Montag, 28. Januar 2019

Nach Luftangriffen: Türkischer Militärstützpunkt im Nordirak gestürmt

Aufstand gegen Besatzer

Von Nick Brauns

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Brennende türkische Militärfahrzeuge nach den Protesten im Nordirak
In der kurdischen Autonomieregion im Nordirak ist es am Samstag zu einem Aufstand gegen türkische Besatzungstruppen gekommen. In der Gemeinde Shiladze nahe der Stadt Amedi in der Provinz Dohuk stürmten Hunderte aufgebrachte Zivilisten einen Militärstützpunkt. Sie durchbrachen die Sperrzäune, setzten Gebäude und Militärfahrzuge, darunter Mercedes-Unimogs aus deutscher Lieferung, in Brand, tanzten auf Kampfpanzern und plünderten Waffen- und Munitionsdepots. Die meisten türkischen Soldaten flohen vor der Steine schmeißenden Menge. Zwei Soldaten, die in die Gewalt der Demonstranten gerieten, wurden kurdischen Sicherheitskräften übergeben. Als Soldaten schließlich das Feuer eröffneten, wurden nach Informationen der Agentur ANF ein 13jähriger Junge und ein 60jähriger Mann getötet und mindestens sechs weitere Personen zum Teil schwer verletzt. Als türkische Kampfjets im Tiefflug über die Demonstranten flogen, zerstreute sich die Menge. Ein Kamerateam des Senders NRT, das die Proteste dokumentierte, wurde von kurdischen Polizeikräften festgenommen.
Die türkische Armee unterhält im Nordirak vor allem in Grenznähe mehr als 30 zum Teil seit den 1990er Jahren bestehende Stützpunkte. Im vergangenen Jahr haben türkische Truppen zudem eine rund 30 Kilometer weit auf irakisches Staatsgebiet hineinreichende Zone besetzt. Auslöser der jetzigen Proteste waren türkische Luftangriffe, bei denen am Mittwoch vier junge Dorfbewohner bei Amedi getötet worden waren. Zudem waren am Freitag in einer Nachbargemeinde die Leichen von zwei weiteren einem Luftangriff zum Opfer gefallenen Zivilisten gefunden worden.
In den letzten vier Jahren habe es 398 Luft- und 425 Artillerieangriffe der türkischen Armee auf den Nordirak gegeben, erklärte General Jabar Yawar vom Peschmerga-Ministerium am Samstag gegenüber dem US-Sender Voice of America. Dabei seien 288 Dörfer getroffen und mindestens 20 Zivilisten getötet worden. Ankara behauptet dagegen, dass die Angriffe der Guerilla der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gelten, die im Nordirak ihre Rückzugsgebiete hat. So sprach das türkische Verteidigungsministerium auch nach dem Sturm auf den Militärstützpunkt am Samstag von einer »Provokation der terroristischen PKK«. Der Einfluss der PKK auf die Bevölkerung in der Region ist allerdings gering. Die Provinz Dohuk gilt vielmehr als Hochburg der konservativen Demokratischen Partei Kurdistans (KDP).

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