Dienstag, 11. Dezember 2018

Bahn muss sich bewegen


Gewerkschaft EVG legt mit vierstündigem Warnstreik weite Teile der Republik lahm. Tarifverhandlungen werden am Dienstag fortgesetzt

Von Simon Zeise
Warnstreik_bei_der_D_59667297.jpg
Beschäftigte der Bahn traten am Duisburger Hauptbahnhof in den Ausstand (10.12.2018)
Das hatte gesessen. Nur für vier Stunden legten am Montag morgen die Eisenbahner ihre Arbeit nieder, und schon ging fast nichts mehr. Als Reaktion auf ein zu geringes Tarifangebot des Bahn-Managements traten die Mitglieder der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) von fünf bis neun Uhr in den Streik. Bundesweit wurde der Berufsverkehr eingeschränkt. In Bayern waren die Gleise fast flächendeckend tot. In weiten Teilen Baden-Württembergs, Nordrhein-Westfalens, an der Ostsee- und Nordseeküste standen die Räder still. Auch der S-Bahn-Verkehr in Ballungsräumen wie Berlin, München, Hannover und Frankfurt am Main war betroffen. Bundesweit blieben insgesamt über 1.400 Züge im Depot, darunter auch im Güterverkehr. Weil die Deutsche Bahn den größten Teil des Zugverkehrs in Deutschland kontrolliert, waren mittelbar auch andere Bahngesellschaften von dem Streik betroffen.
»Die Wucht des Warnstreiks hat gezeigt, wie groß der Unmut der Kolleginnen und Kollegen ist«, erklärte der Bundesgeschäftsführer der EVG, Torsten Westphal. »Wir denken eben auch, dass es ein deutliches Zeichen Richtung Bahnvorstand war, der sich nun zu bewegen hat.« Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann, der im Berliner S-Bahn-Verkehr steckenblieb, sagte, die Bevölkerung erwarte, »dass die Bahnbeschäftigten einen ordentlichen Lohn bekommen und ordentliche Arbeitszeiten. Dafür ist das Verständnis heute sehr groß gewesen.« Die Konzernspitze sprach hingegen von einer »völlig überflüssigen Eskalation«. Die beiden Parteien seien bereits vorher einer Einigung sehr nah gewesen. Durch die sehr kurzfristige und allgemein gehaltene Ankündigung habe die Bahn keinen Ersatzfahrplan mehr erstellen können.
Die EVG hatte am Samstag die Tarifverhandlungen in Hannover abgebrochen und angekündigt, sie erst nach einem verbesserten Angebot der Deutschen Bahn wieder aufzunehmen. Die Gewerkschaft fordert 7,5 Prozent mehr Geld; das Management habe ein Prozent zu wenig geboten.
Die unterbrochenen Tarifverhandlungen werden am Dienstag nachmittag in Berlin fortgesetzt. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) wird separat in Eisenach in Tarifverhandlungen treten. Die sonst streikfreudige Spartengewerkschaft hält bislang die Füße still. Sie hat in der vergangenen Tarifrunde dem Bahnvorstand vertraglich zugesichert, vom Arbeitskampf abzulassen und statt dessen in ein Schlichtungsverfahren zu treten.
Ab Montag mittag kam der Verkehr langsam wieder in Schwung. Mit planmäßigen Fahrten im Fernverkehr ist jedoch erst wieder am Dienstag zu rechnen. Wegen des Streiks konnten Züge nicht planmäßig gewartet und Personal nicht rechtzeitig zu den Einsatzorten gebracht werden. Weil der Bahnvorstand das Unternehmen auf Effizienz trimmt, haben sich Verspätungen bei Fernzügen zuletzt bereits gehäuft. Fast ein Drittel aller ICE und IC waren verspätet. Das Pünktlichkeitsziel von mehr als 80 Prozent kann die Bahn eigenen Planungen zufolge erst 2025 erreichen. Das Schienennetz muss dringend flächendeckend erneuert werden. Dem Konzern fehlen 20.000 Mitarbeiter. Gleichzeitig wurden am Sonntag die Preise im Fernverkehr um weitere 1,9 Prozent angehoben. Am Freitag hatte der Bundesrechnungshof das Geschäftsmodell der Bahn infrage gestellt. Gewinnmaximierung und Auslandsbeteiligungen vertrügen sich nicht mit dem Auftrag des Bundes, zuverlässigen Schienenverkehr zu gewährleisten.

https://www.jungewelt.de/artikel/345189.arbeitskampf-bahn-muss-sich-bewegen.html

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen