Sanfter Biss
Und ein Sinn fürs Dralle.
Von Gisela Sonnenburg![]()
Dramatisch in Szene gesetzt, mit knallharten Aussagen: George Grosz, Brillantenschieber Tatlinischer Planriss: Brillantenschieber im Café Kaiserhof, 1920, Aquarell und Collage
Foto: Sammlung Karsch/Nierendorf/Estate of George Grosz, Princeton, N.J./VG Bild-Kunst, Bonn 2018
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Bis 6. Januar 2019, Bröhan-Museum, Berlin
Die Beziehung des gebürtigen Berliners zu seiner Heimatstadt war mehr als nur die eines Künstlers zu seiner Muse. Im Herzen blieb Grosz lebenslang Berliner, auch nach seiner Auswanderung in die USA, die er, wiederum vorausschauend, schon 1932 eingefädelt und kurz vor der Machtübertragung an die Nazis 1933 vollzogen hatte. Vom Parteikommunismus hatte sich Grosz zwar 1923 durch seinen Austritt aus der KPD distanziert, aber den linken deutschen Verlagen blieb er treu, solange es sie gab.
Die Linken wollte er unbedingt erreichen: mit seiner Kunst und seiner darin formulierten Gesellschaftskritik. Vor allem soziale Ungerechtigkeit prangerte er an. Seine Zeichnungen, die in Mappen auch in hohen Auflagen vertrieben wurden, bezeugen sein Engagement. Die Motive sind oft dramatisch in Szene gesetzt, immer mit einer knallharten Aussage: Da ist das nackte, fast verhungerte Kind, das am übervollen Esstisch eines satten Reichen bettelt. Da ist der »Brillantenschieber«, der seine Blutdiamanten auf Geldwert taxiert. Da ist der geifernde Gefängniswärter, der einen flüchtenden Insassen erwischt und totschlägt.
Da ist aber auch – schon in den 20er Jahren – »Siegfried Hitler«, den Grosz kurz nach dessen misslungenem Putsch als Feind der Freiheit und der Menschenfreundlichkeit, als potentiellen Diktator erkennt. Grosz hatte ein gut entwickeltes Sensorium für die politische Entwicklung in Deutschland – und er wurde nicht müde, sie klug zu kommentieren und zur Diskussion zu stellen. Zudem hatte er das seltene Talent, bissige Kritik auf sanfte und ästhetische Weise bildnerisch zu äußern. Seinem Image als Zyniker entspricht das nicht. Insofern lässt sich Grosz neu entdecken und einordnen.
Dass der Dichter Erich Mühsam 1934 im KZ Oranienburg ermordet wurde, fasste Grosz ebenso furchtlos in eine Zeichnung, wie er einige Jahre zuvor einen Glatzkopf, der Bismarck verdammt ähnelt, als Schweinebraten dargestellt hatte. Grosz hat seine Zeitgenossen oft gewarnt – und wurde doch nicht gehört. Als freier Künstler konnte er in der Weimarer Republik recht gut überleben. Allerdings musste er drei Prozesse, unter anderem wegen Gotteslästerung, über sich ergehen lassen.
In den USA galt er dann zwar von Beginn an als einer der bedeutendsten Exilanten – aber um seine Familie zu ernähren, musste er Lehraufträge von für ihn uninteressanten Universitäten annehmen. Seine Frau Eva verdiente als Putzmacherin dazu. Sie gab ihm die Stärke und innere Freiheit, in den 50er Jahren noch einmal zu einer künstlerischen Blüte zu kommen: mit Collagen, die in ihrer Offenheit, Radikalität und Provokationskraft an Grosz’ Berliner Freund und Künstlerkollegen John He artfield erinnern.
Die erotomanen, sogar pornographischen Arbeiten, die Grosz ebenfalls in den USA fertigte, fehlen in der Ausstellung hingegen. Der einzige weibliche Akt, den Grosz hier in den amerikanischen Dünen formschön und passend zur sanft geschwungenen Landschaft plazierte, beweist seinen Sinn fürs Dralle.
Anlässlich des 100jährigen Jubiläums der Novemberrevolution in Deutschland pflegt das Bröhan-Museum aber nicht nur mit dieser Ausstellung linke Traditionen. Die zeitgleich laufende Schau »Dieter Hacker – politisch fotografieren« widmet sich der Politfotografie der 70er und 80er Jahre, die vor allem das Spießige und den Machtmissbrauch in der BRD ins Visier nahm.
Ob Berlin bald ein George-Grosz-Museum bekommt, ist hingegen nicht klar. Aber es gibt entsprechende Bemühungen – ein möglicher Standort wird noch gesucht. Ralph Jentsch, der fachlich maßgeblich den George Grosz Estate betreut, hat als Kokurator der Ausstellung im Bröhan-Musem zusammen mit Museumschef Tobias Hoffmann und der Mitarbeiterin Inga Remmers schon einmal ganze Vorarbeit geleistet.

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