Sonntag, 11. November 2018

USA: Überwachen und Strafen 07.11.18


george major.tilleryKein Freigang, keine Besuche, schlechtes Essen, miserable Gesundheitsversorgung. Ein Blick hinter Mauern und Stacheldraht des gefängnisindustriellen Komplexes der USA
Von George »Major« Tillery

Übersetzung: Jürgen Heiser
Information zum Autor: justiceformajortillery.org
Postadresse: George »Major« Tillery, SCI Frackville, 1111 Altamont Blvd., Frackville, PA 17931, USA
Den folgenden Text hat der Inhaftierte George »Major« Tillery am 12. Oktober 2018 veröffentlicht. Gegen die darin beschriebenen Zustände in den Knästen der USA wehren sich die Häftlinge immer häufiger.
Sie streiken. Der bisher letzte Streik fand vom 21. August bis zum 9. September in 34 Haftanstalten in insgesamt 17 US-Bundesstaaten statt. Der 68jährige Autor, der seit 35 Jahren eingesperrt ist und als rechtskundiger »Jailhouse Lawyer« nicht nur für seine Freiheit und seine Rechte eintritt, beschreibt in erster Person und mitten aus dem Kampfgeschehen, wie es der Mehrheit der 2,3 Millionen gefangenen Frauen, Männer und Jugendlichen hinter Mauern und Stacheldraht des gefängnisindustriellen Komplexes der USA Tag für Tag ergeht. (jW)
Der am 29. August 2018 gegen 47.000 Gefangene durchgesetzte Zelleneinschluss in den 25 Gefängnissen des US-Bundesstaats Pennsylvania dauerte insgesamt zwölf Tage. Gedeckt von Gouverneur Thomas Wolf (Demokraten), erklärte der Republikaner John Wetzel, Leiter des »Department of Corrections« (DOC), der Gefängnisbehörde des Bundesstaats, den Zelleneinschluss zu einer Sofortmaßnahme, die dem Schutz der Wärter diene. Infolge ihres Kontakts mit synthetischen Drogen, die auf verschiedenen Wegen in den Besitz von Gefangenen gelangt sein sollen, seien zahlreiche Bedienstete erkrankt. Diese Behauptung Wetzels ist eine Lüge. Für die gefangenen Männer und Frauen bedeutete der Einschluss: kein Hofgang, kein stundenweiser Aufschluss der Zellen mit Bewegungsfreiheit auf der Station. Nur gelegentliches Duschen. Kein Gemeinschaftsessen in der Kantine. Die Wärter brachten das Essen zu den Zellen. Kein Zugang zur Knastbibliothek mit der juristischen Literatur. Kein Einkauf im Kommissionsladen der Anstalt. Tagelang keine Arzneien für die Gefangenen. Verbot jeglichen Kontakts mit der Außenwelt: keine Besuche, keine Post, Verbot der wöchentlichen Telefonate nach draußen. Weil auch der Transport von Gefangenen untersagt war, verpassten Häftlinge ihre Gerichtstermine. Selbst amtliche Schreiben von Gerichten und Staatsanwaltschaften wurden den Gefangenen nicht ausgehändigt, sondern an die Absender zurückgeschickt.
Diese Haftbedingungen waren schlimmer als Isolationshaft in einem fensterlosen »Loch«. Im nachhinein erweist sich der Einschluss samt der zusätzlichen Haftverschärfungen als eine bewusst geplante Präventivmaßnahme, mit der verhindert werden sollte, dass sich der für den 21. August bis 9. September 2018 angekündigte landesweite Gefangenenstreik auch in Pennsylvanias Haftanstalten ausbreitete. Die angebliche »Bedrohung der Wärter durch eingeschmuggelte Drogen« diente nur als Vorwand, um alle Gefangenen isolieren, schikanieren und besser kontrollieren zu können. Und das nicht nur während der mit dem Einschluss verbundenen Kontaktsperre. Beabsichtigt war, diese Einschränkungen zum Normalzustand zu erheben. Künftig sollen generell Besuche und die persönliche Kommunikation per Post dauerhaft unterbunden werden können. Auch die gesetzlich garantierte Vertraulichkeit der Verteidigerpost soll ausgehebelt werden. Ferner soll Gefangenen das Recht genommen werden, wie bisher Zeitungen, Zeitschriften und Literatur von jeder Buchhandlung außerhalb der Gefängnisanstalten beziehen zu können. Dafür soll ab sofort ausschließlich eine zentrale Beschaffungsstelle des DOC zuständig sein.
