IMI-Standpunkt 2018/20 - in: Neues Deutschland, 14.5.2018
Die Europäische Union will Dutzende Milliarden Euro in Militärforschung und Waffenbeschaffung investieren
von: Sabine Lösing und Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 14. Mai 2018
Dieser Beitrag ist eine leicht gekürzte Fassung erschien zuerst in Welttrends Nr. 139, Mai 2018.
Mit Vorlage des EU-Haushaltsentwurfs, der bei Abgabe des Manuskriptes
noch nicht veröffewntlicht worden war, hat sich der anvisierte Umfang
des Europäischen Verteidigungsfonds von 38,5 Mrd., wie noch hier
geschrieben, auf bis zu 48,6 Mrd. Euro erhöht (siehe IMI-Analyse 2018/12).
Es war Großbritannien, das über viele Jahre hinweg Ambitionen nach einer militärischen Unterfütterung europäischer Weltmacht ausgebremst hatte. Seit dem britischen Austrittsreferendum im Juni 2016 und zusätzlich befeuert durch die Wahl Donald Trumps wenige Monate später werden die Rufe in diese Richtung immer lauter. Unmittelbar nach der US-Wahl meinte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini dazu: »In den kommenden Monaten und Jahren – man kann sogar sagen: in diesen Stunden – wird es eine zunehmende Nachfrage nach Europa von unseren Nachbarn und unseren Partnern in der Welt geben. Die Forderung nach einem von Prinzipien geleiteten globalen Sicherheits-Dienstleister wird wachsen. Die Forderung nach einer Supermacht, die an mehrseitige Bündnisse und Zusammenarbeit glaubt.«
Genauso klingt die »Entschließung zur Umsetzung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik«, die das Europäische Parlament am 14. Dezember 2016 verabschiedete: »Das Europäische Parlament … betont, dass die EU ihre Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeiten stärken muss, da sie ihr volles Potenzial als Weltmacht nur nutzen kann, wenn sie ihre einzigartige ›Soft Power‹ im Rahmen eines umfassenden EU-Ansatzes mit ›Hard Power‹ kombiniert.«
Seither wurden zahlreiche Maßnahmen zum Ausbau des EU-Militärapparates auf den Weg gebracht, sodass EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2018 zufrieden feststellte: »Wir haben im letzten Jahr mehr Fortschritte in Sachen Europäische Verteidigungspolitik erreichen können als in den letzten 20 Jahren.«
Neben der Ende Dezember 2017 verabschiedeten Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO) ist die für 2019 anvisierte Einrichtung eines Europäischen Verteidigungsfonds (EVF) das Kronjuwel der aktuellen Rüstungsbemühungen auf EU-Ebene. Politisch ist das Vorhaben schon allein deshalb problematisch, weil der »Weltmacht EUropa« hierdurch die für erforderlich gehaltenen militärischen Fähigkeiten beiseite gestellt werden sollen. Fast noch schwerer wiegen die juristischen und daraus abgeleiteten finanziellen Auswirkungen: Denn sollte die Kommission mit ihren rechtlichen Tricksereien durchkommen, so wären künftig der nahezu schrankenlosen Verwendung des EU-Budgets für Rüstungszwecke Türen und Tore geöffnet.
Globalstrategischer Rahmen
Lediglich fünf Tage nach dem britischen Austrittsreferendum nahm der EU-Rat am 28. Juni 2016 eine neue Globalstrategie an, die seither das wichtigste Rahmendokument für die EU-Außen- und Militärpolitik ist. Das Dokument nennt als »Interessen« ein »offenes und faires Wirtschaftssystem« und den »Zugang zu Ressourcen«. Dies beinhalte den »Schutz« von Handelswegen im Indischen Ozean, im Mittelmeer, am Golf von Guinea bis hin zum Südchinesischen Meer und der Straße von Malakka. In diesen Regionen sieht sich EUropa berufen, – notfalls militärisch – für »Ordnung« zu sorgen, insbesondere in seinem unmittelbaren Umfeld: »Die EU wird sich – praxisorientiert und auf Prinzipien gestützt – für die Friedenskonsolidierung einsetzen; dabei werden wir die Bemühungen auf unsere östlichen und südlichen Nachbarregionen konzentrieren, während weiter entfernte Einsätze von Fall zu Fall erörtert werden.«
Hierfür sollen Kapazitäten für »autonome« – also unabhängig von der NATO und damit den USA durchführbare – Militärinterventionen nebst der hierfür erforderlichen industriellen Kapazitäten aufgebaut werden: »Die Mitgliedstaaten [benötigen] bei den militärischen Spitzenfähigkeiten alle wichtigen Ausrüstungen, um auf externe Krisen reagieren und die Sicherheit Europas aufrechterhalten zu können. Dies bedeutet, dass das gesamte Spektrum an land-, luft-, weltraum- und seeseitigen Fähigkeiten, einschließlich der strategischen Grundvoraussetzungen, zur Verfügung stehen muss. … Eine tragfähige, innovative und wettbewerbsfähige europäische Verteidigungsindustrie ist von wesentlicher Bedeutung für die strategische Autonomie Europas und eine glaubwürdige GSVP (Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik – die Red.).«
Kommissionsvorschlag für den EU-Rüstungsfonds
Am 14. September 2016 schaltete sich EU-Kommissionschef Juncker in die Debatte ein und forderte in seiner Rede zur Lage der Union auf Basis bereits kursierender deutsch-französischer Vorschläge erstmals explizit die Einrichtung eines EU-Rüstungshaushaltes. Daraufhin legte die EU-Kommission am 30. November 2016 mit dem Verteidigungs-Aktionsplan einen im Dezember 2016 grundsätzlich gebilligten Vorschlag vor, für die Dauer der nächsten EU-Haushaltsperiode 2021 bis 2027 einen Europäischen Verteidigungsfonds einzurichten.
Der EVF soll mit jährlich 500 Millionen Euro für Rüstungsforschung und satten 5 Milliarden Euro für die Beschaffung von Rüstungsgütern bestückt werden – zusammen also 38,5 Milliarden Euro. Am 7. Juni 2017 präsentierte die Kommission weitere Einzelheiten: Die Forschungsgelder sollen komplett und die Beschaffungskosten zu 20 Prozent dem EU-Budget entnommen werden können – den Rest müssten die Mitgliedsstaaten beisteuern. Außerdem wurde der Start des Fonds um zwei Jahre auf 2019 vorverlegt und vorgeschlagen, bis einschließlich 2020 den Betrag von 2,59 Milliarden Euro bereitzustellen (590 Millionen Euro aus dem EU-Budget).
Die Kommission legte am selben Tag einen entsprechenden Verordnungsvorschlag vor, der prioritär verabschiedet werden soll, damit der de facto Rüstungshaushalt nach Plan 2019 unter folgendem Begriff an den Start gehen kann: Europäisches Programm zur industriellen Entwicklung im Verteidigungsbereich zwecks Förderung der Wettbewerbsfähigkeit und der Innovation in der Verteidigungsindustrie der EU. Bereits in diesem – reichlich sperrigen – Titel klingt an, dass ein Kernanliegen des EVF die Förderung der Wettbewerbs- und damit auch der Exportfähigkeit der hiesigen Rüstungsindustrie darstellt. Dahinter steckt aber – und das ist für die rechtliche Bewertung des Vorhabens zentral – das übergeordnete Ziel, die militärische Schlagkraft der EU zu »verbessern«.
Rechtliche Tricksereien
Der Grund, weshalb sich die EU nicht längst einen Rüstungshaushalt zugelegt hat, findet sich in Artikel 41(2) des Vertrags von Lissabon: »Die operativen Ausgaben im Zusammenhang mit der Durchführung dieses Kapitels [EU-Außen- und Militärpolitik] gehen ebenfalls zulasten des Haushalts der Union, mit Ausnahme der Ausgaben aufgrund von Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen…« Die Passage ist eindeutig: Militärrelevante Ausgaben der Außen- und Sicherheitspolitik müssen von den Einzelstaaten bezahlt werden – der EU-Haushalt ist hierfür tabu!
Aus diesem Grund bedient sich die Kommission eines Tricks, indem als Rechtsgrundlage des EVF-Verordnungsvorschlags mit Blick auf Beschaffungsprojekte Artikel 173 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gewählt wurde. Der beschäftigt sich mit der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und Maßnahmen zu deren Förderung können aus dem EU-Budget finanziert werden. Aus Sicht der Kommission erschien es deshalb folgerichtig, für die Behandlung der Verordnung im Parlament dem Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) und nicht etwa dem Ausschuss für Auswärtiges (AFET) oder gar Verteidigung (SEDE) die Federführung zu übertragen. Allerdings ist es nicht so, dass die Kommission Maßnahmen nach Gutdünken auf jede x-beliebige Rechtsgrundlage stellen kann, wie sie gerade Lust hat, wie auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2016 besagt.
