Donnerstag, 6. Dezember 2018

Ramona Pops grüne Freiheit (Horst Schäfer)


»Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was verzählen«, dichtete einst Matthias Claudius. Das trifft auch auf Ramona Pop zu, die Wirtschaftssenatorin von Berlin und Bürgermeisterin der Grünen. Da Berlins zweitwichtigster Handelspartner – nach den USA – China ist, machte sie sich mit einer fast 50-köpfigen Wirtschaftsdelegation auf den lobenswerten und hoffentlich nützlichen Weg ins Fernöstliche.

Um der engen Zusammenarbeit mit China »einen neuen Impuls zu geben«, so heißt es in einer Pressemitteilung der Berliner Stadtregierung, habe Frau Pop in Peking eine eigene Berliner Wirtschaftsvertretung eröffnet. Die China-Reise führte auch nach Shanghai. In beiden Millionenstädten fiel den Delegationsmitgliedern vor allem der gut ausgebaute und auch funktionierende öffentliche Verkehr mit U-Bahnen und Bussen auf.

»Die Gäste aus Berlin staunen« berichtete der Korrespondent der Berliner Zeitung. Angesichts der stinkenden Dieselbusse in Berlin und anderswo ist das sicher nicht verwunderlich, denn, so das Blatt, »rund 2000 E-Busse schickt Foton, ein Staatsunternehmen, allein in Peking auf die Straße«. Und dann die simple, aber unbeantwortete Frage der Zeitung: »Warum geht so etwas eigentlich nicht in Deutschland?«

Auch Jochen Brückmann von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin war beeindruckt. »Inzwischen können wir viel von den Chinesen lernen«, sagte er dem Blatt. »In China fahren zum Beispiel die besten Elektrobusse der Welt – mit einer Ladeinfrastruktur, von der wir hier nur träumen können.«

Und was hat uns nun Ramona Pop über ihre Reise nach China zu »verzählen«? Die Wirtschaftssenatorin wurde im Oktober von der Berliner Zeitung in einem Interview mit der Feststellung konfrontiert: »Chinas Tempo ist imponierend: innerhalb von 25 Jahren das weltgrößte U-Bahnnetz gebaut, mehr als viermal größer als die Berliner U-Bahn. Berlin tut sich in solchen Dingen, sagen wir, schwerer.«

Daraufhin räumte Ramona Pop zwar ein, dass das »chinesische System« in Infrastrukturfragen »sehr gut« funktioniere. »U-Bahnen, Fernbahnstrecken, Häfen, riesige Wohnsiedlungen werden in kürzester Zeit hochgezogen« bestätigte die Senatorin. Und dann das große Aber: Das geschehe nur, »wenn die Partei das will«.
Was versucht uns die Politikerin der Grünen denn damit zu sagen? Dass die Parteien SPD und Linke, die Berliner Koalitionspartner der Grünen, nicht wollen? Oder war das etwa Kritik an ihrer eigenen Partei? Vielleicht sogar am profitorientierten und unsozialen Verkehrs- und Wohnungsbaukonzept der Bundesregierung, das ja auch in Berlin unter rot-rot-grün weitgehend praktiziert wird?

Doch die grüne Spitzenpolitikerin hatte offenbar anderes im Sinn. Denn so Ramona Pop: Innovation brauche, »wenn sie gedeihen soll«, ganz andere Bedingungen als in China. Und die wären? »Eine freie Gesellschaft mit freier Forschung ist immer innovativer als eine Gesellschaft, in der zum Beispiel das Internet nicht für alle uneingeschränkt nutzbar ist«, dozierte die Grüne. Und setzte hinzu: »Wie soll die Industrie 4.0 denn funktionieren, wenn das Netz hakt?«

Ja, aber, wo hakt es denn, das Netz? Deutschland steht in der Welt an 25. Stelle beim Ausbau des schnellen Internets. Und Berlin? An vorletzter Stelle aller 16 Bundesländer. Also ganz, ganz hinten. Die Berliner Zeitung charakterisierte noch Anfang November die Lage in Berlin mit der Schlagzeile »Lahmes Netz«!

Doch das ficht die Grüne offenbar nicht an. »Da brauchen wir keine Angst zu haben mit unserem Gesellschaftsmodell« verkündete die Stellvertreterin des Regierenden Bürgermeisters angesichts der vielen Probleme vollmundig. »Berlin ist die Stadt der Freiheit, nicht nur im symbolischen Sinne. Und da bin ich als Bürgermeisterin, als Wirtschaftssenatorin und natürlich als Berlinerin auch stolz drauf.«

Ist ja gut, Ramona Pop. Aber wie geht es nun weiter bei diesem »unserem Gesellschaftsmodell« der Grünen mit Infrastruktur, Wohnungsbau und Öffentlichem Nahverkehr in der »Stadt der Freiheit«?

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