Samstag, 2. März 2019

Proteste gegen Algeriens Staatschef Bouteflika gehen weiter. Der hält an erneuter Kandidatur bei Präsidentschaftswahl im April fest

In Algerien reißen die Proteste gegen eine fünfte Amtszeit des 81jährigen Staatspräsidenten Abdelaziz Bouteflika nicht ab. Auch am Freitag zogen Tausende durch die Straßen des nordafrikanischen Landes und skandierten Parolen gegen die Kandidatur des gesundheitlich angeschlagenen Staatschefs bei der für den 18. April geplanten Präsidentschaftswahl. In »sozialen Netzwerken« war landesweit zu weiteren Großdemonstrationen mobilisiert worden. Mehrere Oppositionsparteien und Organisationen, die sich in der Vorwoche noch mit einer Unterstützung der Proteste zurückgehalten hatten, riefen diesmal explizit dazu auf, sich den Demonstrationen anzuschließen. Die Innenstadt von Algier glich bereits am Vormittag einem Hochsicherheitstrakt. Einsatzkräfte der Polizei und Beamte in Zivil waren an Hauptstraßen und größeren Plätzen wie der Grande Poste und der Place du 1er Mai postiert. Polizisten patrouillierten durch die engen Gassen des Stadtzentrums.
Die anfängliche Euphorie über die überraschend starke Mobilisierung der Bevölkerung wich derweil einer angespannten Stimmung, denn diesmal war das Regime vorgewarnt. Am Vorabend der gestrigen Proteste drehten sich die Gespräche in Cafés und Restaurants der Hauptstadt vor allem um die Frage, ob es diesmal zu ernsthafteren Ausschreitungen zwischen Sicherheitsapparat und Demonstranten kommen würde. Bislang hatte sich die Polizei meist noch zurückgehalten oder war »mit angezogener Handbremse« gegen kleinere Versammlungen vorgegangen. Am Freitag setzte die Polizei einem Bericht der Nachrichtenagentur AFP zufolge an mehreren Stellen der Stadt Tränengas ein, um die Demonstranten auseinanderzutreiben. Am Platz der Märtyrer in der Innenstadt blockierten Sondereinsatzkräfte den Demonstrationszug, auch an anderen Orten der Stadt stellten sich Sicherheitskräfte den Protestierenden in den Weg.
Unter der Woche hatten Studenten, Anwälte und Journalisten in mehreren Städten und Provinzen des Landes zu Protesten mobilisiert. Am Dienstag versammelten sich Zehntausende unter anderem in Algier, Oran, Tizi Ouzou und Adrar an den Universitäten und zogen anschließend laut und erneut betont friedlich durch die Straßen. Erneut griffen die Sicherheitsbehörden nicht ein. Nur in der Hauptstadt Algier feuerten Beamte in der Rue Didouche Mourad Tränengas in die Menge.
Anwälte protestierten am Mittwoch in Tizi Ouzou und in Annaba, wo mindestens zwei teilnehmende Juristen vorläufig verhaftet, jedoch nach einigen Stunden wieder auf freien Fuß gesetzt wurden. Am Donnerstag versammelten sich schließlich einige Dutzend Journalisten im Stadtzentrum von Algier und protestierten gegen die wenig überraschende Nichtbeachtung der Proteste durch die Staatspresse, in deren Reihen sich inzwischen aber ebenfalls Widerstand gegen die Selbstzensur regt. Einige Journalisten wurden kurzzeitig in Gewahrsam genommen, jedoch ebenfalls nach einigen Stunden wieder freigelassen.
Während die überraschend gut besuchten Proteste vom 22. Februar offenbar einen Stein ins Rollen gebracht haben, der nur noch schwierig wieder aufzuhalten sein dürfte, zeigt die 0herrschende Elite bisher wenig Einsicht. Premierminister Ahmed Ouyahia und Armeechef Ahmed Gaïd Salah hatten in den vergangenen Tagen mit warnenden Bemerkungen von sich Reden gemacht. Derweil mehren sich die Anzeichen, dass in bestimmten Teilen des Regierungslagers bereits über Alternativen zu Bouteflika nachgedacht wird. Dessen Clan hält jedoch nach wie vor an der Kandidatur des seit 1999 amtierenden Staatschefs fest.

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