Mit all diesen Maßnahmen geht es der Leitung des DOC darum, die gesamten Außenkontakte aller Insassen ihrer vollständigen Kontrolle und Zensur zu unterwerfen. Als Neuerung wurde angeordnet, fortan alle eingehenden persönlichen Postsendungen samt Beigaben wie beispielsweise Kinderzeichnungen von einer Privatfirma in Florida digitalisieren zu lassen und in einer nur staatlichen Behörden zugänglichen Datenbank zu speichern. Die Gefangenen sollen dann mit einiger Zeitverzögerung nur noch schlechte Papierausdrucke der angelegten Dateien erhalten. Alle Originale werden nach dem Scannen vernichtet.
Die geschätzten Kosten während der Anfangsphase dieses neuen Postzensurverfahrens liegen voraussichtlich bei 15 Millionen US-Dollar. Inbegriffen ist dabei auch die Anschaffung von Kameradrohnen zur Luftüberwachung der Gefängnisse im Namen von »Sicherheit und Ordnung der Anstalt«. Die laufenden Kosten allein für die digitalisierte Postüberwachung sollen sich auf vier Millionen US-Dollar jährlich belaufen. Auf der anderen Seite gibt das DOC vor, keine Mittel zur Verfügung zu haben, um die rund 6.000 Gefangenen, die allein in Pennsylvania an dem potentiell tödlichen Hepatitis-C-Virus erkrankt sind, zu behandeln und zu heilen. Auch die Weigerung, für ältere Häftlinge eine angemessene medizinische Versorgung und dringend notwendige Sozialprogramme bereitzustellen, wird regelmäßig mit fehlenden Finanzen gerechtfertigt. In Pennsylvania gibt es mehr als 10.400 Häftlinge im Alter von über 50 Jahren. Das ist fast ein Viertel aller Insassen in den gut zwei Dutzend Staatsgefängnissen.
Brutale Prävention
Ein Wärter hier in Frackville brachte es klar auf den Punkt: Der Einschluss aller Gefangenen in Pennsylvania richtete sich gegen den für den 21. August 2018 angekündigten Arbeitsstreik in den US-Knästen. Das DOC konfiszierte alle Zeitungen mit Artikeln über den geplanten Streik, beispielsweise die San Francisco Bay View und die Workers World, Wochenzeitung der Workers World Party. Nachdem der Streik beendet und der Einschluss aufgehoben war, wurden mir diese Zeitungen wieder ausgehändigt. Weder die Protokolle des DOC noch die Gutachten von Toxikologen und Ärzten stützen die als Vorwand genutzten Behauptungen, die Gesundheit der Wärter sei durch eingeschmuggelte Drogen gefährdet worden. In den Akten des DOC finden sich keinerlei Hinweise darauf, dass die Gefängnisse mit neuen synthetischen Drogen »überschwemmt« wurden, keine Aufzeichnungen über tatsächliche Erkrankungen, keine Befunde medizinischer Untersuchungen oder Behandlungen.
Am 7. September 2018 erschien in der Tageszeitung Philadelphia Inquirer ein Artikel mit der Schlagzeile: »Pennsylvanias Gefängnisse gaben 15 Millionen US-Dollar aus, nachdem Wärter durch die Droge ›K2‹ erkrankt waren. Wie aber, wenn sich das nur in ihren Köpfen abspielte?«¹ Im Artikel hieß es: »Toxikologen erklären, eine wahrscheinliche Diagnose für die Krankenstände unter dem Anstaltspersonal sei eine Massenpsychose. Das ist eine Art ansteckender Hysterie, die durch Ängste angefacht wird, man könnte einer Gefahr ausgesetzt sein.« Der Direktor der Abteilung für Medizinische Toxikologie an der Perelman School of Medicine der University of Pennsylvania wird in dem Artikel mit den Worten zitiert: »Massenpsychosen kommen häufig vor. Bei den Strafverfolgungsbehörden beobachten wir das permanent.«
Das DOC verschweigt zudem, dass es Gefängniswärter gibt, die Drogen schmuggeln und an Häftlinge verkaufen. Damit machen sie Geld. Wo sind die Berichte über diese Drogengeschäfte und Fälle von Drogenkonsum unter Gefängnisbeamten? Drogenhunde entdeckten in Frackville auf dem Parkplatz bei zwei Wärtern Drogen. Wo sind die Berichte über Wärter, die auf Entzug sind und wegen Drogenkonsums suspendiert wurden?
Widerstand der Gefangenen
Das Trinkwasser in vielen Gefängnissen Pennsylvanias ist schmutzig und kontaminiert. So auch in der »State Correctional Institution« (SCI) Frackville. Nach Beschwerden von Häftlingen, deren Familien und Freunden bekamen wir für kurze Zeit Wasser in Flaschen. Doch obwohl das DOC darauf beharrt, das Wasser sei absolut rein, werden die Wärter weiterhin mit Mineralwasser versorgt. Während des Einschlusses herrschte große Hitze in den Zellen, weshalb auch an Häftlinge Mineralwasserflaschen verteilt wurden, um möglicher Kritik zu begegnen.
Am Anfang taten die Wärter so, als ob sie der Einschluss nichts anginge. Das änderte sich, als die Stationsbeamten erkannten, dass sie nun die Arbeit der Gefangenen erledigen mussten. Sie kochten vor Wut und fluchten, wenn sie die Essenstabletts zu den Zellen brachten, später das leere Geschirr und den Müll abholten und die Flure fegen mussten. Sie rächten sich, indem sie das Essen zusammenpanschten. Wir waren besorgt, das Essen könnte verunreinigt worden sein, und beschwerten uns. Antwort der Wärter: »Ihr fresst den Scheiß, verdammt noch mal, so wie ihr ihn kriegt!« Sie behandelten uns wie Tiere. Daraufhin nahmen wir den Streik auf.
In unserem Knast war also das feindselige Verhalten der Wärter der Auslöser. Vom dritten Tag des Einschlusses bis zu seinem Ende weigerten sich 80 Männer im B-Block, die Essenstabletts anzunehmen. Beamte des DOC versuchten eine Ausweitung des Streiks auf andere Gefängnisse zu verhindern und setzten dazu 14 oder 15 »Unterhändler« in Marsch. Dies waren Wärter und übriges Knastpersonal, darunter Krankenschwestern und als Mediatoren geschulte Häftlinge. Alle trugen schwarze T-Shirts mit dem in weißen Buchstaben aufgedruckten Wort »Unterhändler«. Diese Unterhändler sprachen allerdings nicht mit älteren und erfahrenen Gefangenen, zu denen auch ich gehöre, also nicht mit denjenigen, die sich häufig für ihre eigenen und die Rechte ihrer Mitgefangenen einsetzen und Beschwerden gegen Missstände verfassen. Die Unterhändler nahmen vor allem jüngere, unerfahrene Leute ins Visier.
In allen Gefängnissen gibt es Häftlinge, die um das Wohlwollen der Knastbeamten buhlen und sich bemühen, andere Gefangene von Solidaritätsaktionen abzuhalten. Wie wir hörten, verweigerten aber auch Mitgefangene in anderen Zellenblöcken die Annahme des Essens. Die Knastleitung nahm dann den Druck etwas zurück und lockerte die mit dem Einschluss verbundenen Verschärfungen wieder. Sie ließ kleine Gruppen von Gefangenen in die Anstaltsküche bringen, wo man ihnen Eiswaffeln und Sonderrationen zu essen gab. Das sollte zur Beruhigung der aufgeheizten Atmosphäre unter den Insassen beitragen und das Knastklima wieder herunterkühlen. Vor allem sollten die Häftlinge des B-Blocks dazu gebracht werden, den Hungerstreik abzubrechen.
