Dienstag, 27. November 2018

DKP-Bezirk Südbayern stellt sich neu auf. Kritik an EU und reaktionären »Scheindebatten«. Gespräch mit Werner Feldmann

»Solche Debatten in BRD zu führen ist erbärmlich«


Interview: André Scheer
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Der Bezirksvorsitzende der DKP Südbayern, Werner Feldmann (links), mit Genossen am vergangenen Wochenende
Werner Feldmann ist Bauelektriker und Vorsitzender der IG BAU Altbayern. Am Wochenende wurde er zum Bezirksvorsitzenden der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) in Südbayern gewählt
Sie sind am Wochenende zum neuen Bezirksvorsitzenden der DKP Südbayern gewählt worden. Damit gibt es dort wieder eine legitimierte Organisationsstruktur, nachdem Ihre Regionalorganisation im vergangenen Jahr durch den Parteivorstand aufgelöst worden war. Wie kam es dazu?
Die Auflösung des DKP-Bezirks Südbayern war die Konsequenz aus einer Vertrauenskrise, die sich über Jahre zugespitzt hatte. Hintergrund waren grundsätzliche Differenzen über die Aufgaben einer kommunistischen Partei, zur EU und zur Bündnispolitik. Inzwischen haben die Genossinnen und Genossen, die mit ihrer Position in der Minderheit waren, für sich die Konsequenz gezogen und die DKP verlassen. Wir bedauern das und hoffen, mit ihnen auch künftig in der Friedensbewegung, bei Aktivitäten gegen rechts usw. zusammenarbeiten zu können.
Was haben Sie als nächstes vor?
Wir stehen vor einem Neuanfang, denn natürlich hat uns der Verlust einer Reihe von Mitgliedern geschwächt. Wir werden deshalb zunächst unsere Strukturen wieder aufbauen und Politik für den Süden Bayerns entwickeln. Wir werden die Zusammenarbeit mit unseren Genossinnen und Genossen in Nordbayern, die eine eigene Bezirksorganisation haben, intensivieren. Als erstes wollen wir in Südbayern mindestens 200 Unterstützungsunterschriften zur Absicherung unserer Kandidatur bei der EU-Wahl sammeln.
Sie kandidieren selbst auf der DKP-Liste zur Europawahl. Sehen wir Sie demnächst in Brüssel?
Wir sind realistisch genug – die Wahrscheinlichkeit, dass wir genügend Stimmen für den Einzug in das EU-Parlament erreichen, ist relativ gering. Uns geht es bei der Kandidatur in erster Linie darum, linke Positionen gegen diese Europäische Union in die Öffentlichkeit zu bringen. Außer uns sagt niemand klar, dass die EU ein Projekt der imperialistischen Eliten ist, das der Ausbeutung der arbeitenden Menschen in allen Ländern dient. Sie ist eben kein Friedensprojekt und auch nicht progressiv veränderbar.
Ist es fortschrittlich, Grenzen zu schließen und wieder auf nationale Eigenbrödelei zu setzen?
Die Grenzen werden gerade von dieser EU wieder geschlossen, als Abwehrmaßnahme gegen die Armen dieser Welt. Offene Grenzen gibt es unter den herrschenden Bedingungen letztlich nur für die Großkonzerne, nicht für die Menschen. Wir aber sind Internationalisten. Wir sind für die Einheit der Arbeiterklasse dieses Kontinents und der ganzen Welt. Die arbeitenden Menschen haben nichts davon, ein Bündnis mit den einheimischen Ausbeutern gegen andere Länder oder Völker zu schmieden – den Arbeitern in Frankreich und ihren Protesten stehen wir viel näher. Wir verteidigen deshalb auch das Asylrecht gegen alle Angriffe. Wer vor Krieg, Verfolgung, Armut oder auch den Folgen der Klimakatastrophe flieht, sollte in der Bundesrepublik aufgenommen werden.
Was sagen Sie Leuten, die darauf antworten, dass wir doch nicht alle aufnehmen können?
Wir sagen dazu, dass das eine Scheindebatte ist. Die meisten Flüchtlinge bleiben in ihren eigenen Ländern oder suchen bei den Nachbarn Zuflucht. Es sind die ärmsten Länder der Welt, die die größten Herausforderungen schultern müssen. Dass solche Debatten in einem der reichsten Staaten dieses Planeten geführt werden, ist erbärmlich. Schauen wir doch einmal nach Kuba. Diese arme und auch noch von den USA blockierte Insel schickt Ärzte und Lehrer überallhin, wo sie gebraucht werden. Als die reichen Staaten noch über die Ebola-Epidemie in Afrika diskutiert haben, waren kubanische Mediziner schon dort und haben Menschenleben gerettet.
Vor allem aber: Deutschland trägt durch die Beteiligung an Kriegen, Rüstungsexporten und der Ausbeutung ganzer Kontinente durch die Großkonzerne eine große Mitverantwortung für die Lebensumstände, die Menschen zur Flucht zwingen. Unser Job ist es, das zu ändern – für uns gilt auch in diesem Zusammenhang der alte Satz von Karl Liebknecht, dass der Hauptfeind im eigenen Land steht.

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