Donnerstag, 6. Dezember 2018

Nicht über uns, sondern mit uns: Das Festival »Aka Dikhea« zeigt Filme von und über Roma und Sinti

Neue Bilder, neue Narrative




  • Von Sarah Pepin
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  • Lesedauer: 3 Min.
    • Ein Perspektivenwechsel. So könnte man den Hintergedanken des »Ake Dikhea«-Filmfestivals, des Berliner Festivals für Romani-Filme, verkürzt ausdrücken. Das Festival mit Fokus auf Filme über die Roma- und Sinti- Minderheiten, das im Kino Moviemento in Kreuzberg-Berlin gastiert, erlaubt es sowohl Roma- als auch Nicht-Roma-Filmemacher*innen, Lebenswirklichkeiten zu zeigen, die bisher eher verborgen blieben. »Man spricht jetzt nicht über uns, sondern mit uns - und wir tauschen uns auch selber untereinander aus«, sagt Hamze Bytici, der künstlerische Leiter des Festivals. Es geht um Selbstbestimmung und Selbstermächtigung, aber auch darum, die Gesellschaft mit neuen Bildern zu sensibilisieren. Die Leitung des »Ake Dikhea«-Festivals ist stolz darauf, dass ihre Held*innen endlich selber ihre Geschichten erzählen. Nur so könne man die nötigen Freiräume schaffen und neues Denken ermöglichen. Und das, meint Bytici, ist vor allem heute bitter nötig. So sei das Festival auch eine Art »Lackmustest für unsere Gesellschaft«. Die Roma-Community ist natürlich nicht frei von großen Problemen. »Es ist nicht so, dass bei uns intern alles Friede, Freude, Eierkuchen wäre, es gibt Defizite - nur ist das gängige Bild in den Medien sehr einseitig«, sagt Hamze Bytici. Nun sei es höchste Zeit, dem etwas entgegenzuhalten.
      Dafür haben Bytici und sein Team für die zweite Auflage von »Ake Di-khea« mehrere abendfüllende Spielfilme, ein Kurzfilmprogramm sowie Rahmenveranstaltungen zusammengebracht mit vielfältigen Formen und Themen - zu sehen sind Animationsfilme genauso wie dokumentarische und fiktive Narrative. Wichtig sei vor allem gewesen, Filmemacher*innen sichtbar zu machen und zu fördern.
      Árpád Bogdán ist ein solcher Regisseur. Sein Film »Ghetto Balboa« eröffnet das Festival und feiert gleichzeitig seine Deutschlandpremiere. Es ist eine bewegende Dokumentation über Zoltan Szabo, einen jungen Mann, der im 8. Distrikt Budapests aufwächst. Mihály Sipos, der selber eine schwere Vergangenheit mit Drogen und Mafia hat, ist sein Boxtrainer. Gleichzeitig fungiert er für Zoltan und andere Jungen aus dem Viertel als Vaterfigur. Der Film erzählt einfühlsam von einem Aufstieg aus der Perspektivlosigkeit, über neue Chancen und wie sie aus den Händen zu gleiten drohen. Regisseur Bogdán selbst wuchs in einem Kinderheim auf.
      Einen selten gesehenen Einblick ermöglicht ebenso »Valentina«, Maximilian Feldmanns Schwarz-Weiß-Werk über die gleichnamige Protagonistin: ein Mädchen, das mit seiner Familie in Mazedonien lebt. Der Film hatte vor zwei Jahren auf der Berlinale Premiere und wurde dort zu Recht gefeiert. Denn Feldmanns eindrückliche Bilder beschönigen rein gar nichts: weder die Federn, die nach dem Hühnerschlachten im kalten Regen liegen bleiben, noch die Armut und den Bettelalltag, also das Leben außerhalb der Gesellschaft, das die Familie führt. Dennoch ist es ein zutiefst humaner Film, was nicht zuletzt der äußerst sympathisch-frechen Valentina geschuldet ist.
    • In Hamze Byticis eigenem Kurzfilm »Jozka« geht es um die fehlende Anerkennung der Minderheiten. Bytici begleitet Jozef Miker, einen pensionierten Minenarbeiter, bei seinem Kampf gegen eine Schweinefarm, die in einem tschechischen Dorf über das nationalsozialistische »Zigeunerlager« gebaut wurde. Dort wurden im Zweiten Weltkrieg Tausende Roma und Sinti ermordet. Miker wünscht sich den Abriss - und sucht damit stellvertretend für die Familie seiner Frau wie für alle Roma und Sinti nach Repräsentation, nach Gedenken.
      Kino Moviemento Berlin, 6. bis 10. Dezember; www.roma-filmfestival.com

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