Doch nicht alle Gefangenen ließen sich auf diese Weise bestechen. Als der Einschluss am 9. September, dem letzten Tag des befristeten Streiks, aufgehoben wurde, verweigerten immer noch vierzehn Männer die Nahrungsaufnahme. Die Wärter nahmen daraufhin den B-Block auseinander. Drei Gefangene wurden sofort verlegt. Wegen der Anschuldigung, zum Streik »aufgewiegelt« zu haben, wurde ein junger Mitgefangener ins »Loch« geworfen, obwohl seine Akte ihn als Gefangenen mit psychischen Problemen auswies. Vor lauter Stress, nun allein rund um die Uhr im »Loch« eingesperrt zu sein, schrie er die ganze Zeit. Andere Gefangene setzten sich für ihn ein. Auch die Blockverwalterin Rita Styka informierte ihre Vorgesetzten über die psychischen Probleme des Inhaftierten. Trotzdem wurde er erst am 21. September wieder in eine normale Zelle verlegt.
Nach Ende des Einschlusses wurde die Verteilung von Wasserflaschen gestoppt. Auf meine Beschwerde bei Anstaltsleiterin Kathy Brittain erhielt ich die Antwort, das sei eine »reine Gefälligkeit« gewesen. Sie mache aus dem Leitungswasser sogar Wassereis für ihre Kinder. Eine unglaubliche Behauptung. Das DOC kündigte ein 90tägiges Verbot an, Snacks aus den Automaten in den Besuchsräumen zu ziehen oder Fotos zu machen. Auch für diese Maßnahmen wird als Grund der Drogenschmuggel in die Anstalt angegeben.

Major Tillery, 68 Jahre alt, eingesperrt seit 35 Jahren
Wie man mit den Snack- und Getränkeautomaten oder beim Knipsen von Fotos Drogen einschmuggeln kann, bleibt das Geheimnis des DOC. Das ist einfach lächerlich. Der einzige Grund besteht darin, Familien bestrafen und die Gefangenen entmenschlichen zu wollen. Die Gefangenen sind meist Schwarze oder Latinos, die wie ihre Besucher aus größeren Städten stammen. Die Knäste dagegen liegen viele Fahrtstunden davon entfernt in ländlichen Gebieten. Das Verbot, Snacks und Getränke zu kaufen, die auch nicht mitgebracht werden dürfen, erschwert oder verhindert den Besuch von Kindern, Senioren oder Menschen mit medizinischen Problemen. Deshalb sind diese Verbote auch ein Angriff auf die zumeist betroffenen schwarzen und hispanischen Familien. In den ersten Tagen nach Ende des Einschlusses waren mehr Wärter als Angehörige im Besuchsraum. Man hörte Bemerkungen von Aufsehern wie: »So sollte es immer sein«, »Warum machen die überhaupt Besuche?« und »Müssen diese Leute nicht arbeiten?«
Kranke, Alte und Lebenslängliche
Der Bundesstaat mit seinen 47.000 gefangenen Männern und Frauen hat den zweithöchsten Anteil älterer Häftlinge in den USA. Zum 1. Januar 2018 meldete das DOC 10.442 Häftlinge im Alter von über 50 Jahren. 5.400 Häftlinge sitzen lebenslange Strafen ohne Aussicht auf vorzeitige Entlassung ab. Das heißt, sie haben nur eine geringe oder gar keine Hoffnung, je lebend aus dem Gefängnis herauszukommen.
Die medizinische Versorgung hinter Gittern ist unzureichend; oft wird sie fahrlässig unterlassen. Verschärft wird die Situation für alle, die älter sind und Jahrzehnte der Haft hinter sich haben, durch schlechtes Essen und unreines Trinkwasser. Die häufigsten Todesursachen in den Staatsgefängnissen sind Herz- und Lebererkrankungen sowie Krebs. Mehr als 6.000 Gefangene sind akut mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert, was oft zu Leberkrebs führt und sekundäre Erkrankungen der Haut und Gelenke nach sich zieht. Obwohl die Folgen der Infektion geheilt werden können, lehnt das DOC die Behandlung aus Kostengründen solange ab, bis ein Häftling in Lebensgefahr schwebt.
Im Klageverfahren von Mumia Abu-Jamal ordnete ein Bundesrichter an, das DOC müsse ihm das Medikament mit dem sicheren Heilerfolg verabreichen lassen. Das Argument des DOC, es sei zu teuer, ließ der Jurist nicht gelten und erklärte es für verfassungswidrig. Auch einige von uns setzten erst nach Androhung einer Klage durch, dass sie mit dem teuren Medikament behandelt wurden. Doch für manche kam die Behandlung zu spät, sie starben.
Solange es um Gesundheit und Leben von Häftlingen geht, will niemand dafür Geld in die Hand nehmen. Anders sieht es mit den Millionen aus, die für sogenannte Sicherheitsmaßnahmen zur Abwendung eines relativ geringen Drogenproblems ausgegeben werden.
Seit Dezember 2017 kämpfe ich mit Unterstützung von Mitgefangenen darum, die respektlose Behandlung von Senioren im Knast von Frackville zu beenden. Dabei geht es um Verbesserungen der Zellenunterbringung, zusätzliche Decken und Kaltwetterkleidung (Handschuhe, Mützen, Rollkragenpullis) sowie ein Aktivitätenprogramm für Senioren und ein Mentorenprogramm mit jüngeren Häftlingen. Das DOC lehnt die Gewährung dieser Haftverbesserungen für ältere Gefangene jedoch ab.
Seit Monaten arbeite ich gemeinsam mit anderen Gefangenen daran, dass für über 50jährige Gefangene in der SCI Frackville angemessene Sozialprogramme eingerichtet werden. Jeder Schritt war ein Kampf. Viele Anträge wurden aus finanziellen Gründen abgelehnt. Für das angedachte »Programm zur Lebensverbesserung für über 50jährige Häftlinge« werden keine Mittel bereitgestellt. Auch dagegen habe ich Beschwerden eingereicht, und wir haben versucht, das öffentlich zu machen. Siebzig von uns nehmen jetzt am Aktivitätsprogramm für Senioren teil. Die anfangs zwei Stunden wöchentlich wurden dann auf eine reduziert. Die Gründe für die Einschränkungen sind unsinnig. Zu den Sitzungen dürfen wir keine Zeitungen zum Lesen mitbringen, ganz einfach weil Peter Damiter, stellvertretender Anstaltschef, der die Aktivitäten leitet, sagte, er »mag es nicht«. Damiter sagte einmal zu mir: »Ich würde jedem alten Gefangenen meinen Fuß ins Genick setzen, wenn ich dafür hübsche Nike-Sneaker für die Füße meiner Kinder bekäme.«
Im Namen einer Gruppe älterer Gefangener habe ich am 2. Oktober 2018 eine Beschwerde gegen Pennsylvanias Justizminister Josh Shapiro (Demokraten) sowie gegen DOC-Leiter John Wetzel und Anstaltsleiterin Kathy Brittain eingereicht und gleichzeitig die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Peter Damiter wegen »Zweckentfremdung von Geldern« beantragt. Die für die Aktivitäten älterer Häftlinge bestimmten Gelder entstammen Haushaltsmitteln des DOC sowie einem Wohltätigkeitsfonds. Uns wurden Dokumente zugänglich gemacht, die belegen, dass Damiter aus diesen Geldern hohe Summen an Freunde abzweigte, die dafür angeblich aus sozialen Brennpunkten stammende schwarze und hispanische Gefangene in Sportarten wie Basketball, American Football und Fußball trainieren. Zur Vergabe dieser Jobs wurden jedoch nie Stellen ausgeschrieben, wie es Vorschrift ist. Es wurden dafür auch keine afro- oder hispanoamerikanischen Bewerber in Betracht gezogen. Es scheint, dass Damiter vielmehr für die von ihm gesteuerte Jobvergabe Schmiergelder bezieht. Deshalb halten wir es für notwendig, die Buchhaltung hinsichtlich dieser Mittel dringend zu überprüfen.
Kollektivstrafen und Schikanen
Im Februar 2018 wurde in Frackville ein Insasse, der Stiefel der Marke Timberland trug, beschuldigt, einen Wärter derart heftig getreten zu haben, dass dieser Tage später starb. Der Leiter der Vereinigung der Gefängniswärter forderte daraufhin, allen Häftlingen in Pennsylvania das Tragen von Boots zu verbieten. Daraufhin ordnete das DOC an, alle Boots dieser Marke in sämtlichen Haftanstalten zu beschlagnahmen. Vielleicht die Hälfte aller männlichen Insassen besaß diese angesagten Stiefel, für die sie oder ihre Familien mehr als hundert US-Dollar pro Paar bezahlt hatten. Die Beschlagnahme sollte entschädigungslos erfolgen. Allein in Frackville gab es gegen den Diebstahl der Boots mindestens 300 Beschwerden. Darüber hinaus reichten Gefangene im ganzen Bundesstaat Klage bei den Gerichten gegen die Beschlagnahme ein. Eine rechtskräftige Entscheidung steht noch aus.
Die spontane Auflehnung der Gefangenen gegen die kollektive Bestrafung durch das DOC ist aber ein Hinweis darauf, wie sehr es unter der Oberfläche in allen Knästen brodelt. Die Ursache liegt in den täglich zunehmenden Misshandlungen und Schikanen gegen Häftlinge: Als im Juli Pennsylvanias neuer, 400 Millionen US-Dollar teurer Hochsicherheitsgefängniskomplex Phoenix in Montgomery County bezogen wurde, blieb für die aus dem alten Graterford-Gefängnis verlegten rund 2.600 Häftlinge beim angeblichen »Neuanfang« alles beim Alten. In zahlreichen Beschwerden beklagten sie den Verlust oder die Zerstörung ihrer persönlichen Habe während des Umzugs. Sie beschrieben rassistische Schmähungen und sexistische Kritzeleien, mit denen Briefe oder Fotografien ihrer Angehörigen verunstaltet worden waren.
Vor dem Zelleneinschluss hatten hier in Frackville die Belästigungen vor allem von weiblichen Besuchern zugenommen, unter anderem durch die unbegründete Anordnung sogenannter kontaktloser Besuche oder die Abweisung der oft von weither angereisten Angehörigen. So erging es einer 80jährigen Großmutter, die eigens aus New Jersey gekommen war, um ihren Enkel zu sehen. Nach der Leibesvisitation wurde sie jedoch wieder vor die Tür gesetzt und musste nach Hause fahren, ohne ihren Enkel gesehen zu haben. Der Grund: Der Körperscanner ist so scharf eingestellt, dass er schon beim kleinsten Metallhaken eines BH anschlägt. Diese Schikanen sind an der Tagesordnung. Sie bringen die Gefangenen mehr und mehr gegen den Staat auf, und den frustrierten Angehörigen bleibt nichts, als wütend die Faust in der Tasche zu ballen. Egal, ob es um Schikanen bei Besuchen, um die schlechte Gesundheitsversorgung oder das Altern hinter Gittern geht, um Behinderungen beim Verschicken privater Briefe oder das Ausspähen von Verteidigerpost, um den Bezug von Büchern und Zeitungen oder die Verschärfung der Haftbedingungen insgesamt: Es gibt in der Politik von Pennsylvanias DOC nicht einen Hauch von Menschlichkeit und Respekt. Dieses Gefängnissystem ist korrupt und repressiv.
Anmerkung
1 »K2« ist eine Bezeichnung für synthetische Cannabinoide

junge Welt 30.10.18

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