Sonntag, 11. November 2018

US-Wahl stärkt Demokraten wie Republikaner - und die Spaltung des Landes

Denkzettel für Trump



Die Kongresswahl in den USA hat die Prognosen der Meinungsforschung bestätigt und damit deren Arbeit, die bei der Wahl von Präsident Donald Trump vor zwei Jahren so versagt hatte, rehabilitiert. Das Ergebnis vom Dienstag ist zwiespältig. Es liefert den regierenden Republikanern und ihrem Präsidenten ebenso wie den oppositionellen Demokraten Grund zum Optimismus - und zur Besorgnis. Die Republikaner, die bisher beide Kammern des Kongresses kontrollierten, büßten nach acht Jahren die Mehrheit im Repräsentantenhaus ein, bauten sie im Senat aber aus, was Trump als »big victory« bezeichnete.
Die Demokratische Partei besitzt mit dem Gewinn von nach letztem Stand 26 Mandaten künftig die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Damit hat sie für die Innen- und Gesellschaftspolitik bessere Möglichkeiten, Vorhaben des Präsidenten und der Republikaner zu kontrollieren oder zu verhindern und selbst Schwerpunkte zu setzen. Die Gewaltenteilung wird auf dem Weg zur Präsidentschaftswahl 2020 wieder stärker zur Geltung kommen. Das ist kein Desaster, aber ein Denkzettel für den Präsidenten, der die Wahl wie keiner seiner Vorgänger seit Lebzeiten zum Referendum über die eigene Person machte und 50 Mal selbst auf Kundgebungen auftrat, obwohl er nicht zur Wahl stand.
Die Demokraten lassen mit dem Ergebnis einen Teil des Traumas der Hillary-Clinton-Niederlage vom Herbst 2016 hinter sich und tanken Selbstbewusstsein, namentlich aus den Rekorderfolgen weiblicher Kandidaten. Die mutmaßlich künftige Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, verkündete in der Wahlnacht: »Morgen beginnt ein neuer Tag für Amerika!« Doch die Demokraten, Parteifarbe blau, können nicht übersehen, dass bundesweit eine »blaue Welle« ausblieb. E
rmutigenden Siegen - der Einzug der 29-jährigen New Yorker Sozialistin und Latina Alexandria Ocasio-Cortes oder der Muslimin Rashida Tlaib aus Michigan ins Abgeordnetenhaus - stehen Enttäuschungen gegenüber: Die beiden schwarzen und inhaltlich progressiv auftretenden Kandidaten für das Gouverneursamt, also den Regierungschef eines Bundesstaats, in Georgia und Florida, Stacey Abrams und Andrew Gillum, verloren gegen rassistische Republikaner. Auch der als neuer Kennedy gefeierte Senatsanwärter Beto O’Rourke, der einen weltoffenen Wahlkampf mit Aufholdynamik geführt hatte, verlor am Ende in Texas gegen den republikanischen Amtsinhaber Ted Cruz.
Bei den »Midterms« standen das gesamte Repräsentantenhaus, ein Drittel des Senats, 36 Gouverneure sowie weitere vor allem regional wichtige Posten in Justiz und Verwaltung zur Wahl. Der einzige Urnengang, der alle 50 Bundesstaaten betraf und nationale Aussagekraft besitzt, war die Wahl zum Repräsentanten-/Abgeordnetenhaus im Kapitol. Der Verlust der Kontrollmehrheit für Trumps Republikaner in diesem Gremium schafft für den Präsidenten eine neue Lage. Erstmals sieht er sich mit Beginn der neuen Legislaturperiode Mitte Januar einer demokratisch dominierten Kammer gegenüber. Das verändert das Machtgefüge zugunsten der Demokraten und zulasten des Präsidenten.
Die Demokraten können im neuen »House« Ermittlungsverfahren anstoßen, etwa um Verstrickungen der Republikaner mit russischen Spitzenquellen im Vorfeld von Trumps Wahl oder aber zu den nach wie vor geheimen Steuererklärungen des Präsidenten zu untersuchen. Vor allem Letzteres werden die Demokraten betreiben, zumal die »New York Times« vor einem Monat milliardenschwere Steuervermeidung durch Trumps Familie enthüllte. Trump-Biograf und -Kenner David Cay Johnston erklärte, die Offenlegung zeige, »dass Trump als Krimineller Weltklasse ist«. Johnston erinnerte daran, dass sowohl für den Staat New York als auch für die Bundesregierung Steuerbetrug nicht verjährt und diese Trump und Geschwister verklagen sowie mit Zins und Strafe belegen könnten. »Was wir brauchen, sind Trumps Steuererklärungen aus dem 21. Jahrhundert sowie die Buchhaltung und die Akten dahinter. Der Kongress hat die Macht, diese Dokumente einzufordern.«
Ein anderer Schritt, zu dem das Repräsentantenhaus befugt wäre, ist dagegen unwahrscheinlich: die Einleitung eines Verfahrens zur Amtsenthebung des Präsidenten wegen der Russland-Affäre. Zwar steht der Untersuchungsbericht von Sonderermittler Robert Mueller aus, doch die Demokraten wissen, dass ihre Mehrheit im Abgeordnetenhaus nicht reicht, um ein Impeachment auch mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit durchs Oberhaus des Kongresses zu bringen. Im Senat aber haben die Republikaner gerade ihre Mehrheit ausgebaut.
Keine Änderung ist hinsichtlich der gesellschaftlichen Spaltung der USA zu erwarten. Zwar hat Trump in ersten Reaktionen auch Interesse an überparteilicher Zusammenarbeit mit den Demokraten betont. Die Halbwertzeit dieser Bemerkung dürfte bereits erloschen sein. Vielmehr ist mit der Fortsetzung des spaltenden, von keinem mehr als vom Präsidenten aufgepeitschten Gesellschaftsklimas zu rechnen, mit dem Fortgang einer Amtsführung, geprägt von Umgangsbrutalität, Rassismus und America-First-Chauvinismus.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen