unser Leben zurückzuerobern. Wir verlangen von der EU, ihr System zur Repräsentation der Bevölkerungen radikal zu demokratisieren und so zu gestalten, dass es der Schaffung eines von mehr Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit geprägten Kontinents dienen kann. Wir fordern darüber hinaus, die Verhandlungen über TTIP und andere undemokratische Handelsabkommen zu beenden, die Kontrolle über das Finanzsystem zu übernehmen und die Macht der Konzerne zurückzudrängen, Migrantinnen und Migranten mit Respekt und Würde zu behandeln, die Schaffung eines demokratisch kontrollierten öffentlichen Dienstes zu unterstützen, auf das Erreichen einer Nullemissionen-Wirtschaft innerhalb eines Jahrzehnts hinzuarbeiten und die Austeritätspolitik zu beenden. Nur Maßnahmen dieser Größenordnung, nur ein grundlegender Wandel, können die EU retten.
Wir unterstützen alle in Großbritannien, die für ein besseres Land kämpfen, in ihrem Kampf gegen Rassismus und die extreme Rechte. Ein besseres Großbritannien kann Inspiration für die Schaffung eines besseren Europas sein.
Ein anderes Europa ist möglich. Wenn die EU nicht Teil dieses besseren Europas sein kann, wird sie hinweggefegt werden.
Die Repression gegen unsere mexikanischen Berufs- und GewerkschaftskollegInnen der 'Coordinadora Nacional de Trabajadores de la Educación' (CNTE), der Nationalen Koordination der BildungsarbeiterInnen, hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Am 19. Juni 2016 sind in der Ortschaft Nochixtlán im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca mindestens zwölf Kollegen von Polizeieinheiten erschossen und weitere 30 DemonstrantInnen zum Teil schwer verletzt worden.
Die Bildungssektion der FAU Berlin solidarisiert sich mit den widerständigen Lehrerinnen und Lehrern und hat bei der mexikanischen Botschaft sowie bei den mexikanischen Konsulaten in Deutschland Beschwerde (siehe unten) eingereicht. Desweiteren wurden die Gewerkschaften ver.di und GEW aufgerufen, ebenfalls aktiv zu werden.
Beschwerde über mörderische Polizeirepression gegen mexikanische Lehrerbewegung
Sehr geehrte Botschafterin Frau Patricia Espinosa Cantellano,
mit größtem Entsetzen musste die Bildungssektion der Freien Arbeiterinnen und Arbeiter Union (FAU) Berlin zur Kenntnis nehmen, dass die Repression gegen unsere mexikanischen Berufs- und Gewerkschaftskollegen der CNTE, der Nationalen Koordination der Bildungsarbeiter, einen neuen Höhepunkt erreicht hat. Am 19. Juni 2016 wurden in der Ortschaft Nochixtlán im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca mindestens zwölf Kollegen von Polizeieinheiten erschossen und weitere 30 Demonstranten zum Teil schwer verletzt.
Unsere Kollegen der CNTE hielten aus Protest gegen die desaströse Bildungsreform von Präsident Enrique Peña Nieto seit einer Woche einen Abschnitt einer Bundesstrasse besetzt. Zu keiner Zeit ist von dieser Blockade eine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit ausgegangen. Viel mehr gehört diese legitime Aktionsform zu den alltäglichen Mitteln der mexikanischen Arbeiter, Bauern und Indigenen und rechtfertigt in keiner Weise einen derartigen Polizeieinsatz. Die Bildungssektion der FAU Berlin kann in dieser blutigen Aktion der Staatsgewalt bloß eine Absicht erkennen, nämlich jene, die Bewegung der Lehrerinnen und Lehrer mit Gewalt zu terrorisieren.
Dass sich im Nachgang dieser brutalen Unterdrückung unserer Kollegen das Ministerium für Öffentliche Sicherheit wie auch die Nationale Sicherheitskommission mit glatten Lügen behelfen mussten, ist ein Hohn für die Angehörigen der getöteten Lehrer, Bauern und Studenten. Wie Ihnen bekannt sein wird, vermeldeten genannte Stellen, die Beamten der Bundes- und Staatspolizei hätten während der Räumung der Blockade „nicht einmal Schlagstöcke“ getragen. Enrique Galindo, der Chef der Bundespolizei, behauptete zudem, während der Polizeiaktion seien nicht Schüsse, sondern bloß detonierende Feuerwerkskörper hörbar gewesen. Und selbst Innenminister Osorio Chong stimmte in diesen Chor ein und ließ die Medien wissen, dass die Beamten „keine Waffen getragen“ hätten.
Doch dann publizierte mitunter die renommierte Nachrichtenagentur „Associated Press“ Video- und Fotomaterial, in dem eindeutig erkennbar ist, wie Uniformierte der Polizei ohne die geringste Not die Demonstranten mit Hand- und Schnellfeuerwaffen unter Beschuss nehmen. Sofort reagierte die Bundespolizei und behauptete nun, dass die Schüsse „von Personen außerhalb der Blockade“ abgegeben worden seien.
Die Bildungssektion der FAU Berlin ist empört über diese Lügen und die leicht durchschaubare Strategie der Einschüchterung einer sozialen Bewegung. Als Gewerkschaft wird die FAU Berlin Maßnahmen treffen, die den Kampf unserer Kollegen der CNTE unterstützen. So werden die organisierten Lehrkräfte diesen staatlichen Terror sowie die deutschen Waffenexporte nach Mexiko vermehrt an deutschen Universitäten, Schulen und anderen Bildungseinrichtungen zur Sprache bringen. Zudem hat die FAU Berlin auch die Lehrkräfte der Gewerkschaften ver.di und GEW dazu aufgerufen, sich mit den mexikanischen Kollegen zu solidarisieren und in diesem Sinne in Aktion zu treten. Die Gewalt gegen unsere Kollegen gehört sofort beendet und die politischen Gefangenen gehören bedingungslos freigelassen.
Mit freundlichen Grüßen
Bildungssektion der Freien Arbeiterinnen und Arbeiter Union (FAU) Berlin
Gegenstand: Keine Kriegsunterstützung von Rheinland-Pfalz
Wir, die Landesdelegiertenversammlung der Partei BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN, fordern hiermit,
angesichts des durch Kriege, Bürgerkriege und kriegsähnliche Zustände verursachten Leids, das Menschen zwingt ihre Heimat zu verlassen und in Europa Schutz zu suchen in Anknüpfung an die pazifistische Tradition der GRÜNEN dass von rheinland-pfälzischen Boden aus keine direkte oder indirekte Seite 1 / 3
Unterstützung von Kriegen, kriegsähnlichen Handlungen und militärischen Provokationen ausgehen soll. Bei nachgewiesenen, dauerhaften Durchführungen völkerrechtswidriger oder gegen deutsches Recht verstoßende Aktionen (wie die Steuerung/Koordinierung von Tötungseinsätze durch Drohnen, Zulassen der „Nuklearen Teilhabe“ oder – in der Vergangenheit – Bombardierung durch in RLP stationierte Jets im illegalen Irakkrieg etc.) von in Rheinland-Pfalz stationierten Truppen deren Stationierungsverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt beendet werden.
Die grüne Fraktion, Partei und die grünen Mitglieder der Landesregierung werden aufgefordert, sich auf allen politischen Ebenen für diese Ziele einzusetzen.
Begründung Die Hauptursache, dass Menschen ihre Heimat verlassen und in Europa Schutz suchen müssen, sind Kriege und kriegsähnliche Zustände. Immer öfter wird zu Recht in der aktuellen Diskussion die Forderung nach „Bekämpfung der Fluchtursachen in den Ausgangsländer“ laut. Ohne Details diskutieren zu wollen wird deutlich, dass häufig auch NATO- und US-amerikanische Truppen an den Ursachen beteiligt sind.
Die Absätze 2 und 43 ff des Grundkonsenses des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bundesverbandes verpflichten Grüne Politik zu einer Politik für Frieden, Abrüstung und Entmilitarisierung.
Die Rechtsgrundlage der Stationierung ausländischer Truppen in Deutschland beruht auf dem Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland / Aufenthaltsvertrag vom 23.10.1954. Der Aufenthaltsvertrag sieht ein Außerkrafttreten des Vertrages bei einer „friedensvertraglichen Regelung“ vor. Da die Bundesrepublik Deutschland zwar keinen formellen Friedensvertrag, aber u.a. mit dem 2-plus-4-Vertrag de Facto endgültige friedensvertragliche Regelungen mit allen beteiligten Staaten gefunden hat, ist ein Außerkrafttreten des Aufenthaltsvertrages überfällig.
Artikel 3 Abs. 1 Aufenthaltsvertrag vom 23.10.1954, BGBl. vom 24.3.1955: „Dieser Vertrag tritt außer Kraft mit dem Abschluss einer friedensvertraglichen Regelung mit Deutschland oder wenn die Unterzeichnerstaaten zu einem früheren Zeitpunkt übereinkommen, dass die Entwicklung der internationalen Lage neue Abmachungen rechtfertigt.“ Insbesondere die USA unterhalten global mehr als 700 Militärbasen. Davon sind zwei mit hoher strategischer Bedeutung und damit massiver Mitverantwortung für Kriege und kriegsähnliche Einsätze in Europa, Afrika und Asien angesiedelt: Ramstein und Spangdahlem. In Büchel werden zudem völkerrechtswidrig US-Atombomben auf einem deutschen Militärflugplatz unter der sog. deutschen „nuklearen Teilhabe“ gelagert und sollen aktuell modernisiert werden. Seite 2 / 3
Aus diesen Fakten wird deutlich, dass sich für die GRÜNEN eine Forderung nach dem Abzug von militärischen Organisationen, die an Kriegen, Bürgerkriegen, kriegsähnlichen Handlungen, aber auch an militärischen Provokationen anderer Länder direkt oder indirekt beteiligt sind, fast zwingend ergibt.
Insbesondere angesichts des unermesslichen menschlichen Leids und Elends, die in den letzten Jahren massiv zugenommen haben und ihre Ursache in militärischen Konflikten haben und die auch von rheinland-pfälzischen Boden aus gesteuert werden, sowie angesichts der Tatsache dass militärische Infrastruktur zur Steuerung und Unterstützung dieser militärischen Konflikte in Rheinland-Pfalz wieder auf- statt abgebaut wird, ist es dringend geboten, mit einem eindeutigen Beschluss den Menschen zu sagen, dass wir uns gegen diese militärischen Konfrontationen und Provokationen aussprechen und dafür eintreten, politische Konflikte friedlich, ohne Waffen und nicht auf dem Rücken und auf Kosten der Bevölkerung zu lösen. Ein erster Schritt, den die rheinland-pfälzischen GRÜNEN leisten können, sollte sein, sich dafür einzusetzen dass Rheinland-Pfalz nicht mehr die Basis sein kann, von der militärische Einsätze aus gesteuert und unterstützt werden. Seite 3 / 3
VerfasserIn: Karl-Wilhelm Koch (KV Vulkaneifel), Peter Kallusek (KV Südliche Weinstraße), Elisabeth Bröskamp?(KV Neuwied), Wolfgang Treis (KV Mayen-Koblenz), Michael Henke (KV Bad Kreuznach), Rupertina Engel (KV Mayen-Koblenz), Uwe Striegl?(KV Altenkirchen), Uwe Bröskamp?(KV Neuwied), Andreas Pilarski (KV Bad Kreuznach), Uller Koenig (KV Vulkaneifel), Dr. Natalie Wendisch (KV Ahrweiler), Leo Zimmer (KV Mayen-Koblenz), Holger Wolf (KV Neuwied), Wolfgang Moritz?(KV Bernkastel-Wittlich), Ursula Groteclaes (KV Neuwied), Elke Wittmann-Hauck (KV Germersheim), 17. Werner Schreiner (KV Südliche Weinstraße), Carl-Bernhard von Heusinger (KV Koblenz), Carsten Jansing (KV Rhein- Lahn), Ute Wellstein (KV Mainz);
Ein Kommentar von Otto Bruckner, Vorsitzender der PdA Österreichs
Was heute, am Tag, an dem sich die Mehrheit der britischen Wählerinnen und Wähler für ein Verlassen der Europäischen Union entschieden haben, deutlich wird, ist vor allem die Perspektivlosigkeit sogenannter „Linker”, die es sich in den subventionierten Wärmestuben der EU gemütlich gemacht haben. Nichts wird heute deutlicher, als die klare Erkenntnis, dass „links” längst keine politische Kategorie mehr ist, sollte sie es je gewesen sein. Dieselben Leute, die den griechischen Privatisierungs- und Sozialabbaupremierminister Tsipras für einen „linken Reformer” halten, jammern heute über den Sieg der ach so bösen britischen Nationalisten. Dabei waren es auch genug Linke, wie die britischen Kommunisen oder die kommunistischen Medien, allen voran die Zeitung „morning star”, die sich für ein „leave” ausgesprochen hatten. Diese auflagenstärkste fortschrittliche Zeitung zitierte vor kurzem den verstorbenen Labour-Vorsitzenden Tony Benn: „Die EU hat die einzige Verfassung in der Welt, die den Kapitalismus festschreibt… Sie zerstört überall in Europa jede Aussicht auf Sozialismus und macht den Kapitalismus zur Grundlage ihrer Struktur.” Die Vorstellung, die EU wäre ein endgültiges und unzerteilbares Projekt, ist geradezu naiv. Sie ist ein vorübergehender supranationaler Rahmen zur Durchsetzung imperialistischer – vor allem deutscher – Interessen, und sie koppelt sich immer stärker an das US-geführte Militärbündnis NATO, das gerade offene Aufrüstungs- und Kriegspolitik betreibt, vor allem gegenüber Russland, aber nicht nur. Einigermaßen historisch Gebildete sollten wissen, dass sich dieser supranationale Rahmen in der heutigen Form rasch überholen kann. Die Geschichte Großbritanniens wird weiterhin von Klassenkämpfen geschrieben, ebenso, wie die Geschichte jedes anderen kapitalistischen Landes. Wie stark sich welche Interessen durchsetzen können, wird darüber entscheiden, ob der souveräne Weg der Briten ein eher progressiver, oder ein eher reaktionärer sein wird. Die Entscheidung, nicht länger Teil der EU sein zu wollen, sagt darüber zunächst gar nichts aus. Die Warnungen vor dem wirtschaftlichen Untergang der Briten darf man ruhig der Hitze zuschreiben, denn der wird nicht stattfinden, zumindest nicht aus dem Grund, dass sie aus der EU ausgetreten sind. Denn natürlich werden zwischen EU und GB Mittel und Wege gefunden werden, die Schleusen des Kapital- und Warenverkehrs, der wichtigsten Lebensadern der kapitalistischen Wirtschaft, in beide Richtungen offen zu halten. Auch hier sehe ich die Vorstellung mancher „Linker”, dass der Nationalstaat per se etwas Reaktionäres wäre, nicht von Analysen, sondern von Behauptungen geleitet. Es darf daran erinnert werden, dass sich etwa der österreichische Nationalstaat erst in Abgrenzung zum deutschen entwickelt hat, und der Kommunist Alfred Klahr in den 1930er-Jahren die Existenz einer eigenständigen österreichischen Nation (die im übrigen schon immer mehr war, als das deutschsprachige Österreich) nachgewiesen hat. Noch in den 1980er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde die österreichische Nation deshalb vom damaligen FPÖ-Chef Haider als „ideologische Missgeburt” bezeichnet. Dass die Rechten in Österreich heute mit rot-weiß-roten Fahnen herumlaufen ist nur deren Opportunismus geschuldet, denn in Wahrheit ist ihre Vorstellung von Österreich schwarz-rot-Gold gefärbt. Die immer engere Verschmelzung der EU-Außenpolitik mit der NATO-Kriegspolitik, die immer stärkere Einengung jeglicher nationaler Spielräume, die immer stärkere Fixierung der EU-Politik auf die verheerende neoliberale Wirtschaftspolitik und die deutsche Hartwährungspolitik sollten bei uns im – formal noch neutralen Österreich – eher morgen als übermorgen ebenfalls eine Debatte über Verbleib oder Austritt aus der EU in Gang setzen. Nichts kann schlechter werden, als es in der EU ist! „Linke”, die in einer neoliberalen supranationalen Diktatur unter deutscher Führung den einzigen Weg für die Zukunft sehen, sind zu bedauern. Die Lektüre des Kommunistischen Manifests sei ihnen wärmstens empfohlen, denn nicht in der imperialistischen Staatengemeinschaft liegt unsere Zukunft, sondern in der Überwindung der Klassengesellschaft und mit ihr der Gegensätze unter und zwischen den Nationen:
„Den Kommunisten ist ferner vorgeworfen worden, sie wollten das Vaterland, die Nationalität abschaffen. Die Arbeiter haben kein Vaterland. Man kann ihnen nicht nehmen, was sie nicht haben. Indem das Proletariat zunächst sich die politische Herrschaft erobern, sich zur nationalen Klasse erheben, sich selbst als Nation konstituieren muß, ist es selbst noch national, wenn auch keineswegs im Sinne der Bourgeoisie. Die nationalen Absonderungen und Gegensätze der Völker verschwinden mehr und mehr schon mit der Entwicklung der Bourgeoisie, mit der Handelsfreiheit, dem Weltmarkt, der Gleichförmigkeit der industriellen Produktion und der ihr entsprechenden Lebensverhältnisse. Die Herrschaft des Proletariats wird sie noch mehr verschwinden machen. Vereinigte Aktion, wenigstens der zivilisierten Länder, ist eine der ersten Bedingungen seiner Befreiung.” In dem Maße, wie die Exploitation des einen Individuums durch das andere aufgehoben wird, wird die Exploitation einer Nation durch die andere aufgehoben. Mit dem Gegensatz der Klassen im Innern der Nation fällt die feindliche Stellung der Nationen gegeneinander.”
Le 30 juin 2016, cela fera 805 jours que Rédouane Ikil, père de famille et ancien directeur de la poste de Bellefontaine est en détention provisoire. Il clame son innocence dans une affaire qui a tout d’une parodie judiciaire à caractère raciste : il est accusé de complicité dans le braquage de deux bureaux de poste à Toulouse, dont celui qu’il avait dirigé. Or 4 années après les faits, le dossier d’instruction est toujours vide ! L’acharnement d’un juge d’instruction le maintient en détention à Montpellier, à des centaines de kilomètres de sa famille, jusqu’à son procès, qui devrait se tenir en 2017. Malgré ce dossier d’instruction vide de toute charge réelle, on lui refuse la présomption d’innocence. Le comité de soutien Liberté et Justice pour Redouane Ikil organise le 30 juin 2016 à 21h00 une réunion publique à la salle Lavit (M° Jolimont), en présence d'invités dont Omar Slaouti.
In den vergangenen Monaten gab es im Kamf der landlosen Bauern in
Brasilien einige weitere Entwicklungen, die vor allem durch zwei Dinge
gekennzeichnet sind. Erstens setzen die Großgrundbesitzer in Kooperation
mit der Militärpolizei die Repression gegen die landlosen Bauern und
ihre Organisation Liga der armen Bauern (LCP) fort und verstärken sie.
Zweitens lassen sich die landlosen Bauern von dieser massiven Repression
und den Einschüchterungsversuchen seitens der Militärpolizei nicht
aufhalten.
Am 24. April wurden die beiden Brüder Nivaldo Batista Cordeiro und
Jesser Batista Bordeiro, als sie mit dem Motorrad unterwegs waren, ermordet.
Ihre Leichen wurden in einem Fluss treibend gefunden. Sie waren beide
Bewohner des Gebietes des 10. Mai im Bundesstaat Rondonia.
Am 24. Mai verteilten fünf Schüler und ein Lehrer Flugblätter im
Zentrum von Ji Parana. Das Flugblatt denunzierte die Verbrechen der
Großgrundbesitzer und des alten brasilianischen Staates gegen die
Bauern. Innerhalb von Minuten fuhren fünf Fahrzeuge mit mehreren
Polizisten vor, sie beschlagnahmten das Material und verhafteten die
Schüler und den Lehrer und brachten sie auf eine Polizeistation, wo sie
für sechs Stunden verhört wurden. Nachdem Anwälte der Verhafteten vor
Ort waren beendete die Polizei ihre Schikanen.
Am 1. und 2. Juni überfiel das
2. Bataillon der Militärpolizei die beiden Camps Monte Cristo und Jau
im Distrikt von Ji Parana und begann mit der Räumung. Das Gelände war
zuvor für drei Monate besetzt gehalten worden. Der Überfall auf die
Camps wurde mit etwa hundert bewaffneten Polizisten, einem Hubschrauber,
Spezialeinheiten, Umweltpolizei und der Feuerwehr durchgeführt, unter
Führung des 2. Bataillons.
Am 14. Juni um halb neun morgens näherten sich
schwer bewaffnete Militärpolizisten dem Camp Jhone Santos de Oliveira,
um die dort lebenden Bauern einzuschüchtern. Nachdem sie das Gelände
betreten hatten gaben sie zwei Schüsse ab. Die Bewohner des Camps ließen
sich aber nicht einschüchtern, stellten sich auf und sangen Lieder und
riefen Parolen.
In
den letzten rund 10.000 Jahren, nach dem Ende der letzten Eiszeit, hat
sich das Erdklima geändert, um ca. 4 bis 4,5 Grad hat sich seitdem die
Temperatur erhöht, ein allmählicher Prozess mit Aufs und Abs. Die
Perspektiven sehen jedoch eine rasantere Entwicklung voraus. Hielte der
Prozess der letzten Jahre an, so werde die gleiche Temperaturerhöhung,
wie in den vergangenene zehntausend Jahren, sich in den nächsten 100
Jahren abspielen.
Die
Pariser Klimakonferenz vom Dezember letzten Jahres ist dabei keine
Lösung, sie hilft den Herrschenden nicht mal als Feigenblatt. Sie ist
das Eingeständnis, dass der Imperialismus immer mehr in Widerspruch zur
Existenz der Menschheit im Allgemeinen gerät.
Der
stellvertretender Direktor des Tyndall Centre for Climate Change
Research, Kevin Anderson, beispielsweise kritisierte das Abkommen
scharf: „Für die armen, nicht-weißen Menschen in der südlichen Hemisphäre ist der momentane Text irgendwo zwischen gefährlich und tödlich“. Es sei in Bezug auf die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 sogar ein Rückschritt.
Der deutsche Imperialismus versucht in dieser Situation klar zu kommen. Dabei versucht er auch die durchaus berechtigten Sorgen vieler Menschen vor dem kommenden 'Armageddon' auszunutzen: „Klimawandel
– Gute Aussichten für Morgen!?!“ - unter diesem Slogan wird von einem
Teil des imperialistischen Finanzkapitals Werbung gemacht. Der Staat
seinerseits pumpt Milliarden Euro in das, was er Energieeffizienz oder
Ernergiewandel nennt. Auch von Gewerkschaftsseite wird mittlerweile
erklärt, dass ein Ausstieg aus der Verstromung von Kohle denkbar sei.
Momentan
sieht es jedoch anders aus, wie die Auseinandersetzungen etwa um den
Hambacher Forst deutlich zeigen und eine Verlagerung emissionsreicher
Produktion in andere Länder, damit der deutsche Imperialismus eine
'weiße Weste' vorweisen kann ist keine Lösung des Problems.
„Armut drängt zur Änderung, zur Tat, zur Revolution“,
so sagte der Vorsitzende Mao. Entsprechend wird auch ein immer größerer
Teil der Menschheit zur Tat schreiten, um gegen den Imperialismus und
für den Erhalt ihrer physischen Existenz, die durch ihn immer mehr in
Frage gestellt wird, zu kämpfen. Dass es wirklich drängt zeigt sich auch
darin, dass mit dem diesjährigen März elf Monate hintereinander die
wärmsten Monate in der Geschichte der Temperaturmessung waren.
Die
Menschheit hat immer mit der Natur um ihre Existenz gekämpft und werden
die Geschicke der Menschheit den blutigen Händen der Imperialisten
entrissen und in die Hände der Völker der Welt gelegt, dann kann man
frohen Mutes sein, dass auch die Herausforderung gemeistert wird.
Dies ist eine der Schlussfolgerungen, die in den Dokumenten des
dritten Parteitages beschrieben werden: Die halbfeudalen
Produktionsweisen und -verhältnisse sind nicht mehr vorherrschend [in
der Türkei]; stattdessen sind die kapitalistische Produktionsweise und
deren Produktionsverhältnisse die vorherrschenden geworden. Dies ist wie
das Argument in den Dokumenten dargebracht wird: „…die Auflösung der
herrschenden halbfeudalen Produktionsverhältnisse und Produktionsweise
im Land haben sich vertieft, die halbfeudalen Produktionsverhältnisse
und Produktionsweise haben aufgehört die vorherrschende Art zu sein.(…)
Die kapitalistischen Produktionsverhältnisse und dementsprechend die
kapitalistische Produktionsweise sind die vorherrschenden
Produktionsverhältnisse und Produktionsweisen geworden, den Charakter
des Systems bestimmend.“ (S. 91) Ohne Zweifel würde dieses Thema
angemessene Klarheit bekommen durch die Überprüfung durch die
marxistische Politische Ökonomie. Außerdem würde es einer kontextuellen
Interpretation der statistischen Daten der vergangenen historischen
Erfahrungen bedürfen. Es gibt einige fundamentale Punkte die beachtet
werden müssen wenn Schlüsse über eine so entscheidende Sache für unsere
Revolution, wie die sozioökonomische Struktur [in der Türkei], gezogen
werden. Ansonsten wäre das Gelangen zu falschen Schlüssen unausweichlich
und würde trockene, einseitige und unrichtige Interpretation der
statistischen Daten bedeuten, deren Integrität gefährdet ist. Was sind diese Punkte? Zu
aller erst basiert die moderne Politische Ökonomie und im übrigen auch
die marxistische Politische Ökonomie ihre ökonomischen Theorien auf dem
Produktionsprozess und nicht an den Zirkulations- und
Konsumoptionsprozessen. Zweitens, kann ein beliebiges
Untersuchungsthema nur unter gründlicher Rücksichtnahme seines
historischen Kontextes akkurat beurteilt werden. Folglich würde jeder
Beurteilende sich niemals vor den zwei Stadien der Liquidation des
Feudalismus in der Geschichte verschließen und somit den Weg bereiten,
um zumindest von den Ergebnissen der Situation zu lernen oder diese
„produktiv“, im Sinne von „theoretisch“, aufzunehmen. Und wenn die
„interne Umwandlung“ die „Lösung von Oben“ ist, wie kann es sein das sie
zur Dominanz des „komprador“ Kapitalismus führt und nicht zur Dominanz
des nationalen Kapitalismus. Schließlich haben alle Beispiele von
„interner Umgestaltung“ in der Geschichte zu „nationalem“ Kapitalismus
geführt. Drittens, ist es wichtig, als historische Erfahrung zu
erinnern, welche Charakteristiken die russische Wirtschaft in der
Periode zwischen 1900 und 1907 definierten. In dieser Periode hatten sie
trotz ihrer korrekten Diagnose der „Richtung“ der kapitalistischen
Entwicklung in Russland, wie Lenin zugibt, darin versagt den richtigen
„Zeitpunkt zu treffen und so wurden folglich Fehler in den ersten Jahren
der 1900er gemacht.“ Und er fügt hinzu: „Die Berichtigung des Fehlers
bestand darin, daß wir statt der Teilaufgabe des Kampfes gegen die
Überreste des alten im Agrarsystem die Aufgabe des Kampfes gegen das
ganze alte Agrarsystem stellen mussten.“ [Lenin, „Das Agrarprogramm der Sozialdemokratie in der ersten russischen Revolution von 1905 bis 1907“] Zudem
gibt Lenin zu, dass sie das Entwicklungsniveau des Kapitalismus in
Russland übertrieben dargestellt haben. In diesem Zusammenhang lohnt es
sich absolut zu fragen warum es eine Übertreibung gab. Viertens, im
kapitalistischen Russland im Oktober 1917, und weder während der
Revolution 1905/1906, noch während des Februars 1917, sondern in der
Zeit der sozialistischen proletarischen Revolution ist es, das Lenin,
sein eigenes Landwirtschaftsprogramm beiseite legend, das Programm der
Sozial-Revolutionäre annahm, ohne dieses im geringsten zu verändern. Und
sie hatten damit sogar Erfolg. Dies ist auch eine historische Erfahrung
aus der wir wertvolle Lektionen lernen können. Wie kam es dazu, dass
dieses Programm ausgewählt wurde umgesetzt zu werden? Fünftens, was
war der Umstand der den Übergang von der demokratischen Revolution zur
sozialistischen Revolution in Russland ermöglicht hat? Auch die Antwort
auf diese Frage ist wichtig und bedeutend. Unter Anbetracht all
dessen, kann gesagt werden, dass der dritte Parteitag der MKP dieses
Thema nicht mit der Feinheit einer Apotheker-Waage gemessen hat, sondern
an diese extrem wichtige Sache oberflächlich herangegangen ist und sie
in bürgerlichen Statistiken ertränkt hat, anstatt irgendwelche Klarheit
in diese Fragen zu bringen. Darum gleitet der Parteitag in eine Linie
ab, die weder vollständig mit dem Alten bricht, noch an dem Neuen
festhält. Er versagt darin, zu einer wissenschaftlichen sozialistischen
Resolution in dieser Frage zu kommen. Anstelle dessen sucht er nach
Auswegen indem er, im Namen eines „Beitrags“ zum MLM zu leisten, sich in
krude Thesen wie die „Sozialistische Volkskriegs Strategie“ flüchtet
und in einer beschämenden Position endet. Hier ist das Problem der
zwei-Stadien-Form des Feudalismus der Schlüssel in der Analyse der
ökonomischen Struktur. Es ist eine Sache der Marx im Kapital und Lenin
in einer Serie von Artikeln Aufmerksamkeit widmen. Was ist die
zwei-Stadien-Form des Feudalismus und wie wurde dieses Frage in der
Geschichte des Marxismus betrachtet? Es ist überraschend, dass diese
extrem wichtigen Frage nicht das größte Interesse der MKP hervorgerufen
hat, denn sie ist fundamental in der Analyse der sozioökonomischen
Struktur des Landes. Es scheint als hätte die MKP versucht sich still
und heimlich vor dieser Diskussion zu drücken, als sie keine
angemessenen Beweise fanden, die ihre These in dieser Frage
untermauerten. Lasst uns von vorne beginnen: Es gibt zwei Wege
feudale Eigentumsverhältnisse zu vernichten: die preußische Form und die
Bauern-Form. Deutschland und Russland sind die besten Beispiele für die
erste Form, wobei die Vereinigten Staaten, England und Frankreich die
besten Beispiele für die zweite Form sind. Diese zwei Formen wurden von
Lenin als „preußischer Weg“ und als „amerikanischer Weg“ bezeichnet. Der
preußische Weg ist charakterisiert als „Lösung von oben“ oder der „Weg
der Reform“. Die zweite Form, der amerikanische Weg, ist charakterisiert
als „Lösung von unten“ oder als „revolutionärer Weg“. In einer Serie
von Artikeln zu unterschiedlichen Zeitpunkten, benutzte Lenin mal den
einen mal den anderen dieser Begriffe, aber die am häufigsten benutzten
Begriffe sind der preußische Weg und der amerikanische oder
revolutionäre Weg. Die Form des preußischen Stils: In dieser Form
werden die mittelalterlichen Eigentumsverhältnisse oder die
vorkapitalistischen Formen der Ausbeutung oder der Feudalismus nicht
über Nacht in einem Schlag vernichtet. Stattdessen werden die feudalen
Produktionsweise und -verhältnisse in kleinen, langsamen und
schmerzhaften Schritten der bürgerlichen Entwicklung in Übereinstimmung
mit dem Kapitalismus gebracht. In dieser Form ist die „innere
Umwandlung“ der Ökonomie des Grundbesitzertums die Grundlage des
Übergangs vom Frondienst zum Kapitalismus. Kurz gesagt ist das, was in
dieser Entwicklungsform essenziell ist, die innere Umwandlung. Die
Form des Bauern-Stils: In dieser Form werden die mittelalterlichen
Eigentumsverhältnisse oder die vorkapitalistischen Ausbeutungsformen
oder der Feudalismus auf einmal mittels einer Revolution liquidiert,
zerstört und vernichtet. In dieser Form ist die Grundlage für den
Übergang vom vorherigen Stadium zu nächsten, vom Frondienst zum
Kapitalismus, die Enteignung des Eigentums der Grundbesitzer im Namen
der Bauern. Kurz gesagt ist in dieser Entwicklungsform die
Beschlagnahmung des Eigentums der Großgrundbesitzer das hauptsächliche
Muster. Offensichtlich ist Preußen der Namensgeber des preußischen
Wegs. Zu dieser Zeit war Deutschland zusammengesetzt aus Kleinstaaten,
gespalten in Herzogtümer, Fürstentümer und Königreiche. Die Frage der
Überwindung dieser Situation war die Hauptfrage für Deutschland zu
dieser Zeit. Es war sozusagen der grundsätzliche Widerspruch
Deutschlands in den 1860ern und 1870ern. Denn diese Zerstückelung was
das größte Hindernis für die kapitalistische Entwicklung in Deutschland.
Es war auch das fundamentale Problem für die nationale Einheit oder
Nationalstaatlichkeit von Deutschland. Den historischen Umständen
entsprechend, gab es drei mögliche Wege zur Vereinigung Deutschlands:
Entweder die zerstückelten deutschen Staaten würden – als „Revolution
von oben“, wie Engels es beschrieb – vereint werden in einem deutschen
Kaiserreich, durch die preußische Junkerregierung, welche über die
größte militärische Macht unter ihnen verfügte und von Bismarck geführt
wurde; oder die Umsetzung der Vereinigung würde unter der Führung
Österreichs durchgeführt werden; oder mittels einer „Revolution von
unten“, welche eine vereinigte, demokratische deutsche Republik, mittels
einer bürgerlich-demokratischen Revolution bedeutete. Die Periode von
1866-71 war nicht optimal für eine bürgerlich-demokratische Revolution.
Dementsprechend bedeutete das, dass der Pfad des dritten Weges, einer
Revolution von unten, nicht offen stand. Folglich blieben zwei Optionen
für die Vereinigung übrig: Entweder unter der Führung von Preußen oder
der von Österreich. Das Resultat des Krieges zwischen Preußen und
Österreich 1866 würde entscheiden, durch wen die Vereinigung umgesetzt
werden wird. Österreich war schwach im Vergleich zum großen und
mächtigen Preußen, welches den Krieg gewann. Daher führte Preußen die
Vereinigung von Deutschland durch, jedoch trat Österreich der
Vereinigung nicht bei und blieb ein unabhängiges Land. Das vereinigte
Norddeutschland bedeutete eine noch stärkere preußische Monarchie. 1871
erklärte Deutschland Frankreich den Krieg und ging als siegreiche Partei
daraus hervor. Nach diesem Sieg wurde durch die preußischen Junker das
deutsche Kaiserreich gegründet. Mit der Vereinigung und Zentralisation
Deutschlands war der Weg für die Entwicklung des Kapitalismus in
Deutschland bereitet. Die von Bismarck geführte „Revolution von oben“
wurde von den preußischen Grundbesitzern durchgeführt. Daher war das
Haupthindernis für die kapitalistische Entwicklung der Landwirtschaft in
Preußen überwunden und die Grundbesitzer sind, durch einen viele
Jahrzehnte überspannenden Prozess, Kapitalisten geworden. Das war der
Weg der „inneren Umwandlung“. Der Prozess wurde abgeschlossen, als die
alte feudale Wirtschaft (das Eigentum der preußischen Großgrundbesitzer)
zur Wirtschaft des kapitalistischen Junkerregimes wurde. Dieser Weg der
Etablierung des Kapitalismus, basierend auf der Landwirtschaft der
alten Wirtschaft, wurde die preußische Form der bürgerlichen Entwicklung
genannt. Beide Gründer des Marxismus und Lenin hatten die
Notwendigkeit aufgezeigt, den preußischen Weg der „Revolution von oben“
fortzuführen und mit einer „Revolution von unten“ zu vervollständigen.
Es muss erinnert werden, dass, obwohl die Lösung einer Revolution von
unten ein Schritt vorwärts für die Entwicklung des Kapitalismus in
Preußen war, die preußischen Eigentumsverhältnisse der alten Wirtschaft
(Feudalismus) nicht auseinander genommen und vernichtet wurden. Sie
wurden größtenteils beibehalten und, noch wichtiger, zur Grundlage der
hauptsächlich kapitalistischen Junkerwirtschaft. Trotz der „Revolution
von oben“ behielt der Kapitalismus viele der feudalen Merkmale und blieb
für eine lange Zeit als halbfeudale Ausbeutungsform. Nahezu genau wie
in Russland wurde auch hier, z.B. die „Leibeigenschaft“ durch eine Reihe
von Erlassen von oben abgeschafft, die Abhängigkeit der Bauern von den
Großgrundbesitzern blieb jedoch bestehen. Die Abschaffung der
Leibeigenschaft in Preußen ist auf 1807 datiert. Nichts desto trotz,
blieb die Abhängigkeit von den Grundbesitzern, durch eine Reihe von
Verpflichtungen die den Bauern aufgehalst wurden, bestehen. Selbst
nachdem fünfzehn Jahre später diese Verpflichtungen offiziell aufgehoben
wurden, wurde eine große Anzahl von Bauern, durch die schwierigen
Bedingung in denen die Bauern sich wiederfanden, landlos, als ihr Land
von Großgrundbesitzern erworben wurde, ein Prozess sehr ähnlich zu dem
in Russland. Dies führte zur weiteren Expansion der jetzt
kapitalistischen Großfarmen der Junker, welche immer noch zahlreiche
vorkapitalistische Ausbeutungsformen aufrecht erhielten. In Lenins Worten: „In
Deutschland verlief die Umbildung der mittelalterlichen
Grundbesitzformen sozusagen reformerisch, wobei sie sich der Routine,
der Tradition, den feudalen Gütern anpaßte, die sich langsam zu
junkerlichen Wirtschaften entwickelten; sie paßte sich auch der
traditionellen Parzellen der bärenhäuterischen Bauern an, die den
schweren Übergang von der Fron zum Knecht und zum Großbauern
durchmachen.“ [Lenin, „Das Agrarprogramm der Sozialdemokratie in der ersten russischen Revolution von 1905 bis 1907“] Es
ist nicht schwer sich vorzustellen, dass in diesem Sinne sich der
amerikanische Weg auf das bezieht, was heute die Vereinigten Staaten vor
Amerika genannt wird. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts waren die
Vereinigten Staaten aufgeteilt in zwei Gruppen von Staaten, die
nördlichen und die südlichen. Sie hatten unterschiedliche
Charakteristiken der landwirtschaftlichen Entwicklung. Im Norden war die
freie Bauernwirtschaft vorherrschend und das Großgrundbesitzertum
fehlte größtenteils. Der Norden war bereits in der kapitalistischen
Entwicklungsstufe. Folglich war im Norden, wo der Feudalismus fehlte und
die freie Wirtschaft von freien Farmern die Möglichkeit für
kapitalistische Entwicklung bereitstellte, es keine Grundlage für
vorkapitalistische Formen der Ausbeutung in der Landwirtschaft gab. In
den ländlichen Gebieten der Nordstaaten entwickelte sich die
kapitalistische Landwirtschaft während sich in den städtischen Gebieten
die Industrie entwickelte, was zum Aufstieg der Industriebourgeoisie und
der kapitalistischen Farmer führte. Diese freie Wirtschaft in den
Nordstaaten war die Grundlage der kapitalistischen Entwicklung in der
Landwirtschaft. In den Südstaaten jedoch war die Situation eine komplett
andere. Hier waren sowohl Großgrundbesitz als auch Sklaverei nach wie
vor vorherrschend. Während in den Nordstaaten keine zurückhaltenden
Barrieren für die kapitalistische Entwicklung bestanden, stellte in den
Südstaaten das Sklavenhaltersystem und das Vorhandensein der
Großgrundbesitzer ein unüberwindbares Hindernis für die kapitalistische
Entwicklung dar. Nicht nur das: Die Sklavenhalterwirtschaft der
Großgrundbesitzer war ein großes Hindernis für die Entwicklung freier
Farmer auf freiem Land. Dieses Hindernis konnte nur durch das Mittel der
Gewalt nach der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, während des
Amerikanischen Bürgerkriegs 1861-1865, entfernt werden. Grundsätzlich
wurde dieser Krieg geführt, um die absolute vorherrschende Macht
zwischen der Bourgeoisie der Nordstaaten (und des Ostens) und der
grundbesitzenden Aristokratie, welche die Kontrolle über die
Plantagenwirtschaft des Südens innehielt, zu entscheiden. Der
amerikanische Bürgerkrieg endete, dank der Überlegenheit seiner
Industrie, mit dem Sieg der Nordstaaten. Die Sklaverei, das Hindernis im
Wege der Entwicklung des Kapitalismus in den Südstaaten, wurde entfernt
und das riesige Eigentum der Großgrundbesitzer wurde konfisziert und
letztendlich, zusammen mit herrenlosen Landstrichen, in kleinere Stücke
unterteilt und an Leute zu nominalen Preisen verkauft, die Entstehung
von kleinen Farmern im Süden und der weiteren Entwicklung des
Kapitalismus im Allgemeinen erleichternd. So wurde der amerikanische
Weg der Umwandlung umgesetzt, durch die Gewalt welche von den
Nordstaaten gegen das in den Südstaaten etablierte Sklavenhaltersystem
angewendet wurde. In dieser Umwandlung ist die wesentliche
Charakteristik der Fakt, dass das Großgrundbesitzertum auf einmal mit
einem Schlag vernichtet wurde und der Übergang zur Vorherrschaft der
kleinen Farmer zügig und entschieden vor sich ging. Bezüglich dieses Übergangs sagt Lenin das Folgende: „In
Amerika geschah diese Umbildung, was die Sklavenhalterwirtschaften der
Südstaaten betrifft, auf gewaltsamem Wege. Hier wurde gegen die
Fronherrlichen Gutsbesitzer Gewalt angewandt. Ihr Grund und Boden wurde
aufgeteilt, der Grundbesitz, bisher feudaler Großbesitz, wurde
bürgerlicher Kleinbesitz.“ [Lenin, „Das Agrarprogramm der Sozialdemokratie in der ersten russischen Revolution von 1905 bis 1907“] Natürlich
ist England ein weiteres Beispiel eines solchen Übergangs im
landwirtschaftlichen Sektor, des amerikanischen Wegs, wie Lenin es
nannte. Lenin stellte fest, dass in England die Übergangsperiode der
Landwirtschaft durch den revolutionären Weg, in anderen Worten durch das
Mittel der Gewalt, von statten ging und dass es umgesetzt wurde durch
die Vertreibung der Bauernschaft von ihren Dörfern und ihrem Land. Dieser
Übergangsprozess, auf den in Marx‘ Kapital ausführlich Bezug genommen
wird, ist ein extrem schmerzhafter. Wie Marx unterstrich wurde diese
Übergangsform oder die direkte Enteignung der Produzenten mit einer
„rücksichtslosen Brutalität“ durchgeführt. Ein anderes typisches
Beispiel dieses Übergangs ist Frankreich. In Frankreich wurden die
feudalen Formen der Besitzes oder vorkapitalistischer Formen der
Ausbeutung auf dem Weg der Gewalt entfernt, mit der Großen Französischen
Revolution. Im Jahre 1789 wurde mit einem großen Volksaufstand, unter
der Führung der Bourgeoisie, der Grund der feudalen Grundherren auf dem
Land durch Gewalt enteignet. So wurden die Hindernisse der
kapitalistischen Entwicklung der Landwirtschaft mit einem Schlag und
revolutionäre Mittel, die kürzesten, entschiedensten und direktesten
nutzend, entfernt. Das ist so, obwohl die regierende Macht mehrere Male
zwischen der Bourgeoisie und feudalen Grundherren gewechselt hat und
trotz der Revolutionen von 1789 und 1793, als ein gewisses Gleichgewicht
zwischen der Bourgeoisie und den Grundherren zu beobachten war und
trotz des bonapartistischen bürgerlichen Regime, das mit den
Revolutionen von 1848 und 1859 von Napoleon I. und Napoleon III.
eingeführt wurde. Kein Zweifel, dass die Periode der bürgerlichen
Herrschaft mit der Großen Französischen Revolution von 1789 begann und
die Bourgeoisie ihre absolute Dominanz erst nach drei darauffolgenden
großen Aufständen in den Jahren 1830, 1848 und 1871 etablieren konnte. Debatten
über die zwei Formen der kapitalistischen Entwicklung in der
Landwirtschaft – den preußischen Weg vs. den amerikanischen Weg – fanden
am umfangreichsten in Russland statt. Nachdem wir die historischen
Hintergründe dieser beiden Arten überblickt haben, lasst uns nun das
russische Beispiel betrachten. In Russland legte die Reform von 1861
das Fundament für den „preußischen Weg“. Der Unterzeichnung des
Programms durch Alexander II., datiert auf den 19. Februar 1861, folgend
wurde die Leibeigenschaft, die für Jahrhunderte in Russland bestanden
hatte, abgeschafft und die Bauern wurden „befreit“. Diesem Gesetz nach
wurden Großgrundbesitzer gezwungen Land an die Bauern zu verkaufen.
Jedoch waren diese Verkäufe an eine Reihe von Bedingungen und
Konditionen geknüpft. Land das an Bauern vergeben wurde konnte nur nach
der Zahlung hoher Gebühren gekauft werden und bis diese Gebühren bezahlt
waren mussten Bauern im Gegenzug eine Reihe von schweren
Verpflichtungen für die Nutzung des Landes erfüllen. Obwohl die
Leibeigenschaft an dem Tag offiziell abgeschafft wurde, wurden die
vorkapitalistischen Formen der Ausbeutung nach dem Beschluss des
Gesetztes ebenso fortgesetzt. Folglich war das keine „wirkliche“
Befreiung. In Lenins Worten: „Bleiben die Latifundien bestehen, so ist
auch das Weiterbestehen des der Schuldknechtschaft ausgelieferten
Bauern, der Halbpacht, der kleinen Jahrespacht, der Bestellung des
„herrschaftlichen“ Bodens mit bäuerlichem Inventar, d. h. die
Aufrechterhaltung der rückständigsten Kultur und jener ganzen
asiatischen Barbarei unvermeidlich, die man ländliche patriarchalische
Verhältnisse nennt.“ [Lenin, „Die Agrarfrage in Rußland am Ausgang des 19. Jahrhunderts“,] Dieser
Weg der Umwandlung als schwerfälliger, schmerzhafter und langsamer
Prozess hat die ökonomische Basis der Ausbeutungsformen der Ära der
Leibeigenschaft erhalten, während die Bauernschaft zu weiteren
Jahrzehnten schmerzhafter Besitzlosigkeit und Versklavung verdammt war.
Nicht desto trotz muss angemerkt werden, das die Reform von 1861 den Weg
für die Entwicklung des Kapitalismus geöffnet hat, auch wenn es ein
sehr langsamer und schmerzhafter Prozess der Entwicklung war und der nur
durch Gewalt, Zerstörung und Hunger fortschritt. Sie hat auch den Weg
bereitet für die optimalen Bedingungen zur Abschaffung der
vorkapitalistischen Formen der Ausbeutung auf dem einen oder anderen
Weg, über den „revolutionären“ oder den „reformistischen“ Weg. Zusätzlich,
insbesondere durch die Reform 1861, trat Russland in die neue Ära der
erheblichen Vervollständigung der ursprünglichen Akkumulation von
Kapital. Das war eine extrem wichtige Schwelle für Russland. In der Tat
ist die sogenannte ursprüngliche Akkumulation nichts anderes als eine
historischer Prozess, in welchem, wie Marx angemerkt hat, die
Produktionsmittel von den Produzierenden getrennt werden. Sie ist der
Prozess, in welchem die Voraussetzungen für die Entwicklung des
Kapitalismus geschaffen werden. Es ist die Phase, in welcher, auf der
einen Seite, die Produktionsmittel und Subsistenzwirtschaft von den
enteigneten Produzenten weggenommen und in Kapital umgewandelt werden;
während auf der anderen Seite die enteigneten Produzenten in
Lohnarbeiter umgewandelt werden. Mit der Reform von 1861 hat Russland
den Weg der kapitalistischen Entwicklung der Landwirtschaft betreten.
Die entsprechenden Debatten zu dieser Zeit standen in Verbindung mit der
Frage, wie ab diesem Punkt weiter zu gehen sei. Es gab zwei mögliche
Wege für die landwirtschaftliche Entwicklung in Russland. Der eine war
der preußische Weg, welchem durch die Reform von 1861 der Weg bereitet
wurde, und der andere war der amerikanische Weg. In anderen Worten:
Entweder der Weg der Reform oder der Revolution. Diese Situation wurde
von Lenin wie folgt formalisiert: „Auf der gegebenen ökonomischen
Grundlage der russischen Revolution sind objektiv zwei Grundlinien ihrer
Entwicklung und ihres Ausgangs möglich: Entweder bleibt die alte, durch
tausend Fäden mit der Leibeigenschaft verknüpfte gutsherrliche
Wirtschaft erhalten und wird allmählich zu einer rein kapitalistischen,
„junkerlichen“ Wirtschaft. Die Grundlage für den endgültigen Übergang
von der Abarbeit zum Kapitalismus bildet dann die innere Umbildung der
fronherrlichen Gutswirtschaft. Die ganze Agrarverfassung des Staates
wird kapitalistisch, behält aber noch lange Zeit fronherrliche Züge.
Oder aber die Revolution zerbricht die alte gutsherrliche Wirtschaft,
vernichtet alle Überreste der Leibeigenschaft und vor allem den
Großgrundbesitz.“ [Lenin, „Die Entwicklung des Kapitalismus in Russland“, Vorwort zur zweiten Auflage] Bis
zur ersten russischen Revolution 1905-1907, war die liberale
Bourgeoisie Russlands der hauptsächliche Verfechter des preußischen
Weges. Nach der Revolution von 1905 wurde diese Linie durch Stolypin
verfolgt, als Russland sehr rasch in die Periode der kapitalistischen
Entwicklung eingetreten war. Zu dieser Zeit war in Russland das
kapitalistische System in 19 Staaten vorherrschend, während in 17
Staaten das corvée (Rückzahlung durch Arbeit) System und in 7 Staaten
das halbfeudale System vorherrschend waren. Unter Russlands besonderen
Bedingungen war das corvée-System in vielen Staaten nach wie vor die
vorherrschende Form der Produktionsverhältnisse, das sehr große Gebiete
überspannte. Die Entwicklung des Kapitalismus in der Landwirtschaft war
am intensivsten in den Randgebieten sichtbar. Begreifend, dass
Russland in eine Phase der raschen kapitalistischen Entwicklung und
Auflösung der feudalen Ausbeutungsformen eingetreten war, brachte die
von Stoylpin geführte Regierung das „Stolypinische Agrarreform“-Paket
hervor. Das Reformpaket hat, auf preußischem Wege, den Weg für die
kapitalistische Entwicklung in der Landwirtschaft noch weiter bereitet
und die Entwicklung des Kapitalismus im allgemeinen weiter befördert. Nach
dieser Stufe wechselte die feudale Selbstherrschaft – durch Umwandlung
ihrer selbstherrschaftlichen Form zugunsten einer
bürgerlich-monarchistischen Form, geschmückt mit der konstitutionellen
Bürokratie – ihre Haut. In dieser Form war eine Stütze des Systems in
der Bourgeoisie verwurzelt, während die andere nach wie vor auf den
Großgrundbesitzern ruhte, sich bemühend , die Balance zwischen diesen
beiden Klassenmächten zu halten. Lenin verglich diese Situation mit dem
Bonapartismus in Frankreich und nannte ihn „bourgeois-bonapartistische“
Politik oder „landwirtschaftlichen Bonapartismus“. Lenin erklärte die
Situation wie folgt: „Das Bündnis des Zarismus mit den erzreaktionären
Gutsbesitzern und den Spitzen der Handels- und Industriebourgeoisie ist
durch den Staatsstreich vom 3. Juni und die Konstituierung der III. Duma
unverhüllt fixiert und anerkannt worden. Die Selbstherrschaft, die
notgedrungen endgültig den Weg zur kapitalistischen Entwicklung Rußlands
eingeschlagen hat und dabei bestrebt ist, einen Weg durchzusetzen, der
den feudalen Gutsbesitzern ihre Macht und ihre Einkünfte sichert,
laviert zwischen dieser Klasse und den Vertretern des Kapitals.“ [Lenin, „Fünfte (Gesamtrussische) Konferenz der SDAPR, 21.-27. Dezember 1908 (3.-9. Januar 1909)“] Weiterhin
fügt Lenin das Folgende bezüglich dieser Form der Umwandlung hinzu:
„Entweder die Hauptmasse des gutsherrlichen Grundbesitzes und die
hauptsächlichen Grundfesten des alten „Überbaus“ bleiben erhalten; das
bedeutet: vorherrschende Rolle der liberal-monarchistischen Bourgeois
und Gutsbesitzer, rascher Übergang der wohlhabenden Bauernschaft auf
deren Seite, Herabdrückung der Bauernmasse, die nicht nur in gewaltigem
Maße expropriiert, sondern obendrein durch diese oder jene kadettischen
Ablösezahlungen geknechtet, durch die Herrschaft der Reaktion
eingeschüchtert und abgestumpft wird …“ [Lenin, „Die Entwicklung des Kapitalismus in Russland“, Vorwort zur zweiten Auflage Offensichtlich
war das ein Entwicklungspfad, der in der Tat die Entwicklung der
Produktivkräfte und des Kapitalismus gleichfalls verlangsamte.
Zusätzlich ermöglichte dieser Pfad die Plünderung der Dorfgemeinschaften
durch die Großgrundbesitzer und die feudalen Farmenbesitzer und stellte
so sicher, dass die reichen Grundbesitzer ihren Landbesitz noch
vergrößern würden. Natürlich bedeutete das auch, dass die Latifundien
bestehen blieben. In Lenins Worten: „Wenn wie im letzten und vorletzten
Jahr Dutzende Millionen von Bauern hungern, so enthüllt diese Tatsache
besser als lange Betrachtungen die Verlogenheit und Heuchelei der
Märchen von den segensreichen Auswirkungen der Einzelhöfe. Diese
Tatsache zeigt ganz klar, daß das russische Dorf auch nach der Änderung
der Agrarpolitik der Regierung, auch nach den berüchtigten Stolypinschen
Reformen ebenso niedergedrückt bleibt durch das Joch, die Ausbeutung,
das Elend, die Rechtlosigkeit wie unter der Leibeigenschaft. Die „neue“
Agrarpolitik des Rats des vereinigten Adels hat die alten Fronherren und
das Joch ihrer riesigen Besitzungen, die Tausende und Zehntausende von
Desjatinen umfassen, unangetastet gelassen. Die „neue“ Agrarpolitik hat
die alten Gutsbesitzer und die Hand voll Dorfbourgeoisie bereichert und
die Masse der Bauern noch mehr ruiniert.“ [Lenin,“Zur Frage der (allgemeinen) Agrarpolitik der heutigen Regierung“ ] Obwohl
dieser Weg der kapitalistischen Entwicklung von den Großgrundbesitzern
geführt wurde und nicht den Pfad zur Befreiung der Produktivkräfte so
sicherstellte wie der amerikanische Weg, bestärkte er die
kapitalistische Entwicklung doch bis zu einem gewissen Grad. Neben
dem preußischen Weg der bürgerlichen Entwicklung gab es auch den zweiten
Weg der Entwicklung, namentlich den amerikanischen Weg bzw. den
Bauernform. Kurz gesagt, war das der revolutionäre Weg. Es bedeutete die
Vernichtung der feudalen Wirtschaft auf einen Schlag. Lenin
beschreibt diesen Pfad wie folgt: „Der revolutionäre Weg des wirklichen
Sturzes der alten Ordnung verlangt unvermeidlich, als seine ökonomische
Grundlage, die Abschaffung aller alten Grundbesitzformen, samt allen
alten politischen Einrichtungen Rußlands. Die Erfahrungen der ersten
Periode der russischen Revolution haben endgültig bewiesen, daß die
russische Revolution nur als bäuerliche Agrarrevolution siegreich sein
kann, und daß diese letztere ohne die Nationalisierung des Grund und
Bodens ihre historische Mission nicht in vollem Umfang erfüllen kann.“ [Lenin, „Das Agrarprogramm der Sozialdemokratie in der ersten russischen Revolution von 1905 bis 1907“, Schlußfolgerungen ] Zusätzlich
hat Lenin, in seinem Vorwort zu zweiten Ausgabe seines Werkes mit dem
Namen „Die Entwicklung des Kapitalismus in Russland“, bezüglich dem
zweiten Weg das Folgende hinzugefügt, direkt nach dem er den preußischen
Weg erklärt hatte: „Oder Zerstörung des gutsherrlichen Grundbesitzes
und aller hauptsächlichen Grundfesten des entsprechenden alten
„Überbaus“; vorherrschende Rolle des Proletariats und der Bauernmasse
bei Neutralisierung der schwankenden oder konterrevolutionären
Bourgeoisie; rascheste und freieste Entwicklung der Produktivkräfte auf
kapitalistischer Grundlage, wobei sich die Arbeiter- und Bauernmasse in
der günstigsten Lage befinden wird, die unter den Verhältnissen der
Warenproduktion überhaupt denkbar ist; das bedeutet: Schaffung der
günstigsten Bedingungen, unter denen die Arbeiterklasse dann ihre wahre
und grundlegende Aufgabe, die sozialistische Umgestaltung, verwirklichen
kann.“ [Lenin, „Die Entwicklung des Kapitalismus in Russland“, Vorwort zur zweiten Auflage] Im
Kern werden auf dem ersten Weg die Latifundien allmählich über eine
langwierige Periode in kapitalistische Farmen entwickelt, während auf
dem zweiten Weg die Latifundien durch die Bauern mittels Revolution und
Gewalt beseitigt werden. Lenin erklärt diese Situation wie folgt: „Im
zweiten Fall gibt es keine Gutsherrenwirtschaft, oder aber sie wird von
der Revolution zerschlagen, die die feudalen Güter konfisziert und
aufteilt. In diesem Falle prädominiert der Bauer, er wird zur
ausschließlichen Triebkraft der Landwirtschaft und evolutioniert zum
kapitalistischen Farmer.“ [Lenin, „Das Agrarprogramm der
Sozialdemokratie in der ersten russischen Revolution von 1905 bis 1907“,
5. Zwei Typen, der bürgerlichen Agrarentwicklung] Es war klar, dass
die Beseitigung der Latifundien der Schlüssel zur kapitalistischen
Entwicklung in der Landwirtschaft in Russland war. Die Frage war, welche
Klasse bei der Erfüllung dieses Ziels führen würde und mit welchen
Mitteln es erreicht werden würde. Entweder mit dem Mittel der Reform
oder dem der Revolution. Wie Lenin es ausdrückt: „Zweitens erleichtert
jede der beiden in der Praxis in Erscheinung tretenden Formen der
„Lösung“ der Agrarfrage – sowohl die Stolypinsche Lösung von oben durch
Erhaltung des gutsherrlichen Grundbesitzes und endgültige Vernichtung
der Dorfgemeinde, deren Ausplünderung durch die Kulaken, als auch die
bäuerliche (von den Trudowiki vorgeschlagene) Lösung von unten durch
Vernichtung des gutsherrlichen Grundbesitzes und Nationalisierung des
gesamten Grund und Bodens in ihrer Weise den Übergang zu einer höheren
Technik; beide verlaufen in Richtung des agrikulturellen Fortschritts.
Nur beruht dieser Fortschritt bei der einen Lösung auf der
beschleunigten Verdrängung der armen Bauern aus der Landwirtschaft, bei
der anderen auf der beschleunigten Verdrängung der Arbeit durch
Vernichtung der fronherrlichen Latifundien. (…) Folglich besteht das
Wesen der Agrarfrage und der Agrarkrise nicht darin, daß die
Hindernisse, die der Hebung des agrikulturellen Niveaus im Wege stehen,
beseitigt werden müssen, sondern darin, wie, von welcher Klasse und mit
welchen Methoden diese Beseitigung bewerkstelligt werden soll. Daß die
Hindernisse für die Entwicklung der Produktivkräfte des Landes beseitigt
werden müssen, ist unbedingt notwendig – notwendig nicht nur im
subjektiven, sondern auch im objektiven Sinne des Wortes; d. h., diese
Beseitigung ist unvermeidlich und kann von keiner Macht der Welt
verhindert werden.“ [Lenin, „Die Agrarfrage in Rußland am Ausgang des 19. Jahrhunderts“] An
anderer Stelle sagt Lenin, im Dezember 1907, das Folgende zur gleichen
Sache:„In der Wirtschaftsgeschichte Rußlands treten diese beiden Typen
der Evolution ganz klar zutage. Nehmen wir die Periode der Aufhebung der
Leibeigenschaft. Gutsbesitzer und Bauern kämpften miteinander um die
Art und Weise der Durchführung dieser Reform. Die einen wie die anderen
verteidigten (ohne sich dessen bewußt zu: sein) die Voraussetzungen der
bürgerlichen, ökonomischen Entwicklung, aber die Gutsbesitzer vertraten
eine Art; der Entwicklung, die die. maximale Erhaltung der
Gutswirtschaften, der Gutsbesitzereinkünfte, der grundherrlichen
(knechtenden) Ausbeutungsmethoden sichert. Die Bauern vertraten eine
Entwicklung, die angesichts des gegebenen Kulturniveaus in maximaler
Weise den Wohlstand der Bauernschaft, die Liquidierung der
gutsherrlichen Latifundien, aller fronwirtschaftlichen und knechtenden
Ausbeutungsmethoden sowie die Erweiterung des freien bäuerlichen
Grundbesitzes gewährleisten könnte. Es ist klar, daß auf dem zweiten
Wege die Entwicklung des Kapitalismus und der Produktivkräfte sich
breiter und rascher vollzogen hätte als bei der Durchführung der
Bauernreform im Sinne der Gutsbesitzer.“ [Lenin, „Das Agrarprogramm
der Sozialdemokratie in der ersten russischen Revolution von 1905 bis
1907“, 5. Zwei Typen, der bürgerlichen Agrarentwicklung ] Lasst uns
nun Lenins Brief an Skworzow-Stepanow betrachten, in dem der Kern des
Problems diskutiert wird. Der Brief wurde im Dezember 1909 geschrieben,
und die Essenz des Briefes besteht aus Russlands bürgerlicher
landwirtschaftlicher Entwicklung auf zwei Wegen, dem preußischen und dem
amerikanischen Weg. In dem Brief fragt Lenin: „Die
Meinungsverschiedenheit besteht darin, ob sich in Rußland das
bürgerliche Agrarregime so weit gefestigt hat, um einen schroffen
Übergang von der „preußischen“ Entwicklung des Agrarkapitalismus zur
„amerikanischen“ Entwicklung des Agrarkapitalismus objektiv unmöglich zu
machen.“ (Lenin, „Brief an I.I. Skworzow-Stepanow“] Diese Frage
hatte einen polit-geschichtlichen Hintergrund der, wie Lenin es sah,
direkt mit der landwirtschaftlich-bäuerlichen Revolution zusammenhing.
Vor diesem Hintergrund waren Lenins Worte,
„landwirtschaftlich-bäuerliche Revolution“ direkt miteinander verbunden. Laut
den Kadetten und Liquidatoren hat sich der preußische Weg die Oberhand
gewonnen und folglich hat er so den amerikanischen Weg als einen Pfad
unmöglich gemacht. Sie argumentierten, dass nach der stolypinschen
Agrarreform die kapitalistische Entwicklung in der Landwirtschaft extrem
beschleunigt wurde; dass die halbfeudale Wirtschaft und
Naturalienwirtschaft aufgehört hatten zu existieren; dass die alte Form
der Bauern das gleiche Schicksal teilt; dass, den Umständen
entsprechend, die Vernichtung des alten Landadels durch den
amerikanischen Weg, d.h. durch die Revolution von unten, nicht länger in
der politischen Agenda beinhaltet sein kann, da die Klassenwidersprüche
zwischen der Bauernschaft und den feudalen Grundbesitzern verschwunden
sind. Nach ihnen war eine vom Proletariat geführte
„landwirtschaftlich-bäuerliche Revolution“ gegen den Zar, die
Selbstherrschaft und die halbfeudalen Grundbesitzer komplett
überflüssig. Diese Linie der Logik kam zu der Schlussfolgerung, dass die
Frage der Stürzung der Selbstherrschaft des Zaren und der
Großgrundbesitzer nicht länger existierte. In anderen Worten: Es gibt
keine Notwendigkeit die vom Proletariat geführte demokratische
Revolution in die Agenda aufzunehmen – diese war bereits durch den
preußischen Weg mit der 1861er Reform und der anschließenden
stolypinschen Agrarreform nach der 1905er Revolution abgeschlossen
worden. Diese Logik behauptete, dass Russland bereits vollständig
kapitalistisch sei. Lenins Antwort darauf war klar: „Die Entwicklung
des Kapitalismus in der russischen Landwirtschaft ging auch in den
Jahren 1861-1904 vor sich. Alle jetzt von Roshkow und Polferow erwähnten
Merkmale lagen schon damals vor. Die Entwicklung des Kapitalismus hat
die bürgerlich-demokratische Krise des Jahres 1905 nicht beseitigt,
sondern vorbereitet und verschärft. Warum? Weil die alte, halb
fronherrliche Naturalwirtschaft unterhöhlt war, die Bedingungen für die
neue, bürgerliche Wirtschaft aber noch nicht geschaffen waren. Daher die
ungewöhnliche Schärfe der Krise von 1905.“ [Lenin, „Die Agrarfrage und die gegenwärtige Lage in Russland“] Im
gleichen Artikel unterstreicht Lenin die Existenz der
vorkapitalistischen Ausbeutungsformen in der Landwirtschaft in Russland
wie folgt: „N. Roshkow hat die Daten über den Grad der Verbreitung der
Halbpacht, der Abarbeit, des Frondienstes und der Knechtschaft im
beutigen Dorf nicht einmal gestreift. Mit erstaunlicher Leichtfertigkeit
hat er die Tatsache umgangen, daß die Verbreitung dieser Einrichtungen
immer noch groß ist.“ [Lenin, „Die Agrarfrage und die gegenwärtige Lage in Russland“] 1913
argumentierte Lenin, dass entweder der preußische Weg oder der
amerikanische Weg der landwirtschaftlichen Entwicklung bisher keinen
entscheidenden Sieg errungen haben. Es ist wichtig die folgende Analyse
von Lenin hier anzumerken: „Wir nahmen an, die Elemente der
kapitalistischen Landwirtschaft seien in Rußland bereits vollkommen
ausgebildet — sowohl in der Gutswirtschaft (ausgenommen die die
Bauernschaft knechtenden „Bodenabschnitte“, daher die sie betreffende
Forderung) als auch in der bäuerlichen Wirtschaft, von der es schien,
als habe sie bereits eine starke Dorfbourgeoisie hervorgebracht und sei
daher zu einer „bäuerlichen Agrarrevolution“ nicht mehr fähig. Nicht der
„Furcht“ vor der bäuerlichen Agrarrevolution entsprang das fehlerhafte
Programm, sondern der Überschätzung des Grades der kapitalistischen
Entwicklung in der russischen Landwirtschaft. Die Überreste der
Leibeigenschaft erschienen uns damals als unwesentliches Detail, die
kapitalistische Wirtschaft auf dem Gutsbesitzerboden und Anteilland
dagegen als völlig ausgereift und gefestigt. Die Revolution hat diesen
Fehler aufgedeckt. (…) Die Berichtigung des Fehlers bestand darin, daß
wir statt der Teilaufgabe des Kampfes gegen die Überreste des Alten im
Agrarsystem die Aufgabe des Kampfes gegen das ganze alte Agrarsystem
stellen mußten. An die Stelle der Bereinigung der Gutsbesitzerwirtschaft
setzten wir ihre Beseitigung.“ [Lenin, „Das Agrarprogramm der
Sozialdemokratie in der ersten russischen Revolution von 1905 bis 1907“,
8. Der Fehler M. Schanins und anderer Anhänger der Aufteilung ] Wie
der vorige Absatz klar macht, betrachtete Lenin die Revolution als
notwendig, nicht nur um die Leibeigenschaft abzuschaffen und die
Selbstherrschaft zu stürzen, sondern auch alle feudalen Überbleibsel der
alten Wirtschaft zu vernichten. Im Agrarprogramm der russischen
Sozialdemokratie schrieb er: „Die Agrarfrage bildet die Grundlage der
bürgerlichen Revolution in Rußland’und bedingt, die nationale
Besonderheit dieser Revolution. Das Wesen dieser Frage bildet der Kampf
der Bauernschaft für die Abschaffung des gutsherrlichen Grundbesitzes
und der Überreste der Fronherrschaft im Agrarsystem Rußlands und
folglich auch in allen sozialen und politischen Einrichtungen des Landes.“ [Lenin, „Das Agrarprogramm der Sozialdemokratie in der ersten russischen Revolution von 1905 bis 1907“, ] Einige
Seiten später, kommt er aus den Ergebnissen der ersten russischen
Revolution schöpfend, zur folgenden klaren Schlussfolgerung: „Der
reformerische Weg der Schaffung eines junkerlich-bürgerlichen Rußlands
bedingt notwendigerweise die Erhaltung der Grundlagen des alten
Grundbesitzes und ihre langsame, für. die Masse der Bevölkerung
qualvolle Anpassung. an den Kapitalismus. Der revolutionäre Weg des
wirklichen Sturzes der alten Ordnung verlangt unvermeidlich, als seine
ökonomische Grundlage, die Abschaffung aller alten Grundbesitzformen
:samt allen alten politischen Einrichtungen Rußlands. Die Erfahrungen
der ersten Periode der russischen Revolution haben endgültig
bewiesen, daß die russische Revolution nur als bäuerliche
Agrarrevolution siegreich sein kann, und daß diese letztere ohne die
Nationalisierung des Grund und Bodens ihre historische Mission nicht in
vollem Umfang erfüllen kann.“ [Lenin, „Das Agrarprogramm der Sozialdemokratie in der ersten russischen Revolution von 1905 bis 1907“] Während
der Perioden der ersten und der zweiten russischen Revolution, d.h. bis
zum Februar-März 1917 war das hauptsächliche Ziel der Revolution das
zaristische Regime zu stürzen und alle Überbleibsel des Feudalismus zu
entfernen. Bis zur Revolution vom Februar-März 1917 war die russische
Regierung nach wie vor hauptsächlich kontrolliert vom alten Adel,
geführt von Nicholas Romanov und den Großgrundbesitzern. Das bedeutete,
dass es mittels des preußischen Wegs nicht möglich war alle feudalen
Hinterlassenschaften der alten Wirtschaft aus der Gesellschaft zu
säubern. Diese Aufgabe musste durch die Oktoberrevolution 1917
durchgeführt werden. In der Periode vom März 1917 bis zur
Oktoberrevolution, welche die zweite Phase der Revolution ist (während
die erste Phase die Periode zwischen ersten und zweiten russischen
Revolution bezeichnend), geriet die Kontrolle des Staatsapparates in die
Hände der Bourgeoisie. Folglich änderte sich das Ziel der russischen
Revolution dazu, den Imperialismus in Russland zu besiegen und aus dem
imperialistischen Krieg [der erste Weltkrieg] raus zukommen. Wie Lenin
ganz zu Beginn seines Briefes an Skworzow-Stepanow erklärt hatte, waren
in Russland sowohl der preußische Weg als auch der amerikanische Weg für
die bürgerliche Entwicklung der Landwirtschaft möglich und fügte hinzu:
„Ich verneine die Möglichkeit des „preußischen“ Weges nicht; ich
anerkenne, daß der Marxist weder einen von diesen Wegen „garantieren“
noch sich nur auf einen derselben festlegen soll; ich anerkenne, daß
Stolypin mit seiner Politik noch einen Schritt weiter auf dem
„preußischen“ Wege macht und daß auf diesem Wege auf einer bestimmten
Stufe ein dialektischer Umschlag eintreten kann, der alle Hoffnungen und
Aussichten auf den „amerikanischen“ Weg von der Tagesordnung streicht.
Aber ich behaupte, daß gegenwärtig dieser Umschlag bestimmt noch nicht
eingetreten ist und daß es deshalb für einen Marxisten absolut
unzulässig, theoretisch absolut falsch ist, die „klassische“
Fragestellung abzulehnen. Darin bestehen unsere
Meinungsverschiedenheiten.“ [Lenin, „Brief an I.I. Skworzow-Stepanow“] In
den historischen Umständen in Deutschland errang der preußische Weg
einen entscheidenden Sieg. In Russland hatte der preußische Weg die
Oberhand bis zum Februar-März 1917, bis zur zweiten Phase der
Revolution. Nichts desto trotz war der Kampf für die Agrarrevolution
stark und wurde in all den Jahren fortgeführt, in denen die Vertreter
der Aristokratie und der Großgrundbesitzer ihre Macht aufrecht erhielten
und die alte Wirtschaft kontrollierten, bis sie letztendlich durch die
Oktoberrevolution 1917 vollständig gestürzt wurde. In der Ära des
Imperialismus und der Revolutionen, hat weder der amerikanische Stil des
Entwicklungspfades noch der preußische Stil des Entwicklungsweges
irgendeine Gültigkeit. Die heutige Bourgeoisie ist nicht länger die
revolutionäre Bourgeoisie des Kapitalismus der freien Konkurrenz und es
gibt nicht die Bedingungen, die Hindernisse im Weg der kapitalistischen
Entwicklung durch den preußischen Weg zu überwinden. Nebenbei erlauben
die Machtverhältnisse der und die Widersprüche zwischen den
existierenden Klassen im Zeitalter des Imperialismus und der
proletarischen Revolutionen keinesfalls eine solche Methode der
Umwandlung. Folglich ist die Situation ähnlich für den amerikanischen
Weg, welcher seinen Platz zugunsten einer durch das Proletariat
geführten Agrarrevolution räumen musste. Wie ist die Situation in
unserem Land? Was ist das signifikante dieser zwei Wege für uns? Eine
weitere Frage ist, ob es für die Türkei möglich ist entweder durch den
preußischen oder den amerikanischen Weg in ein kapitalistisches Land zu
evolutionieren? Die Realität des Landes ist, dass dort eine
rückständige und unausgeglichene kapitalistische Wirtschaft existiert.
Seine Industrie ist unterentwickelt und komprador, gekettet an das
internationale Kapital. Und die sozioökonomische Struktur ist noch
vorherrschend von der halbfeudalen Wirtschaft umgeben. Nichts desto
trotz kann nicht verneint werden, dass es einen sich entwickelnden
Kapitalismus im Land gibt, wenn auch eng verknüpft mit dem Imperialismus
und dessen Wachstumsnotwendigkeiten. Wir müssen es ernst nehmen, dass
es, proportional zur Entwicklung des Kapitalismus, einen zahlenmäßigen
Anstieg der Ausbeutung der Arbeit und folglich der Arbeiterklasse in den
Aufstellungen der sozialen Beziehungen gibt. Dementsprechend nimmt ihre
Bedeutung und ihr Organisationsgrad zu. Obwohl es einen
Komprador-Charakter trägt und ein Grundpfeiler des wirtschaftlichen
Restrukturierungsplans der Regierung und der Integration in die
Europäische Union ist, gibt beispielsweise das Nationale Programm,
weiteren Schwung zur kapitalistischen Entwicklung des Landes. Die Vorhut
muss mit dieser Realität rechnen und ihre Taktik entsprechend
festlegen. Doch genau hier müssen wir eine große Klammer öffnen. In
der Türkei und in Ländern die in die selbe sozioökonomische Kategorie
fallen, wurde die kapitalistische Entwicklung begrenzt und von Anfang an
behindert durch zwei größere Wellenbrecher. Diese zwei dämpfenden
Barrieren im Weg der kapitalistischen Entwicklung sind der Imperialismus
und die erstickende Unterdrückung durch die vorkapitalistischen
Verhältnisse. Für den Imperialismus sind Länder wie das unsrige, Gebiete
für den Konsum ihrer Produkte, eine Quelle an billiger Arbeit und
billigem Rohmaterial. Wenn wir das aus dieser Perspektive hinterfragen,
werden wir sehen, dass diese vitalen Interessen des Imperialismus auch
unüberwindbare Hindernisse im Weg der kapitalistischen Entwicklung in
Ländern wie unserem bilden. Der ursprüngliche und der darauf folgende
Waren- und Kapitalexport des ausländischen Kapitalismus würde niemals
eine echte kapitalistische Entwicklung in Ländern wie unserem zulassen.
Von Anfang an übernimmt die imperialistische Wirtschaft die
Kontrollstellen des abhängigen Landes, den Entwicklungspfad der dortigen
Industrie blockierend. In solchen Ländern ist der Kapitalismus, der
sich entwickelt oder dem erlaubt ist sich zu entwickeln, die Art von
Kapitalismus, die die optimalen Bedingungen für die imperialistische
Ausbeutung schafft oder entsprechend dieser Bedienungen entwickelt wird,
die konform mit Prinzip des maximalen Profits des Imperialismus sind.
Letztendlich würde eine echte kapitalistische Entwicklung in einem
abhängigen Land auch die Widersprüche zu den imperialistischen
Abhängigkeitsverhältnissen entwickeln. In unserem Land wurde der Pfad
der kapitalistischen Entwicklung schon früh, in der Phase der freien
Konkurrenz des Kapitalismus, der Phase vor dem monopolistischen
Kapitalismus, abgeschnitten. Die internationalen Vereinbarungen die vom
Osmanischen Reich insbesondere mit Frankreich im 16. Jahrhundert und mit
England im 17. Jahrhundert unterzeichnet wurden, spielten eine
signifikante Rolle darin, das Land abhängig von diesen kolonialistischen
Zentren zu machen. Noch genauer, öffneten die Handelsabkommen, die 1535
mit Frankreich und jenes das 1838 mit England abgeschlossen wurden, die
Zollschranken für den ausländischen Kapitalismus. Als Konsequenz davon,
wurde mit dem Fluss von gering- oder unverzollten ausländischen Waren
die ins Land flossen, der einheimische Kapitalismus, welcher aus dem
Manufaktur-Sektor gedeihen sollte, von sehr frühen Jahren an
verkrüppelt. Als sich der Kapitalismus der freien Konkurrenz in den
monopolistischen Kapitalismus entwickelte, wurde der Warenexport mehr
und mehr durch den Kapitalexport ergänzt. Diese Entwicklung führte zu
großen Auslandsschulden und folglich zu starker Abhängigkeit. Eine
weitere Konsequenz von dieser Situation war, dass der behinderte und
verkrüppelte einheimische Kapitalismus niemals die Chance hatte
Kapitalakkumulation zu erreichen, die eine Grundvoraussetzung für die
kapitalistische Entwicklung in der Ära des Imperialismus ist. Daher
wurde das Land, ohne jemals eine richtige Chance zu erhalten, durch den
Prozess der kapitalistischen Entwicklung und der ursprünglichen
Akkumulation zu gehen, zu einem Werkzeug der Kolonialpolitik. Wäre der
natürliche Entwicklungsprozess nicht unterbrochen worden, wäre die
ursprüngliche Akkumulation durch die einheimische Bourgeoisie erreicht
worden – was bedeutet hätte, dass die Produktionsmittel zunehmend unter
den Großproduzenten konzetriert worden wären, was die kleinen
Direktproduzenten in Lohnarbeiter umgewandelt und zu einer stärkeren
einheimischen Wirtschaft geführt hätte. Doch die halbkolonialen
Abhängigkeitsverhältnisse waren eine unüberwindbare Barriere für das
Voranschreiten dieses Prozesses. Darüber hinaus erschuf diese
Abhängigkeit eine Kompradorbourgeoisie im Land, die die Rolle des
Mittelsmannes zwischen dem einheimischen Markt und dem Finanzkapital
spielt. Von da an führten ausländische Kapitalisten ihren Kapitalexport
durch diese Kompradorbourgeoisie aus, mit anderen Worten, der
einheimischen sozialen-ökonomischen-politischen Unterstützerbasis des
ausländischen Kapitals. So waren die Umstände als das Land in die Ära
des Imperialismus kam: Ohne starken, wahrhaften, einheimischen
Kapitalismus oder Industrie. Weil die ursprüngliche Akkumulation niemals
abgeschlossen wurde und von einer frühen Periode an die Entwicklung des
Kapitalismus im Landes im großen Maße abhängig von dem ausländischen
Kapitalismus war, war der Zug für den preußischen Weg der Umwandlung
bereits abgefahren. Im Zeitalter des Imperialismus ist in einem Land,
welches nicht bereits den Prozess der ursprünglichen Akkumulation
abgeschlossen hat oder welches heranreifende Bedingungen für diesen
Prozess hat, der preußische Weg keine Möglichkeit. Entsprechend war die
historische Perspektive für diese Option bereits ausgeschlossen.
Russland trat ins Zeitalter des Imperialismus mit der 1861er
Reformbewegung, die Schwelle zur ursprünglichen Akkumulation
überschreitend und war zum Beginn des 20. Jahrhunderts bereit zur vollen
kapitalistischen Entwicklung. Daher betrat Russland das Zeitalter des
Imperialismus unter solchen Umständen, die die Vernichtung des
Feudalismus sowohl durch den preußischen Weg, von oben, als auch durch
die Methode im Bauern-Stil, von unten, eröffnete. Kommt es zu uns, wurde
der preußische Weg als eine Option von Anfang an durch den
ausländischen Kapitalismus eliminiert. Diejenigen, die versuchen das
Land in einem Szenario zu sehen, welches dem preußischen Weg entsprechen
würde, überspringen irgendwie die Prinzipien des historischen
Entwicklungsprozesses. Das ist ein in der Tat unbegreiflicher Versuch. In
Ländern wie unserem kann ein bestimmtes Niveau der kapitalistischen
Entwicklung nicht als Resultat der allgemeinen Politik des Imperialismus
gesehen werden. Es ist eher ein Nebenelement, -produkt und -fakt der
imperialistischen Plünderei und Versklavung, welche den Kern der
imperialistischen Politik darstellen. Eine anderweitige Perspektive
würde darin resultieren, Hoffnungen auf das imperialistische Raubsystem
zu setzen, dass sie ökonomische Restrukturierung nennen und den
unbegrenzten und ungehinderten Plünderungsversuchen zu applaudieren, die
darauf abzielen, selbst das kleinste Dörfchen des Landes für die
Ausbeutung des internationalen Kapitalmonopols zu öffnen. Letztendlich
basiert diese Wirtschaft auf dem Modell der Konsumentenwirtschaft. Der
Weg in Richtung des produktiven Wirtschaftsmodells ist versperrt,
welcher der Kern einer echten kapitalistischen Entwicklung ist. Der
Prozess hier ist vorsichtig ausmanövriert von dem ausländischen Kapital.
Nebenbei besteht immer das Risiko der Übertreibung des
Entwicklungsniveaus des Kapitalismus. Genau wie die kapitalistische
Entwicklung in Russland in den frühen 1900ern übertrieben wurde und die
Existenz und die Stärke der vorkapitalistischen Wirtschaftsverhältnisse
unterschätzt und als unwichtige Details behandelt wurden. Die Änderungen
die in städtischen und ländlichen Gebieten durch das wirtschaftliche
Restrukturierungsprogramm schließlich auftauchen werden, müssen
analysiert werden, ohne dass diese Parameter er kapitalistischen
Entwicklung aus dem Blick verloren werden. Es ist wahr, dass wir uns in
einem Prozess von der Vorherrschaft des Bodens zu der Vorherrschaft des
Geldes bewegen. Es ist wahr, dass diese „Richtung“ der Entwicklung einen
Prozess bedingt, in welchem der Markt über den Produzierenden
vorherrscht, auf zur Vorherrschaft der Ware. Nichts desto trotz ist es
ebenfalls ein Fakt, dass der „Moment“ der Entwicklung durch die
halbfeudale Ökonomie charakterisiert ist. Daher ist, in einer
sozioökonomischen Struktur, wo die Linien zweier Organismen sich
überkreuzen, die Hauptaufgabe der Revolution die vollständige Entfernung
aller feudalen Überreste. Der Grad der Entwicklung des Kapitalismus
schließt diese Aufgabe und damit den Charakter unserer Revolution nicht
aus. Der erste Schritt unserer Revolution bezieht sich im Kern auf die
Bedürfnisse der Bauern. Die Bauernfrage bleibt von größter Wichtigkeit
als grundlegende Verbindung unserer Revolution. Das bedeutet, dass der
Widerspruch zwischen Feudalismus und den Massen genau wie der
Widerspruch zwischen dem Imperialismus und den Massen, welche aus den
bestehenden sozioökonomischen Verhältnissen entspringen, sind die
fundamentalen Widersprüche, die den aktuellen Prozess bestimmen. Von
diesen ist der Widerspruch zwischen Feudalismus und den Massen der
Hauptwiderspruch, der die Rolle hat, die besondere Phase dieses
Prozesses zu lenken. Daher spielt dieser Widerspruch die entscheidende
Rolle im Charakter unserer Revolution. Die demokratische Volksrevolution
ist die Methode zur Lösung dieser Widersprüche in einem halbkolonialen,
halbfeudalen Land. Folglich erscheinen, wegen des Halbfeudalismus, die
anti-feudale Revolution, und, wegen des halbkolonialen Status‘, die
anti-imperialistische Revolution als notwendige Schwelle. Die Zerstörung
die in der Landwirtschaft durch das Restrukturierungsprogramm der
Regierung verursacht wird, negiert nicht dieses grundlegende Rahmenwerk –
das kann es nicht. In den Dokumenten des Parteitags der MKP werden
falsche Schlussfolgerungen aus falschen Präzedenzen gezogen, indem
versucht wird Abstand zwischen sich selbst und der „klassischen“
Darstellung der Sache zu gewinnen. Doch diese Analyse kann nur richtig
gemacht werden wenn, in Lenins Worten, „die etablierten Praktiken der
materialistischen Methode und der theoretischen politischen Ökonomie
angewandt werden.“ Die Türkei als kapitalistisches Land
diagnostizierend, kommt die MKP auch zu falschen Schlussfolgerungen
bezüglich des Charakters und der Strategie der Revolution. Lasst uns die
folgende präzise Erklärung von Kaypakkaya zu dieser Sache lesen: „Der
kollaborationistische Kapitalismus der vom Imperialismus entwickelt
wurde, kann niemals den Feudalismus durch den „Bauern-Stil“ auflösen.
Und so lang der Feudalismus nicht grundsätzlich vernichtet wurde bleiben
die Bauernmassen als eine revolutionäre Kraft und der Inhalt der
Revolution bleibt die demokratische Revolution.“ [Ibrahim Kaypakkaya,
Ausgewählte Werke, Eigene Übersetzung] Es gibt einige weitere Punkte die zu diesem Thema gemacht werden müssen. In
den Dokumenten des Parteitages, wird festgestellt, dass „die Gier nach
Profit, als dynamisches Gesetz des imperialistischen Kapitals und die
Zerstörung die es verursacht haben die sozialen Verhältnisse in einem
Kontext eines langen geschichtlichen Prozesses zur Entwicklung in einen
neuen Zustand evolutioniert.“ [Eigene Übersetzung, S. 93) Also ist
das Land mit „der Peitsche des Imperialismus“ kapitalistisch geworden.
Aber wie spielt dann das „dynamische“ Gesetz, „der Gier nach Profit“,
eine „zerstörerische“ Rolle? Im Gegenteil, sollte es nicht eine
progressive Rolle spielen, da es die wirtschaftlich-sozialen
Verhältnisse vorwärts schiebt und die Entwicklung der Phase in die
nächste erzwingt? Darüber hinaus: Was soll das überhaupt bedeuten, die
Gier nach Profit, als dynamisches Gesetz des imperialistischen Kapitals?
Wir würden sogar das kapitalistische Gesetz des Falls der
kapitalistischen Profitrate oder das Gesetz des Mehrwertes verstehen.
Wir würden sogar verstehen, wenn die Aussage etwas mit dem Gesetz der
Profitmaximierung als dem fundamentalen Gesetz der kapitalistischen
Produktionsweise zu tun hat, welches von der Grundlage des Mehrwertes
herrührt. Wir können jedoch nicht „die Gier nach Profit, als dynamisches
Gesetz des imperialistischen Kapitals“ begreifen. Ist dies, wie Marx es
im Kapital beschreibt? Marx sagt: „Produktion von Mehrwert oder
Plusmacherei ist das absolute Gesetz dieser Produktionsweise.“ [Karl Marx, „Das Kapital“, Band I, Das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation] Es
mag argumentiert werden, dass der Term der „imperialistisches Kapital“
genutzt wird und dass solch ein Gesetz für den Imperialismus in Marx‘
Werken nicht existiert, weil der Imperialismus noch nicht entstanden
war. In diesem Fall, lasst uns auf Stalin beziehen. Die folgende
Passage, bei der es nebenbei gesagt so aussieht, als hätte die MKP sie
übersehen, erklärt genau diese Sache: „Am nächsten kommt dem Begriff
des ökonomischen Grundgesetzes des Kapitalismus das Gesetz des
Mehrwerts, das Gesetz der Entstehung und des Anwachsens des
kapitalistischen Profits. (…) Die wichtigsten Züge und Erfordernisse
des ökonomischen Grundgesetzes des modernen Kapitalismus könnten etwa
folgendermaßen formuliert werden: Sicherung des Kapitalistischen
Maximalprofits durch Ausbeutung, Ruinierung und Verelendung der Mehrheit
der Bevölkerung des gegebenen Landes, durch Versklavung und
systematische Ausplünderung der Völker anderer Länder, besonders der
zurückgebliebenen Länder, und schließlich durch Kriege und
Militarisierung der Volkswirtschaft, die der Sicherung von
Höchstprofiten dienen.“ [Stalin, „Ökonomische Probleme des
Sozialismus in der UdSSR“, 7. Die Frage der ökonomischen Grundgesetze
des modernen Kapitalismus und des Sozialismus] Zusätzlich ist
bemerkenswert, was in den Dokumenten des Parteitages über halbfeudalen
Verhältnisse und die halbfeudale Wirtschaft gesagt wird. Nach den
Dokumenten des Parteitages der MKP, ist eine Wirtschaft entweder feudal
oder kapitalistisch. Ihr Argument beruht auf dem Gedanken, dass ein
Verhältnis nicht halbfeudal und halbkapitalistisch sein kann. (S. 36) Ist das wie Lenin die Sache darlegt? Nein. Was
ist die halbfeudale Wirtschaft im marxistischen Sinne: Es ist ein
wirtschaftlicher Stil, in welchem die Charakteristiken sowohl feudaler
als auch kapitalistischer Wirtschaft auf eine solche Art vorhanden sind,
dass der Anfang des Einen und das Ende des Anderen sehr undeutlich
sind; Charakteristiken beider Wirtschaften gehen eng, in unzähligen
Kombinationsmöglichkeiten, in einander über. Es ist nicht so, dass die
physische Hälfte des Landes feudal und die andere kapitalistisch ist.
Lenin erklärt die Sache auf diesem Weg: „Die heutige Gutswirtschaft
in Rußland vereinigt in sich kapitalistische und leibeigenschaftliche
Züge. (…) [W]ollte man alle Einzelfälle aufzählen und jeden Einzelfall
abwägen, mit der Genauigkeit einer Apothekerwaage feststellen, wo die
Leibeigenschaft aufhört und der reine Kapitalismus anfängt — das hieße
den Marxisten die eigene Pedanterie zuschreiben. Wir können nicht
ausrechnen, welcher Teil des Preises für beim Krämer gekaufte
Lebensmittel auf den Arbeitswert und welcher Teil auf den Wucher usw.
entfällt.“ [Lenin, „Kleinbürgerlicher und proletarischer Sozialismus“ ] Kann es noch klarer und noch verständlicher sein als das?