Die EU-Globalstrategie gibt das Ziel einer »autonomen« militärischen Handlungsfähigkeit aus, wofür wiederum eine »wettbewerbsfähige europäische Verteidigungsindustrie« erforderlich sei. Da die nationalstaatlichen Auftragsvolumen und Industrien hierfür als zu klein erachtet werden, kann dies nur durch Konzentrationsprozesse auf EU-Ebene gelingen, so die vorherrschende Sichtweise. Um diese Entwicklung voranzutreiben, sollen aus dem EVF nur länderübergreifende Forschungs- und Rüstungsprojekte finanziert werden, an denen sich mindestens drei Unternehmen mit Sitz in mindestens zwei Mitgliedsstaaten beteiligen. Insbesondere PESCO-Projekte sollen mit einem Hebesatz finanziert werden, sodass hier 30 Prozent der Gesamtkosten dem EVF-EU-Budget entnommen werden können.
Was die EVF-Prioritäten anbelangt, ist auch der Verordnungsvorschlag selbst eigentlich recht eindeutig: Gleich zu Beginn wird betont, »Verteidigungspolitik« sei von der Kommission »zu einem Handlungsschwerpunkt erklärt« worden. Dies erfordere »gemeinsame Investitionen in den Ausbau der Sicherheit und in die Kooperation auf allen Ebenen«. Hierfür sei es wiederum nötig, die »Wettbewerbsfähigkeit« der Industrie zu verbessern: »Damit Europa mehr Verantwortung für seine Verteidigung übernehmen kann, ist es von grundlegender Bedeutung, in der gesamten Verteidigungsindustrie der Europäischen Union die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und die Innovation zu fördern.« Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, schreibt die Kommission in aller Deutlichkeit, was Zweck und was Mittel ist: »Grundlage für die Einrichtung des Programms bilden die Bestimmungen von Artikel 173 AEUV. Sein übergeordnetes Ziel wird darin bestehen, die Kapazitäten der Verteidigungspolitik der Union im Hinblick auf die Aspekte Wettbewerbsfähigkeit und Innovation zu stärken, indem Maßnahmen in ihrer Entwicklungsphase gefördert werden.«
Es war Großbritannien, das über viele Jahre hinweg Ambitionen nach einer militärischen Unterfütterung europäischer Weltmacht ausgebremst hatte. Seit dem britischen Austrittsreferendum im Juni 2016 und zusätzlich befeuert durch die Wahl Donald Trumps wenige Monate später werden die Rufe in diese Richtung immer lauter. Unmittelbar nach der US-Wahl meinte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini dazu: »In den kommenden Monaten und Jahren – man kann sogar sagen: in diesen Stunden – wird es eine zunehmende Nachfrage nach Europa von unseren Nachbarn und unseren Partnern in der Welt geben. Die Forderung nach einem von Prinzipien geleiteten globalen Sicherheits-Dienstleister wird wachsen. Die Forderung nach einer Supermacht, die an mehrseitige Bündnisse und Zusammenarbeit glaubt.«
Genauso klingt die »Entschließung zur Umsetzung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik«, die das Europäische Parlament am 14. Dezember 2016 verabschiedete: »Das Europäische Parlament … betont, dass die EU ihre Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeiten stärken muss, da sie ihr volles Potenzial als Weltmacht nur nutzen kann, wenn sie ihre einzigartige ›Soft Power‹ im Rahmen eines umfassenden EU-Ansatzes mit ›Hard Power‹ kombiniert.«
Seither wurden zahlreiche Maßnahmen zum Ausbau des EU-Militärapparates auf den Weg gebracht, sodass EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2018 zufrieden feststellte: »Wir haben im letzten Jahr mehr Fortschritte in Sachen Europäische Verteidigungspolitik erreichen können als in den letzten 20 Jahren.«
Neben der Ende Dezember 2017 verabschiedeten Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO) ist die für 2019 anvisierte Einrichtung eines Europäischen Verteidigungsfonds (EVF) das Kronjuwel der aktuellen Rüstungsbemühungen auf EU-Ebene. Politisch ist das Vorhaben schon allein deshalb problematisch, weil der »Weltmacht EUropa« hierdurch die für erforderlich gehaltenen militärischen Fähigkeiten beiseite gestellt werden sollen. Fast noch schwerer wiegen die juristischen und daraus abgeleiteten finanziellen Auswirkungen: Denn sollte die Kommission mit ihren rechtlichen Tricksereien durchkommen, so wären künftig der nahezu schrankenlosen Verwendung des EU-Budgets für Rüstungszwecke Türen und Tore geöffnet.
Globalstrategischer Rahmen
Lediglich fünf Tage nach dem britischen Austrittsreferendum nahm der EU-Rat am 28. Juni 2016 eine neue Globalstrategie an, die seither das wichtigste Rahmendokument für die EU-Außen- und Militärpolitik ist. Das Dokument nennt als »Interessen« ein »offenes und faires Wirtschaftssystem« und den »Zugang zu Ressourcen«. Dies beinhalte den »Schutz« von Handelswegen im Indischen Ozean, im Mittelmeer, am Golf von Guinea bis hin zum Südchinesischen Meer und der Straße von Malakka. In diesen Regionen sieht sich EUropa berufen, – notfalls militärisch – für »Ordnung« zu sorgen, insbesondere in seinem unmittelbaren Umfeld: »Die EU wird sich – praxisorientiert und auf Prinzipien gestützt – für die Friedenskonsolidierung einsetzen; dabei werden wir die Bemühungen auf unsere östlichen und südlichen Nachbarregionen konzentrieren, während weiter entfernte Einsätze von Fall zu Fall erörtert werden.«
Hierfür sollen Kapazitäten für »autonome« – also unabhängig von der NATO und damit den USA durchführbare – Militärinterventionen nebst der hierfür erforderlichen industriellen Kapazitäten aufgebaut werden: »Die Mitgliedstaaten [benötigen] bei den militärischen Spitzenfähigkeiten alle wichtigen Ausrüstungen, um auf externe Krisen reagieren und die Sicherheit Europas aufrechterhalten zu können. Dies bedeutet, dass das gesamte Spektrum an land-, luft-, weltraum- und seeseitigen Fähigkeiten, einschließlich der strategischen Grundvoraussetzungen, zur Verfügung stehen muss. … Eine tragfähige, innovative und wettbewerbsfähige europäische Verteidigungsindustrie ist von wesentlicher Bedeutung für die strategische Autonomie Europas und eine glaubwürdige GSVP (Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik – die Red.).«
Kommissionsvorschlag für den EU-Rüstungsfonds
Am 14. September 2016 schaltete sich EU-Kommissionschef Juncker in die Debatte ein und forderte in seiner Rede zur Lage der Union auf Basis bereits kursierender deutsch-französischer Vorschläge erstmals explizit die Einrichtung eines EU-Rüstungshaushaltes. Daraufhin legte die EU-Kommission am 30. November 2016 mit dem Verteidigungs-Aktionsplan einen im Dezember 2016 grundsätzlich gebilligten Vorschlag vor, für die Dauer der nächsten EU-Haushaltsperiode 2021 bis 2027 einen Europäischen Verteidigungsfonds einzurichten.
Der EVF soll mit jährlich 500 Millionen Euro für Rüstungsforschung und satten 5 Milliarden Euro für die Beschaffung von Rüstungsgütern bestückt werden – zusammen also 38,5 Milliarden Euro. Am 7. Juni 2017 präsentierte die Kommission weitere Einzelheiten: Die Forschungsgelder sollen komplett und die Beschaffungskosten zu 20 Prozent dem EU-Budget entnommen werden können – den Rest müssten die Mitgliedsstaaten beisteuern. Außerdem wurde der Start des Fonds um zwei Jahre auf 2019 vorverlegt und vorgeschlagen, bis einschließlich 2020 den Betrag von 2,59 Milliarden Euro bereitzustellen (590 Millionen Euro aus dem EU-Budget).
Die Kommission legte am selben Tag einen entsprechenden Verordnungsvorschlag vor, der prioritär verabschiedet werden soll, damit der de facto Rüstungshaushalt nach Plan 2019 unter folgendem Begriff an den Start gehen kann: Europäisches Programm zur industriellen Entwicklung im Verteidigungsbereich zwecks Förderung der Wettbewerbsfähigkeit und der Innovation in der Verteidigungsindustrie der EU. Bereits in diesem – reichlich sperrigen – Titel klingt an, dass ein Kernanliegen des EVF die Förderung der Wettbewerbs- und damit auch der Exportfähigkeit der hiesigen Rüstungsindustrie darstellt. Dahinter steckt aber – und das ist für die rechtliche Bewertung des Vorhabens zentral – das übergeordnete Ziel, die militärische Schlagkraft der EU zu »verbessern«.
Rechtliche Tricksereien
Der Grund, weshalb sich die EU nicht längst einen Rüstungshaushalt zugelegt hat, findet sich in Artikel 41(2) des Vertrags von Lissabon: »Die operativen Ausgaben im Zusammenhang mit der Durchführung dieses Kapitels [EU-Außen- und Militärpolitik] gehen ebenfalls zulasten des Haushalts der Union, mit Ausnahme der Ausgaben aufgrund von Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen…« Die Passage ist eindeutig: Militärrelevante Ausgaben der Außen- und Sicherheitspolitik müssen von den Einzelstaaten bezahlt werden – der EU-Haushalt ist hierfür tabu!
Aus diesem Grund bedient sich die Kommission eines Tricks, indem als Rechtsgrundlage des EVF-Verordnungsvorschlags mit Blick auf Beschaffungsprojekte Artikel 173 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gewählt wurde. Der beschäftigt sich mit der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und Maßnahmen zu deren Förderung können aus dem EU-Budget finanziert werden. Aus Sicht der Kommission erschien es deshalb folgerichtig, für die Behandlung der Verordnung im Parlament dem Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) und nicht etwa dem Ausschuss für Auswärtiges (AFET) oder gar Verteidigung (SEDE) die Federführung zu übertragen. Allerdings ist es nicht so, dass die Kommission Maßnahmen nach Gutdünken auf jede x-beliebige Rechtsgrundlage stellen kann, wie sie gerade Lust hat, wie auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2016 besagt.
Die EU-Globalstrategie gibt das Ziel einer »autonomen« militärischen Handlungsfähigkeit aus, wofür wiederum eine »wettbewerbsfähige europäische Verteidigungsindustrie« erforderlich sei. Da die nationalstaatlichen Auftragsvolumen und Industrien hierfür als zu klein erachtet werden, kann dies nur durch Konzentrationsprozesse auf EU-Ebene gelingen, so die vorherrschende Sichtweise. Um diese Entwicklung voranzutreiben, sollen aus dem EVF nur länderübergreifende Forschungs- und Rüstungsprojekte finanziert werden, an denen sich mindestens drei Unternehmen mit Sitz in mindestens zwei Mitgliedsstaaten beteiligen. Insbesondere PESCO-Projekte sollen mit einem Hebesatz finanziert werden, sodass hier 30 Prozent der Gesamtkosten dem EVF-EU-Budget entnommen werden können.
Was die EVF-Prioritäten anbelangt, ist auch der Verordnungsvorschlag selbst eigentlich recht eindeutig: Gleich zu Beginn wird betont, »Verteidigungspolitik« sei von der Kommission »zu einem Handlungsschwerpunkt erklärt« worden. Dies erfordere »gemeinsame Investitionen in den Ausbau der Sicherheit und in die Kooperation auf allen Ebenen«. Hierfür sei es wiederum nötig, die »Wettbewerbsfähigkeit« der Industrie zu verbessern: »Damit Europa mehr Verantwortung für seine Verteidigung übernehmen kann, ist es von grundlegender Bedeutung, in der gesamten Verteidigungsindustrie der Europäischen Union die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und die Innovation zu fördern.« Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, schreibt die Kommission in aller Deutlichkeit, was Zweck und was Mittel ist: »Grundlage für die Einrichtung des Programms bilden die Bestimmungen von Artikel 173 AEUV. Sein übergeordnetes Ziel wird darin bestehen, die Kapazitäten der Verteidigungspolitik der Union im Hinblick auf die Aspekte Wettbewerbsfähigkeit und Innovation zu stärken, indem Maßnahmen in ihrer Entwicklungsphase gefördert werden.«
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen